Kapitel 8 - I peep'd you from across the room

989 33 0
                                    

Louisa hatte irgendwie den Weg in ihr Bett gefunden, nachdem sie sich schnell abgeschminkt hatte und dann dort lag, wollte sie einfach nur einschlafen. Doch mit zunehmend heller werdendem Himmel durch den Sonnenaufgang, war das anscheinend gerade nicht drin. Also lag sie wach und starrte mal wieder die Decke an.

Ach man, warum konnte sie nicht wieder ihre süßen 16 Jahre alt sein, keine Probleme, außer wer auf wen steht und was man am Wochenende macht. Sie war ja nicht unzufrieden, aber ihr Privatleben litt doch schon sehr unter der aktuellen Arbeitssituation, ihre Gedanken vom Rückweg holten sie wieder ein. Sie müsste unbedingt mal wieder einfach lang mit Leonie reden. Sie wusste ganz genau, dass die sie am besten verstehen würde, so wie schon seit sie kleinste Kinder waren.

Mit diesem Plan schlief sie schnell ein. Erst als es bereits Mittag war wurde sie wach. Glücklicherweise hatte sie gestern Abend noch anderthalb Liter Wasser heruntergestürzt, sodass ihr Kopf ihr schon mal keinen Strich durch die Rechnung machte. Als sie aber im Bad war, sah sie, wie aufgequollen sie aussah. Das war immer so nach einer Menge Alkohol. Und was war da am besten? Alles raus. Und so schnappte sie sich ohne groß nachzudenken ihre Laufschuhe und lief los. Nach fünfzehn Kilometern war sie wieder zuhause angekommen, und nach der ausgiebigen Dusche fühlte sie sich wieder wie ein neuer Mensch. Ihr Blick ging zu ihrem Handy, als sie die Haare föhnte.

15:37 – 17 neue Nachrichten

Kurz seufzte sie auf. Dann öffnete sie WhatsApp und las die Nachrichten. Leonie hatte ihr sogar geschrieben. Schnell schrieb sie, ob die irgendwie auf ein Stück Kuchen vorbeikommen wollte und bekam genauso schnell die Antwort. Natürlich würde sie das tun. Also rührte sie schnell alles für einen Strawberry-Cheesecake zusammen und schon den in den Ofen, da klingelte es bereits. Strahlend lief sie zur Tür. „Das tut so gut, dich mal wieder zu sehen" meinte auch Leonie schon, als sie sich umarmten zu Begrüßung.

„Oh ja! Wie geht es dir?" und sie beide wussten, dass das keine Floskel war, sondern die ernstgemeinte Frage, nach dem aktuellen Leben einer langjährigen Freundin, die man viel zulange nicht gesehen hatte.

„Ach es läuft alles super, wir wollen auch zusammenziehen Ende des Jahres. Ich bin wirklich so froh, dass ich Mike gefunden hab. Und auf der Arbeit... ich will gerne Abteilungsleiterin werden." Erklärte sie und Louisa grinste sie an. „Du liebst den Job so richtig oder? Ich kann mir das auch vorstellen, wie du da deine Mitarbeiter begeisterst und alles. Kannst du denn da in deiner Filiale bleiben oder musst du wechseln?" Fragte Louisa interessiert. Dann holte sie den Kuchen aus dem Ofen und sie machten sich einen Tee dazu. Leonie lehnte an der Arbeitsplatte in der Küche.

„ich hoffe, dass ich bleiben kann, mein Chef ist schließlich wirklich klasse. Zumindest würde ich hinterher gerne zurück dorthin. So um mich zu beweisen würde ich auch weggehen, das macht ja kein Problem" erklärte sie und Louisa nickte verstehend, während sie den Kuchen schnitt.

„Und bei dir? Immer noch nur die Karriere?" Fragte Leonie mit einem leichten Lächeln, während sie schonmal die Teller und den Tee auf den Tisch stellte. Louisa war schon immer ehrgeizig gewesen, egal ob früher im Sport bei Volleyball oder Leichtathletik oder später in der Schule. Sie wollte nicht die beste sein, aber die beste Version von sich selber. Dass sie dabei manchmal alles um sie herum vergaß, daran hatte Leonie sich gewöhnt im Laufe der Zeit. Nur wusste sie auch, so gut wie kein anderer, dass man Louisa von diesen Trips manchmal herunter holen musste. Dann war sie so verbissen, dass sie nicht mehr merkte, wie sie anderen aber vor allem auch sich selbst schadete.

„Es ist immer noch so. Und ich glaube momentan übertreibe ich es mal wieder maßlos. Ich liebe den Job auch total, das ist voll meins mit den Kunden. Aber es stresst auch ungemein immer besser sein zu wollen, auch wenn meine Bewertungspunkte locker stimmen. Ich kann einfach nicht aufhören. Und ich merke, dass ich dadurch nicht mehr locker lassen kann. Zeit mit dir, mit Julia, allen anderen. Einfach mal feiern und sowas ist einfach nicht drin. Ich weiß auch nicht wie lang das gut gehen kann. Letztens habe ich Leon wiedergesehen. Wie lange ist das vorbei? 3 Jahre? Und es hat mich so aus der Bahn geworfen. Klar, wie soll ich ihn auch vergessen, wenn ich seit drei Jahren keinen Mann ernsthaft getroffen oder gedatet habe" seufzte Louisa laut auf in Leonie nickte.

„Ich hab euch im Club beobachtet. Draußen auf dem Balkon, als er dich angesprochen hat. Ach Lou. Eure Geschichte ist blöd gelaufen. Ich glaube zwar, dass er das auch nicht vergessen hat, aber dass ihr nicht mehr normal miteinander umgehen könnt kann ich auch nachvollziehen. Auch wenn es irgendwo traurig ist" zuckte Leonie mit den Schultern und aß ein Stück Kuchen.

„Mach dir doch einfach mal Gedanken, was für dieses Jahr deine Priorität ist. Vielleicht bis Sommer einfach mehr rauskommen. Im Sommer mit in den Urlaub, Julia und so wollten doch eh mit der ganzen Clique von früher. Sowas. Überleg es dir!" Schlug Leo vor und Louisas Kopf ratterte bereits.

Sie saßen noch auf der Couch und unterhielten sich über dieses und jenes, bis Leonie irgendwann ging, weil Mike vom Fußball zurückkam. Louisa saß auf der Couch und überlegte, was sie wohl machen könne... vielleicht mal wieder zu Oma und Opa fahren.

Schnell packte sie noch etwas Kuchen ein und fuhr los, sie war dort schon ewig nicht mehr gewesen. Das Gartentor war nur angelehnt, sodass sie direkt durchging und da saßen die beiden auch schon. „Louisa, Kind. Schön dich zu sehen. Wie geht es dir?" Fragte ihre Oma freudig, während ihr Opa sich nun auch zu ihr drehte.

„Ach du treulose Tomate, lässt dich auch mal wieder blicken?" sah Opa sie grinsend an. Und Louisa lachte auf. Doch noch bevor sie ihn ebenfalls begrüßen konnte, sprach ihre Oma dazwischen „Sie arbeitet ja schließlich viel!" nahm die Louisa in Schutz. Doch Louisa winkte nur ab, sie kannte ihren Opa, das war ja nicht böse gemeint.

„Na Louischen, wie geht es dir denn?" fragte ihre Oma nochmal und brachte ihr eine Sprite – wussten sie doch, wie sehr Louisa Sprite liebte.
„Ach, alles ziemlich stressig auf der Arbeit, ich freue mich, wenn ich Urlaub habe Ende Juni. Und viel mehr als Arbeit gibt es momentan eh nicht bei mir. Und was ist mit euch? Was macht deine Gicht Opa?" fragte sie und lehnte sich zurück um etwas die Sonne zu genießen.

„Ach, bei uns ist es immer das gleiche. Weißt du doch, Kleine" erzählte Oma und sah Louisa dann schon so fragend an. Sie wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis das Thema wieder auf sie und ihr Männerleben ging. „Nein, Oma, ich habe keinen Freund. Wirklich nicht. Niemand den ich euch vorstellen könnte, sorry" erklärte sie vorschnell und ihr Opa lachte los. Sie wussten doch alle, wie ihre Oma war.
„Ach Louisa, weißt du ich verstehe das einfach nicht. Du bist so eine tolle junge Frau. Du kannst dir doch nicht die ganze Zeit für deine Arbeit nehmen. Du bist wie dein Cousin. Der ist jetzt bald 30 und hat immer noch keine Frau." Sie seufzte aus vollem Herzen und Louisa erntete einen entschuldigenden Blick von ihrem Opa. „Ihr sollt doch glücklich werden, Kinder. Auch deine beiden Brüder, die leben doch nur für ihren Job. Wann hat man Marc das letzte Mal gesehen? Das ist doch auf die Dauer kein Leben!" brachte sie ihre Rede zu Ende und Louisa nickte einfach.

„Oma, pass auf. Ich habe oft genug mitbekommen, wie hässlich manche Scheidungen laufen, ich will auf eigenen Beinen stehen, für mein späteres Leben und das muss ich jetzt machen. Außerdem gibt es gerade absolut keinen Mann, der mich interessiert. Außerdem habe ich doch auch noch meine Mädels, mit denen ich mich treffe" erklärte sie versöhnlich und ihre Oma nickte. Ganz zufrieden war sie zwar immer noch nicht, aber immerhin wusste sie nun, dass ihre Enkelin noch ein Leben nach der Arbeit hatte.

So saßen sie im Garten, bis es bereits kurz vor Acht war und Louisa zurück nach Hause fuhr. Auch das hatte sie unheimlich vermisst, wer wusste schon, wie lange Oma und Opa noch lebten? Sie wollte ihre Zeit gerne mit ihnen verbringen und später nicht bereuen, wie sie jetzt ihre Prioritäten setzte.

Unforgettable (Roman Bürki, Leon Goretzka)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt