1. Alex

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Piep. Piep. Piep.

Stille.

Piep. Piep. Piep.

Stille.

Piep. Pie...


"Alex, steh auf und mach den verdammten Wecker aus.", rief Lucy durch meine Zimmertür und ließ diese dann laut hinter sich zufallen. Gähnend blinzelte ich und streckte meine Hand zum Wecker aus, um diesen verstummen zu lassen. Wie fast jeden Morgen wurde ich gegen 5 Uhr aus meinen Träumen gerissen, aber es half ja alles nichts. Ich warf schwungvoll die Decke von meinen Beinen und huschte über den Flur ins Badezimmer, um zu duschen.


Als dies erledigt war, schlich ich mit müden Füßen in die Küche. Schon seit einigen Tagen hatte ich ein ungewohntes Gefühl im Magen, doch wirklich beschreiben konnte ich es nicht. "Guten Morgen Süße, na hast du gut geschlafen?" - "Geht so. Ein paar Besoffene meinten mitten in der Nacht Karaoke singen zu müssen. Und du?" - "Ja, ich habe gut geschlafen.", erwiderte ich und biss genüsslich in mein eben geschmiertes Brötchen.


Dass ich in Wirklichkeit ziemlich unruhig geschlafen habe, erzählte ich ihr lieber nicht. Heute war der 6. April und mein 'Todestag' jährte sich zum elften Mal. Während Lucy die Tageszeitung studierte, starrte ich aus dem Fenster und ließ meine Gedanken kreisen.


Steve hob seine Waffe und richtete sie auf mich. Seufzend ließ ich mich nach hinten fallen, schloss die Augen und hatte nur einen Gedanken: Harry. Ein Schuss. "Fuck!", schrie ich. Der Schmerz den ich in meinem Oberschenkel fühlte, war unbeschreiblich. Doch... ich fühlte mich nicht tot. "Tomlinson. Ich bin zwar in einer Gang und deine Eltern haben es verdient zu sterben, aber du kannst nichts für die Taten deiner Eltern. Für deine Schwestern kann ich nichts. Ich verschone dich, doch du solltest die Stadt verlassen. Wenn Viktor erfährt, dass du noch lebst, bin sowohl ich, als auch du ein toter Mann." Mit diesen Worten drehte er sich um, verschwand wieder und ließ mich mit einer Schussverletzung am Bein und meinen toten Eltern neben mir hier liegen. Nach einigen Sekunden machte er noch einmal kehrt und warf mir etwas zu - wahrscheinlich mit voller Absicht landete ein Handy mindestens fünf Meter von mir entfernt. Ich musste mich erst beruhigen und ziemlich zusammenreißen, bevor ich mich umständlich zum Telefon zog, auch wollte ich sichergehen, dass Viktor und seine Handlanger verschwunden waren.


"Na los Alex, wir müssen los, sonst kommen wir zu spät." - "Ja, natürlich." Seufzend legte ich meine leere Redbull-Dose zum anderen Falschenpfand und ging dann in den Flur, um mir die Schuhe anzuziehen. Auch Lucy zog sich an und gemeinsam traten wir hinaus an die schon jetzt warme Luft in Daytona Beach. Ja richtig, Daytona Beach, Florida. So schön es hier auch war, meine alte Heimat vermisse ich noch immer, nur zu gerne würde ich mal wieder dorthin, doch in diesen Genuss werde ich wohl nie wieder kommen. Während ich es heute Lucy überließ, zur Arbeit zu fahren, drifteten meine Gedanken erneut ab und die Sicht aus dem Fenster verschwamm immer mehr.


Nachdem ich mit dem Handy Hilfe holen konnte, wurde ich in ein Krankenhaus eingeliefert und sofort operiert. Ich weiß nicht, wie lange ich dann noch unter der Narkose geschlafen habe. Doch als ich aufwachte, saßen bereits zwei Ermittler in meinem Krankenzimmer und unterhielten sich miteinander. "Oh, Sie sind wach. Willkommen zurück...", grinste mich einer an. Doch mir war so gar nicht lachen. Nach dem Telefonat mit dem Rettungsdienst hatte ich kein Wort mehr gesprochen, mir war allerdings bewusst, dass diese beiden hier nun gerne eine Aufklärung hätten und die gab ich ihnen. Etwa drei Stunden später kamen sie wieder, da sie sich mit ihrem Chef und anderen Einrichtungen besprechen wollte. Erst wusste ich nicht, was sie mir damit sagen wollten, doch schnell bekam ich eine Erklärung. Zeugenschutzprogramm. Ich werde das Land verlassen, eine neue Identität bekommen und ein neues Leben anfangen. Und nun war ich hier. Alex Miller, 31 Jahre alt, und seit Kurzem Assistenz der Geschäftsführung eines Hotels. Lucy hatte ich im Hotel kennengelernt, als ich noch am Anfang meiner neuen Karriere stand. Sie hat mich aus meinen Loch geholt, auch wenn sie bis heute nicht weiß, was in meinem vorherigen Leben war und erst recht nicht, wer ich im vorherigen Leben war. Nachdem ich mich zwei Jahre lang im Selbstmitleid gebadet hatte, hatte ich es endlich eingesehen, dass sich etwas ändern musste. 


"Du kannst jetzt aussteigen, Alex. Was ist denn heute los mit dir, du bist total neben der Spur. Fühlst du dich nicht gut?", fragte sie mich mit einem besorgten Blick. Sie stand schon neben mir und hatte die Beifahrertür geöffnet. "Nein, nein, alles gut. Bin nur schon meine heutigen Aufgaben durchgegangen.", erwiderte ich und setzte mein Fake-Lächeln auf. Meine Maske hatte ich in den letzten Jahren perfektioniert und niemand konnte hinter meine Fassade schauen. Anscheinend stellte mein Lächeln Lucy zufrieden, denn auch sie grinste nun wieder und zusammen betraten wir durch die gläsernen Türen das Hotel.


"Warum bist du eigentlich mitgekommen, Lucy? Hast du nicht heute frei?" - "Ja, hatte ich auch. Doch Tom wollte unbedingt tauschen, da er etwas Dringendes zu erledigen hatte. Frag mich aber bitte nicht was." - "Verstehe.", sagte ich und streckte ihr die Zunge aus. "Hast du heute viel zu tun, Alex?" - "Och, das übliche und einige Vorstellungsgespräche, die die Chefin nicht führen will." - "Okay, du weißt ja wo du mich findest." Lucy war eine unserer Rezeptionistin und liebte ihren Job über alles. Und auch unsere Gästen fanden sie toll, denn sie war aufgeschlossen und herzlich, aber sie konnte auch zeigen, wer hier am längeren Hebel saß, wenn ihr jemand blöd kam. 


"Gut, dann bin ich mal im Büro. Bis später, Lucy." - "Bis später, Boss." - "Haha." Ich verdrehte die Augen, strich noch einmal meinen Anzug glatt und ging in mein Büro. Auch wenn ich jetzt Lucys Vorgesetzter war, wird sie definitiv meine beste Freundin bleiben. 

Lover or Liar - Part II - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt