Als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich mich kurz orientieren. Die Betthälfte neben mir war leer und aus dem angrenzenden Bad hörte man das Rauschen der Dusche, also der perfekte Moment um zu verschwinden. Zügig schmiss ich die Decke beiseite, schlüpfte in meine Kleidung von gestern Abend und verschwand aus der Tür. Auf den peinlichen Smalltalk nach einer durchgevögelten Nacht, hatte ich weiß Gott keine Lust.
Mein Zimmer war nur eine Etage höher, sodass ich schnell die Treppe nahm. Kaum hatte ich meinen Fuß auf die erste Stufe gestellt, vernahm ich das Klingeln meines Handys. Ich fischte es aus der Hosentasche und mein Blick aufs Display verriet mir, dass es Lucy war. "Hey Luc... " - "Alex! Wo bist du? Ich klopfe hier die ganze Zeit an deiner Tür, aber du machst nicht auf." - "Sorry, ich habe woanders geschlafen, ich bin in einer Minute da." Ohne auf eine Antwort zu warten, beendete ich das Gespräch und beschleunigte ein wenig meine Schritte.
Oben angekommen, bog ich noch einmal um die Ecke und sah auch schon die Rothaarige mit verschränkten Armen an meiner Hotelzimmertür stehen. Sie wollte sauer sein, doch ihre Mundwinkel zuckten verdächtig, so dass ich grinsen musste. "Guten Morgen Süße, na wie hast du dich gestern unterhalten?" - "Oh, es war großartig. Er heißt Samuel, ist 29 Jahre alt und Immobilienmakler. Wir haben Handynummern getauscht und nächste Woche wollen wir uns wieder treffen. Oh Alex, er hat so wundervolle Augen und sein Lächeln. Du glaubst gar nicht, wie... " - "Okay, okay, okay... lass uns erstmal ins Zimmer. Muss ja nicht jeder unser Gespräch mithören." Lachend zog ich meine Hotelkarte durch den Schlitz, nach einem Klack wurde das Signallicht grün und wir konnten eintreten.
"Und wie war es bei dir?", erkundigte sich Lucy und wackelte mit den Augenbrauen. "Nun, der Kerl hatte ganz schon Ausdauer. Gefühlt haben wir die ganze Nacht durchgemacht. Ich sollte erstmal duschen gehen.", gab ich neutral zurück und fing schon an mich auszuziehen, während Lucy sich die Hände vors Gesicht schlug. "Oh Gott, warum frag ich überhaupt. Wie hieß er denn?" Irritiert sah ich sie an und zuckte mit den Schultern. "Woher soll ich das wissen. Der Name interessierte mich nicht. Ich wollte nur seinen..." - "Alex!" - "Ist doch so."
Inzwischen nackt ging ich ins Badezimmer, um die Dusche aufzudrehen. Lucy folgte mir und setzte sich auf den Toilettendeckel. Ich hatte kein Problem damit, mich entblößt zu zeigen, denn Lucy und ich hatten lediglich freundschaftliches Interesse aneinander. "Miller, ich finde es immer wieder faszinierend, wie du im Hotel der höfliche Assistent mit Manieren sein kannst und privat der herzlose Aufreißer. Möchtest du nicht auch mal wieder eine Beziehung haben?"
Wollte ich? Ich hätte nichts dagegen, aber nach Ben, habe ich keinen schwulen Mann mehr getroffen, mit dem ich mir etwas Ernstes vorstellen konnte. Entweder waren sie vergeben, zu sehr von sich selbst überzeugt oder zu schwul. Ja, zu schwul. Nur weil man an Männern interessiert ist, muss man sich ja nicht selbst wie eine Frau benehmen, dieses Benehmen finde ich einfach nur peinlich. "Nein, momentan gefällt's mir ganz gut so."
Nachdem wir gemeinsam gefrühstückt hatten, machten wir uns wieder auf den Weg zur Rezeption um auszuchecken. Kurz verschaffte ich mir noch einen Überblick, um nicht zufällig meiner gestrigen Bettgeschichte über den Weg zu laufen. Darauf hatte ich herzlich wenig Lust, doch die Luft war rein. "Hallo Olivia, wir wollen eben auschecken.", begrüßte ich die junge Blondine, denn unter Hotelkollegen kannte man sich halt. "Guten Morgen, Mr. Miller. Natürlich, darf ich bitte die Hotelkarten haben." - "Na klar." Ich reichte ihr meine Karte und auch Lucy hielt ihre hin. Nachdem das erledigt war, gingen wir zum Parkplatz und machten uns auf den Heimweg.
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Einige Stunden hatte ich mich zu Hause noch ausgeruht und ließ mir immer mal wieder Lucys Worte zum Thema Beziehung durch den Kopf gehen, bis mich mein knurrender Magen wieder in die Gegenwart holte. Seufzend stand ich auf und nahm mir eine Banane aus der Obstschale. Langsam kaute ich auf ihr herum, als mein Handy klingelte. "Hey Tom, was gibt's?" - "Hey Alex, hast du Lust auf ein bisschen Training? Ich wollte gleich los und habe mir gedacht, dass du eventuell auch mitkommen möchtest." - "Ja, warum eigentlich nicht. Treffen wir uns dort in einer halben Stunde?" - "Alles klar, dann bis gleich, Kumpel."
Als wir gemeinsam die Turnhalle betraten, schlug uns schon die stickige, warme Luft entgegen. Man hörte das Quietschen von Schuhen, eine Trillerpfeife ertönte und vom Nebenraum drang der Bass lauter Musik hervor. Wir gingen durch das Studio zu den Ausdauergeräten, um uns aufzuwärmen.
"Und Miller, erzähl mal, wie es gestern war. Hast du wieder einen Typen abgeschleppt." - "Na, du kennst mich doch." - "Ach Alex, du wirst dich wohl nicht ändern." Ich verdrehte die Augen, musste er denn heute auch noch damit anfangen? Reichte es nicht, dass ich mir schon einen Vortrag von Lucy anhören musste? Da ich keine Antwort gab, erzählte Tom weiter. "Darf ich dich daran erinnern, dass du eine tolle Beziehung mit Ben hattest? Ich verstehe nicht, wie du den Heiratsantrag ablehnen konntest." - "Hat Ben dir das erzählt, ja? Pff..." Ich schnaubte, warum glaubten denn alle Ben und nicht mir? "...ich war zu schockiert und konnte es nicht fassen, so dass ich ungläubig den Kopf schütteln musste, doch ich wollte 'ja' sagen. Einzig und allein Ben hat es als 'nein' interpretiert und hat alles stehen und liegen gelassen. Er hat es mich nicht mal erklären lassen. Auf so einen Typen kann ich also auch verzichten."
Und mit diesen Worten legte mir meine Kopfhörer auf die Ohren, um keine Antwort mehr von ihm hören zu müssen. Ich verstand es ja selbst nicht, warum Ben mich nicht hat erklären lassen. Vielleicht wollte das Schicksal einfach nicht, dass wir heiraten. Ja, Ben war toll, aber war es bedingungslose Liebe zwischen uns? Wäre ich glücklich geworden in der Ehe? Ich versuchte mich an die Gefühle für Harry zu erinnern und merkte gar nicht, wie ich anfing zu lächeln. Ja, das war bedingungslose Liebe. In Ben war ich verliebt, aber die Liebe war nie so tief wie zu Harry und das obwohl ich mit ihm über vier Jahre zusammen war und mit Harry nicht mal ein Jahr.
Ohne es zu merken war die halbe Stunde auf dem Laufband verstrichen und mir tippte jemand auf die Schulter. Ich nahm die Kopfhörer ab, hob fragend meine Augenbraue und schaute zu Tom. "Na los, Alex. Lass uns in den Ring."
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Lover or Liar - Part II - Larry Stylinson
FanfictionPart II von Love and liars. (Part I muss nicht unbedingt vorher gelesen werden) Vor elf Jahren hat Louis' Leben ein jähes Ende gefunden. Nicht er selbst, aber seine Identität wurde ermordet. Sein bisheriges Leben musste er von jetzt auf gleich hinte...