15. Und nun?

2K 219 39
                                    


Den Weg zurück in die Umkleide brachte ich in Trance hinter mir und konnte gerade noch vernehmen, wie Harry rausstürmte. Wahrscheinlich war das auch besser so, dass wir nicht gemeinsam in einem Raum waren. Schnell öffnete ich meinen Spind und nahm meine Sachen heraus, damit ich mich anziehen konnte.


Nachdenklich machte ich mich auf den Weg zu Lucy. Jetzt war es also so weit. Harry wusste, dass ich noch lebte, doch so hatte ich unser 'erstes' aufeinander Treffen nicht erwartet. Reden, umarmen, weinen... irgendwie so etwas. Aber nein, wir hatten wilden und verhassten Sex in der Dusche, Harry schmiss mir noch Beleidigungen an den Kopf und rauschte dann ab. Mein Herzklopfen beschleunigte sich, als ich an die Nähe von Harry zurückdachte. Niemals hätte ich gedacht, sie noch einmal spüren zu dürfen. Und verdammt - es fühlte sich gut an. 


Seine Reaktion danach tat mir wirklich weh. Aber was hatte ich erwartet? Er hatte einen Freund - Jake. Oh Gott, er hat ihn betrogen, das wird mir erst jetzt so richtig bewusst. War Harry schon immer so, hatte er mich damals auch betrogen? Nein, das glaube ich nicht. Damals war Harry ganz anders, jetzt war er reifer, aggressiver und dominanter. Ohne zu fackeln, drang er in mich ein, ohne darauf zu achten, ob er mir wehtat oder nicht. Das hat er aber nicht, jedenfalls nicht so. Seine Wörter danach taten viel mehr weh.


"Was ist denn mit dir los, Alex. Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen." - "Nein, alles gut. Wie sieht's aus, können wir los?", fragte ich sie mit meinem Fake-Lächeln. Sie lächelte zurück und nickte mir zu. Eigentlich doch traurig, dass sie es nicht erkannte. 


Zu Hause angekommen verkroch ich mich direkt in meinem Zimmer mit der Ausrede, dass mich der Sport ziemlich geschafft hatte. Lucys Blick war zwar skeptisch, widersprach mir allerdings nicht. 


Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her. Noch immer spürte ich Harrys Lippen auf meinen, seine Hände auf meinem Hintern und sein Stöhnen in meinen Ohren. Mein Gott, dieser Sex war so heiß und mein Herz klopfte schneller, wenn ich daran dachte. Er fühlte sich anders an, als die ganzen anderen One-Night-Stands die ich hatte. Seufzend zog ich mir die Decke über den Kopf und versuchte meine Gedanken beiseite zu schieben.


Das kann eine lange Nacht werden.

___


Am nächsten Morgen wäre ich am liebsten liegengeblieben, denn ich fühlte mich wie gerädert. Sofort prasselten die Erinnerungen vom gestrigen Tag auf mich ein. Auch, wenn ich jetzt eine Nacht darüber geschlafen hatte, fühlte es sich nicht anders an. Noch immer müde, konnte ich mich aber doch aufrappeln, aufzustehen. Ohne Umwege ging ich in die Küche, in der Lucy bereits saß. "Guten Morgen.", nuschelte ich und öffnete den Kühlschrank. "Na auch schon wach? 'Morgen' trifft es wohl nicht mehr ganz.", hörte ich sie. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass es tatsächlich schon mittags war. Wie lange hatte ich bitte geschlafen?


"Alex...", fing sie dann an. Fragend hob ich eine Augenbraue und sie seufzte. "... ich merke, dass mit dir etwas nicht stimmt. Warum vertraust du es mir nicht an?" Ja, genau, Louis, warum nicht? Ach, ich hatte doch keine Ahnung, wie sie reagieren würde. Nein, niemals würde ich ihr erzählen, was los ist. Warum bröckelte meine Fassade nur die letzten Tage. "Es ist nur die neue Stelle im Hotel. Ich muss mich noch einarbeiten und das ist etwas stressig.", entgegnete ich dann aber ohne ihr in die Augen zu schauen.


"Aha. Naja, ich bin weg und treff mich mit Simon, das weißt du ja." Großartig. An der Art wie sie das sagte, wurde deutlich, dass sie angepisst und enttäuscht ist. Das Knallen der Haustür ließ mich zusammenzucken und ich musste seufzen. 

___


Eigentlich hatten wir tolles Wetter und ich hätte was unternehmen sollen, doch den ganzen Nachmittag über konnte ich mich nicht aufraffen. Stattdessen schaute ich den ganzen Tag fern und dachte über mein bisheriges Leben nach. Dachte Harry wirklich, ich wäre einfach abgehauen, weil ich kein Bock mehr auf alle hatte? So oder so ähnlich hatte er es ausgedrückt. Wie kam er bitte darauf. Ich musste das klären - dringend. Obwohl ich heute frei hatte, sprang ich schnell unter die Dusche und zog mir ordentliche Klamotten an. Ein Anzug musste es heute nicht sein, aber ich wollte auch nicht wie der letzte Penner aussehen.


Im Hotel angekommen, hastete ich schnell zur Rezeption. "Hey Alex, was machst du denn hier. Hast du nicht eigentlich frei heute?" - "Hi Tom, ja habe ich. Ich muss nur dringend etwas klären. Darf ich mal bitte eben an den Rechner." - "Du bist hier der Boss, also... nur zu." - "Danke."


Schnell huschte ich hinter den Tresen und trat an den Computer heran. Tom kümmerte sich währenddessen um die Post und ich war froh, dass er mir nicht über die Schulter schaute. Ungeduldig tippte ich Harrys Namen ein und war unglaublich froh, dass er ein Einzelzimmer hatte und sich keines mit Gemma teilte. "Zimmer 289...", nuschelte ich zu mir selbst. Ich löschte noch rasch den Suchverlauf, man kann ja nie wissen. "Super, ich danke dir Tom. Viel Spaß noch.", grinste ich ihn an und er winkte mir etwas verwirrt zu. 


Harrys Zimmer lag im Südflügel des Hotels und ich machte mir gar nicht erst die Mühe auf den Fahrstuhl zu warten, sondern tapste schnell die Treppe nach oben. Mit jedem Schritt wurde ich nervöser und mein Puls raste mal wieder in Lichtgeschwindigkeit, was mich den Kopf schütteln ließ. 


Es war bereits abends und viele Gäste machten sich gerade auf den Weg zum Abendessen. Ich hoffte inständig, dass ich ihn nicht verpassen würde. Wobei? Dann würde mir wenigstens dieses blöde Gespräch erspart bleiben. Anderseits hätte ich es dann hinter mir, wenn er anwesend sein würde.


Vor seiner Zimmertür angekommen atmete ich noch einmal tief durch und sprach mir selbst Mut zu, ehe ich zaghaft klopfte. Ich wartete einen Moment, doch es passierte nichts. Wahrscheinlich hatte ich ihn doch verpasst und kurz überlegte ich, mit meiner Universalkarte die Tür zu öffnen, schob diesen Gedanken aber schnell beiseite, denn das könnte wirklich Ärger geben. Obwohl ich nicht dran glaubte, dass er dennoch da sein könnte, klopfte ich noch einmal.


Gerade als ich wieder gehen wollte, öffnete sich überraschend die Tür und ich blickte in zwei erstaunte grüne Augen. "Sieh an. Mr. Wichtig.... Und heute mal nicht im Anzug.", begrüßte er mich. Okay, Louis, vielleicht war es doch keine gute Idee, hier her zu kommen. "Ich bin privat hier. Wir müssen reden." Mit diesen Worten drückte ich mich an ihm vorbei und zwängte mich ins Zimmer.

Lover or Liar - Part II - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt