Kapitel 24 - Doin' shit you don't even see in movies

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„Lou? Willst du uns nicht langsam mal erzählen, was damals passiert ist zwischen euch?" fragte Julia und Nina ließ ihren Blick hin und her wandern. Es war offensichtlich, dass dieses Thema schon totgeschwiegen wurde, von allen Seiten. Louisa sträubte sich, daran immer mal wieder zu denken, oder erinnert zu werden, wenn sie ihn sah, oder Bacardi trank, das war das Eine. Aber wenn sie es ihren Freundinnen erzählte, dann war es wieder real, dann waren die vergangenen über drei Jahre verdrängen und vergessen umsonst gewesen.

„Muss das sein? Ich meine, es ist so lange her, es bringt nun doch auch nichts mehr. Die Sache ist ohnehin durch, Leon und ich werden niemals vernünftig miteinander umgehen können" zuckte sie mit den Schultern, sie hatte sich damals damit abgefunden ihren besten Freund verloren zu haben, hatte nie wieder darüber nachgedacht, dass die beiden es klären könnten, weil es so aussichtslos erschien.

„Meinst du nicht, es hilft auch mal darüber zu sprechen? Hast du jemals mit irgendwem drüber gesprochen? Vielleicht musst du all deine Gedanken dazu auch einfach mal aussprechen, damit du damit abschließen kannst?" meinte Nina behutsam und holte Schokolade aus ihrer Tasche hervor, woraufhin Louisa langsam anfing zu nicken. Nun würde sie es also tun, würde darüber sprechen.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Wir wollten damals doch feiern gehen, ich glaube es war im Apartment 45. Jedenfalls waren wir vortrinken bei Tim, ihr beiden kamt erst später und wolltet direkt in den Club. Leon und ich haben uns vorher schon getroffen, weil ich mit ihm noch Mathe für das Abi vorbereitet habe und ich weiß noch, dass es den ganzen Nachmittag über schon so seltsam war. Er kam direkt vom Training zu mir und schon als er mich umarmt hat, wusste ich, dass irgendwas komisch ist. Er hat mir ein Küsschen auf die Wange gegeben und danach haben wir uns eine gefühlte Ewigkeit angestarrt, bis ich peinlich berührt hochgegangen bin. Er kam dann hinterher und man konnte merken, dass wir beide echt versucht haben uns zusammenzureißen und nicht anmerken zu lassen, was da los war unten im Flur. Ich wollte nie irgendwas zwischen uns zerstören, nur weil ich plötzlich irgendwelche vermutlich vollkommen lächerlichen Teenie-Gefühle bekam für meinen besten Freund. Aber ich war nicht bei der Sache und er genau so wenig, aber wie ihr uns ja kennt haben wir natürlich nicht drüber geredet, sondern krampfhaft versucht Mathe zu lernen, bis wir beide erleichtert zu Tim aufbrechen konnten. Ich habe mich noch nie so befreit gefühlt unter den ganzen Jungs zu sein." Louisa atmete aus, dann griff sie nach der Schokolade, während Julia und Nina sie mit hochgezogener Augenbraue betrachteten.

„Ich habe die ganze Zeit gemerkt, wie er mich angeschaut hat, aber wir sind jedes Mal unseren Blicken ausgewichen. Und es gab so dermaßen viel Alkohol, dass wir uns beide wohl richtig abgeschossen haben. Als ich vom Bad kam, hat er mich im Flur abgefangen und wir haben uns geküsst. Fragt mich nicht, wer angefangen hat. Ich kann mich wirklich nur noch vage dran erinnern, aber irgendwie sind wir in Tims Zimmer gelandet, bis irgendwer gerufen hat, weil wir ja loswollten. Da meinte er zu mir Nicht jetzt. Wir müssen mit. Lass uns das auf nachher verschieben. Ich will dich Louisa. Genau das hat er zu mir gesagt" Julia riss die Augen auf. „Leon? Leon sagt sowas?" fragte Nina entgeistert und Louisa lachte verzweifelt, ehe sie zustimmend nickte.

„Jedenfalls sind wir abends zusammen abgehauen, ich habe mit ihm geschlafen, die Details spare ich mir mal. Letztendlich war das auch nicht das letzte Mal, das ist bestimmt vier oder fünf Mal passiert. Immer nur, wenn wir betrunken waren. Und jedes gottverdammte Mal sind wir morgens aufgewacht und haben uns vorgenommen, dass das nicht mehr passiert." Louisas Stimme wurde brüchig.

„Könnt ihr euch noch an diesen Benni erinnern? Ich war auf seiner Party, Leon war auch da. Er kam zu mir und meinte wir müssten reden. Irgendwas muss an dem Abend oder so passiert sein, aber ich weiß bis heute nicht was. Er hat mir gesagt, dass das mit uns keine Zukunft hat" Julia und Nina sogen scharf die Luft ein, konnte ja keine der beiden wissen, dass das noch lang nicht die Pointe der ganzen Story war. Und kurz spielte Louisa mit dem Gedanken es einfach dabei zu belassen. Sie müsste weder Leon noch sich bloßstellen, doch auf der anderen Seite tat es ihr auch irgendwie gut sich all diesen Mist von der Seele zu reden.

„Das war okay, wir wussten das beide. Ich genauso gut wie er, nur hat er es gesagt. Wir haben an dem Abend beide unfassbar übertrieben. Nachts irgendwann hatte ich ein unfassbares Verlangen nach Leon, bis mir wieder einfiel, was er gesagt hatte. Also habe ich mir auf dieser Feier den nächstbesten Kerl geschnappt und mit ihm rumgemacht. Ich hatte übrigens zu viel Bacardi an dem Abend, daher die Anspielung, deshalb habe ich das danach in seiner Gegenwart auch nie wieder getrunken. Irgendwie verbinde ich das bis heute mit ihm... Naja, jedenfalls – was auch immer ihn dabei geritten hat – kam er plötzlich auf die Idee mich zu suchen, und fand mich nicht allzu vorteilhaft mit diesem Kerl, dessen Namen ich nicht einmal mehr weiß. Na, ist er besser als ich? Hat er gesagt" und noch bevor Louisa ihren Satz beendet hatte, entwich sowohl Julia als auch Nina ein entsetztes „WAS?!" woraufhin Louisa bestätigend nickte. Das mochte zwar nicht jeder verstehen, aber in ihrer Umgebung war das der inoffizielle Ausdruck für Schlampe. So deutete jeder Kerl einem anderen an, mit was für einem Mädchen er sich abgab.

„Hat er wirklich. Leon hat zu allem Überfluss den Typen noch weggeschubst und daraufhin haben wir beide eine richtig schöne fette Szene gehabt. Ich war einfach so fertig, er hat mir so fiese Sachen an den Kopf geworfen, wobei ich sicher auch nicht ganz unschuldig war. Das war die Geschichte, danach stand wohl für uns beide fest, dass das zwischen uns vorbei ist – für immer." Erklärte Louisa und versuchte sich an einem Lächeln, während sie sich ein weiteres Stück Schokolade abbrach. Eine Träne lief ihre Wange entlang und sie traute sich nicht aufzusehen in die Gesichter ihrer beiden Freundinnen. Irgendwann merkte sie, wie sie von Nina in den Arm genommen wurde und atmete erleichtert und dankbar auf.

„Oh Louisa. Das ist schrecklich. Aber weißt du wie sich das für mich anhört? Als wäret ihr beide einfach viel zu verletzt in eurem Stolz gewesen" gab Nina zu bedenken und Julia nickte ebenfalls eindringlich. Ehe Louisa antworten konnte vernahm sie Tims Stimme an der Tür „Mädels? Wir wollten Quad fahren, habt ihr Bock?" sprach er und Louisa wischte sich die Tränen mit Ninas Hilfe aus dem Gesicht, während Julia zur Tür eilte und auf ein zustimmendes Nicken wartete um diese zu öffnen. Also machten sie sich auf den Weg Quad zu fahren und jagten durch das Geröll und den Sand an der Küste.

Unforgettable (Roman Bürki, Leon Goretzka)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt