"Wer hat gesagt, dass du reinkommen darfst.", spuckte Harry mir entgegen. "Ich. Schließ doch bitte die Tür." Auch wenn er gestern ziemlich fies war, werde ich mich garantiert nicht von ihm einschüchtern lassen, diesen Gefallen werde ich ihm nicht tun. Zu meiner Überraschung schloss er doch tatsächlich die Tür, lehnte sich gegen sie und verschränkte die Arme. "Was willst du? Willst du wieder durchgevögelt werden?"
Verdammt, wo war der Harry von vor elf Jahren? Ich runzelte die Stirn und blickte ihn an. "Mach dich nicht lächerlich, Harry. Ich bin wegen was anderem hier und wollte nur was klar stellen." - "Ich denke nicht, dass es da etwas klar zu stellen gibt.", erwiderte Harry und hörte sich gelangweilt an, was in mir die Wut zum Vorschein brachte.
"Hör mir mal gut zu, Styles. Glaubst du wirklich, ich bin damals einfach abgehauen? Ja? Da liegst du falsch. Ich habe... ", mit jedem Wort wurde meine Stimme lauter, doch ich wurde genauso laut unterbrochen. "Sei still. Es interessiert keinen. Niemand interessiert sich mehr für dich. Du bist ein verdammter Lügner und ein Feigling noch dazu. Keinem konntest du sagen, dass du verschwindest. Uns alle hast du einfach zurückgelassen!"
"Harry! Verdammt, ich habe das nicht freiwillig gemacht. Ich wurde..." Humorlos lachte er auf. Warum lässt er mich nicht einmal ausreden? "Natürlich nicht. Wurdest du etwa gezwungen, dein Leben im Paradies am Strand zu verbringen, ja? Du Ärmster. Du bist so verlogen und erbärmlich, Tomlinson!" Ich kniff kurz die Augen zusammen, bei meinem Namen.
"Scheiße man! Lass mich doch mal ausreden, niemals hätte ich damals dich... euch... wie auch immer... einfach verlassen. Ich wollte... ", langsam hatte ich wirklich genug und inzwischen schrien wir uns an. "Dass ich nicht lache. Was wolltest du, hm? Einfach ein schönes Leben, ohne die ganzen Nervensägen? Verdammt, Louis! Ich habe dich geliebt! Du hast mein Herz gebrochen, mein Leben zerstört. Weißt du eigentlich, wie das ist, wenn man einen geliebten Menschen viel zu früh an den Tod verliert? Du bist so ein verdammter Lügner. Gut, dass du mein Leben verlassen hast."
Das hat er nicht wirklich gesagt oder? Das hat er nicht wirklich gebracht. Inzwischen stand er mit hochrotem Kopf und bedrohlich wirkend vor mir. Doch vor ihm hatte ich keine Angst - niemals. Einige Sekunden starrte ich ihn perplex und fassungslos an und versuchte mich zu beruhigen. Als ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, machte ich einen Schritt zurück und sagte so leise, dass er es gerade noch so verstehen konnte: "Ich weiß zu gut, wie es ist, einen geliebten Menschen an den Tod zu verlieren, Harry... Lottie, Fizzy, Mum und Dad wurden umgebracht. Und das schlimmste... ich musste dabei zusehen. Frag mich nicht, warum sie mich verschont haben, das kann ich dir auch nicht beantworten, ich habe lediglich einen Schuss in den Oberschenkel bekommen. Ich kam ins Zeugenschutzprogramm und durfte nie wieder zurück. Von niemandem durfte ich mich verabschieden. Nicht mal ein Foto durfte ich mitnehmen. Ich durfte nicht zur Beerdigung meiner Familie, nicht einmal deren Grab besuchen. Ich habe nicht nur meine Familie verloren, Harry. Ich habe Niall verloren und ich habe dich verloren. Glaubst du wirklich, dass das einfach für mich war oder dass ich das gewollte habe..." Bitter lächelte ich vor mich hin.
"...Es ist traurig, dass du mir nicht glaubst. Aber was soll ich schon machen. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben. Ich bitte dich nur um einen Gefallen, halte das Ganze hier bitte geheim, damit keiner sterben muss... Louis Tomlinson ist nämlich schon tot... ich bin Alex Miller." Mit diesen Worten lief ich an ihm vorbei und verließ sein Zimmer, ohne auf eine Antwort zu warten.
Es tat so weh, wie er mich anschaute, wie er mit mir redete, mich beleidigte.
___
Keine Ahnung, wie ich den Weg nach Hause geschafft habe, ohne einen Unfall zu bauen. Mein Körper saß zwar am Steuer, aber geistlich war ich ziemlich weit weg. Ich öffnete die Haustür und ging ins Wohnzimmer. Ich stand völlig neben mir, als ich ohne darüber nachzudenken, zur Vitrine ging und mir die letzte Flasche Whiskey nahm. Ich schraubte den Deckel auf und trank direkt aus der Flasche.
Nachdenklich trat ich ans Fenster. "Ach Mum, was würdest du jetzt nur machen?", nuschelte ich zu mir selbst. Wie ein Film spielte sich der letzte Tag als Louis Tomlinson vor meinem Auge ab. Wie ich an dem Morgen bei Harry aufwachte und wir den Tag gemeinsam auf dem Oster-Rummel verbrachten, wie wir gemeinsam mit der Bahn zurückgefahren sind, wie ich nach Hause kam und dann das schreckliche Bild meiner gefesselten und missbrauchten Schwestern sah, Viktor, seine Handlanger, die verlassene Halle, der Stuhlkreis und dann die Augenbinde.
Immer wieder fragte ich mich, warum mein Leben so verlaufen musste. Wie soll ein Mensch so einen Vorfall ertragen. Auch wenn ich in Therapie war, wird man so ein Erlebnis niemals vergessen können. Ich spürte wie meine Knie immer weicher wurden und nahm somit noch ein paar Schlücke aus der Whiskeyflasche, um wieder etwas Kraft zu bekommen. Inzwischen war sie fast leer. Früher war Harry mein Anker und wenn ich Kraft brauchte, habe ich sie bei ihm bekommen. Die letzten Jahre holte mich immer wieder die Erinnerung an ihn, zurück aus kurzen Krisen. Harry gab mir Kraft. Nun gab mir der verfluchte Whiskey Kraft, denn Harry entzog sie mir.
Er tauchte plötzlich wieder in meinem Leben auf und riss mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Während mein Herz wie wild klopfte, wenn ich ihn sah, schien seines voller Hass zu sein.
Seufzend drehte ich mich um und wollte mich aufs Sofa setzen. Doch wie vom Blitz getroffen, traf mich die Erkenntnis. Mir wurde schlecht. Ich habe mich wieder in Harry verliebt. Nein, das stimmte nicht, ich habe nie aufgehört ihn zu lieben. Schließlich wusste ich, dass er noch lebte. Und nun zu wissen, dass der Mensch, den du liebst, der immer dein Anker war, dir nicht glaubt, war furchtbar. Doch er scheint mir nicht nur nicht zu glauben - er scheint mich regelrecht zu hassen und das raubte mir nun die Kraft.
Diese Erkenntnis traf mich mit so einem Schlag, dass meine Beine mich nicht mehr halten konnten, ich mit den Knien auf den Boden fiel und anfing zu weinen. Nicht ein einziges Mal hatte ich so einen Nervenzusammenbruch in den letzten elf Jahren, der Gedanke an Harry hatte mich immer gerettet. Aber nun? Immer weiter bröckelte gerade meine kalte Mauer und ich musste so laut schluchzen, dass ich nicht mal merkte, wie die Haustür aufging.
Ich stütze mich mit beiden Händen auf dem Boden ab und ließ endlich all den zurückgehaltenen Tränen freien Lauf, bis ich plötzlich Lucys Stimme wahrnahm. "Alex?! Oh Gott... was ist passiert?" Ich hörte, wie sie scharf die Luft einzog und dann schnell zu mir kam. Sie ließ sich neben mir fallen und nahm mich in den Arm.
"Er hasst mich...", nuschelte ich immer wieder an ihre Schulter. "Pscht, alles wird gut. Beruhig dich erstmal." Wie ein kleines Kind schaukelte sich mich immerzu hin und her. "Er hasst mich, Lucy...", flüsterte ich. "Wer hasst dich?" Ich konnte ihr keine Antwort geben - nicht jetzt. "Er hasst mich..." Ich merkte, wie Lucy schlucken musste. Wahrscheinlich versuchte sie gerade selbst die Tränen zurückzuhalten. Noch nie hatte sie mich so gesehen.
"Er hasst mich..."
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Lover or Liar - Part II - Larry Stylinson
FanfictionPart II von Love and liars. (Part I muss nicht unbedingt vorher gelesen werden) Vor elf Jahren hat Louis' Leben ein jähes Ende gefunden. Nicht er selbst, aber seine Identität wurde ermordet. Sein bisheriges Leben musste er von jetzt auf gleich hinte...