Die nächsten Arbeitsstunden verbrachte ich wie in Trance. Bewegungslos saß ich an meinem Schreibtisch und starrte vor mich hin. Immer wieder spielte sich die Szene von heute Mittag vor meinen Augen ab. Nach elf Jahren hatte ich Harry und Gemma wieder gesehen und es war kein Traum gewesen.
Natürlich hatte sich Harry verändert, das habe ich mich ja auch. Und hätte ich die Stimme nicht gehört oder wäre Gemma nicht dabei gewesen, hätte ich ihn vielleicht gar nicht wahrgenommen. Harry sah so unglaublich attraktiv aus, seine Haare trug der nun länger und die Locken fielen auf die Schultern. Seufzend strich ich mit einer Hand über das Gesicht. Ich nahm mir vor, dass ich jetzt wohl sehr vorsichtig durchs Hotel gehen musste, denn Harry oder Gemma durften mich auf keinen Fall erkennen, schließlich war ich offiziell ja tot. Ich wollte mir auch nicht vorstellen, was passieren würde, wenn die mich entdecken. Das wäre sicherlich auch ein Schock für die beiden. Naja, ein paar Tage würde ich es wohl schaffen unscheinbar zu sein.
Ausgerechnet Daytona Beach. Die Welt ist riesig und ausgerechnet hier machten sie Urlaub? Aufgekratzt öffnete ich unser Buchungsprogramm und tippte seit Jahren das erste mal wieder seinen Namen irgendwo ein. Harry Styles. Ich schluckte und klickte auf den Suchen-Button.
Drei Wochen? Verdammt, warum waren sie noch drei Wochen hier? In unserem Hotel? Das kostete ein halbes Vermögen. Vielleicht sollte ich Urlaub nehmen. Ach, das kann ich gleich wieder vergessen, meine Chefin würde spontan niemals drei Wochen genehmigen. In diesem Moment war ich so froh, dass ich nun Assistent und kein Rezeptionist mehr war, das wäre übel geworden.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich schon längst Feierabend hatte. Gähnend streckte ich mich einmal und rieb mir über die müden Augen, ehe ich mich erhob und zur Tür ging. Kein einziges Mal hatte ich heute mein Büro verlassen. Ich schloss noch einmal kurz die Augen und holte tief Luft, ehe ich die Türklinke nach unten drückte und vorsichtig über den Flur schielte. Erleichtert darüber, dass die Luft rein war, begab ich mich mit eiligen Schritten nach draußen zu meinem Auto.
Zu Hause angekommen, streifte ich meine Schuhe und Jacke ab, lockerte die Krawatte, öffnete die ersten Hemdknöpfe und ließ mich ausgelaugt aufs Sofa plumpsen. "Was ist denn mit dir los?", ertönte plötzlich Lucys Stimmte. Vor Schreck zuckte ich kurz zusammen, fing mich aber wieder schnell. "War heute ein anstrengender Tag." - "Dann hab ich was für dich. Es gibt selbstgemachte Pizza.", grinste sie mich an, was ich einfach erwidern musste. Ohne noch etwas zu sagen, ging sie in die Küche und ich folgte ihr.
"Was hast du heute noch vor, Lucy?" - "Ich muss gleich los zur Nachtschicht, das weißt du doch.", sagte sie verwirrt. Denn eigentlich kann ich ihre Schichten auswendig. "Achja, sorry." Und was mach ich heute Abend noch? Auch wenn ich mich erschöpft fühlte, wusste ich ganz genau, dass ich heute nicht direkt schlafen würde.
Was Harry wohl gerade macht? Zu gerne würde ich wissen... Meine Gedanken spinnten eine Idee zusammen und ich fing an zu grinsen. "Lucy, ich komme mit und leiste dir Gesellschaft. Ich werde eh nicht pennen können und auf dem Hotelgelände habe ich zwei verdächtige Personen gesehen, das lässt mir keine Ruhe." Sie runzelte zwar irritiert die Stirn, fragte aber nicht weiter nach. Überzeugt von meinem Plan ging ich in mein Schlafzimmer und stellte mich vor meinen Kleiderschrank. Ich will nur ein bisschen über ihn erfahren, vielleicht erhasche ich ja eine interessante Unterhaltung. Pfeifend kramte ich eine Trainingshose und ein weites Sweatshirt raus, zog mir beides schnell über und ging dann wieder zu Lucy. "Wir können!"
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Wieder am Hotel angekommen blickte ich mich immer wieder um, um vielleicht 'die verdächtige Person' auszumachen, erklärte ich Lucy, die etwas verwundert über mein Verhalten war. Da wir ja ein so luxuriöses Hotel waren, kam es nicht gut, wenn ich in so Schlabberklamotten am Empfang herumlungerte, sodass ich mich ins Nebenzimmer verzog. Abends war jedoch nicht viel los, also kam Lucy immer mal wieder rein und leistete mir Gesellschaft, während ich die Monitore der Überwachungskameras studierte. "Wie sehen denn die Typen aus, die du stalken willst?" - "Ich will sie nicht stalken, ich will... sie nur im Auge behalten." - "Ahja... also, wie sehen sie aus?" Kurz biss ich mir auf die Unterlippe. Sollte ich ihr es sagen? Na, sie wird schon nichts Schlimmes machen. "Eine Frau und einen Mann, wahrscheinlich ein Pärchen, beide ca. 30 Jahre alt, sie hat blonde Haare und er hat lange Locken, grüne Augen, Tattoos an Armen und Oberkörper, Grü...." - "Woher weißt du, dass er Tattoos am Oberkörper hat?", fragte sie mich erstaunt, doch ihre Lippen zierten ein kleines Schmunzeln.
Oh, verdammt. Da habe ich wohl erst geplappert und dann gedacht. "Sie waren vorhin am Pool, da konnte ich einen Blick erhaschen.", zwinkerte ich ihr zu. "Verstehe, also ein ziemlich heißer Typ, der aber wohl mit seiner Frau hier ist." Ich lachte kurz auf. Wenn du nur wüsstest, Lucy. Wenn du nur wüsstest. "So kann man es auch sehen."
Die ersten Stunden passierte einfach mal gar nichts, so dass ich beschloss, was trinken zu gehen. Ich zog mir die Kapuze meines Sweatshirt über den Kopf, steckte die Hände in die Taschen und ging nach oben auf die Dachterrasse. Mit gesenktem Blick setzte ich mich an die Bar. "Guten Abend der Herr, was darf ich Ihnen bringen?" Ich hob etwas den Blick, damit man mein Gesicht in den leichten bunten Lichtern erkennen konnte. "Hey Kathleen, ich nehme einen Redbull." - "Oh. Mr. Miller, entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht erkannt, dass ist mir jetzt aber unangenehm." Leiste lachte ich. "Alles gut. Sie sehen mich ja auch sonst eher in geschneiderten Anzügen. Privat bevorzuge ich jedoch sowas hier." erklärte ich und blickte einmal an mich selbst herab, was Kathleen zum Schmunzeln brachte. "Das macht Sie noch sympathischer, Mr. Miller."
"Und was bringt Sie zu später Stunde in Ihrer Freizeit hierher, wenn ich fragen darf?" - "Natürlich dürfen Sie..." Ich machte eine kurze Pause und zuckte mit den Schultern. "...es ist aber nicht sonderlich spektakulär. Ich hatte einfach nichts zu tun, mir war langweilig und Durst hatte ich auch.", grinste ich sie an.
Während ich an meiner Dose nippte, kramte ich mir auch meine Zigaretten raus und steckte mir eine an. Seufzend blies ich den Qualm aus und überlegte, wann ich das letzte Mal eine Kippe geraucht hatte. Ich tat dies nur in Stresssituationen und aktuell befand ich mich definitiv in einer, denn ich hatte Harry wiedergesehen.
Trotz des Energy-Drinks überkam mich irgendwann die Müdigkeit, sodass ich wieder zur Rezeption ging, um mich von Lucy zu verabschieden. Vielleicht war es doch eine blöde Idee mit ihr hierher zu kommen.
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Lover or Liar - Part II - Larry Stylinson
FanficPart II von Love and liars. (Part I muss nicht unbedingt vorher gelesen werden) Vor elf Jahren hat Louis' Leben ein jähes Ende gefunden. Nicht er selbst, aber seine Identität wurde ermordet. Sein bisheriges Leben musste er von jetzt auf gleich hinte...