Erst nach einer gefühlten Ewigkeit lösten wir uns ein Stückchen voneinander, hatten aber noch die Arme um den jeweils anderen gelegt, während wir uns in die Augen schauten. Sie hatte das gleiche intensive Grün, wie ihr Bruder, sie waren genauso schön. Gemma lächelte mich an und ich musste es einfach erwidern.
"Gemma...", hauchte ich. "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass es euch gut geht, aber..." In diesem Moment wurde ich nach hinten gerissen und ich musste aufpassen, dass ich das Gleichgewicht behielt und nicht hinfiel.
"Verpiss dich, Tomlinson!" Gequält verzog ich mein Gesicht. "Harry, ich habe dir schon ein paar Mal gesagt, wie ich heiße. Bitte..." Doch der Lockenkopf ging gar nicht darauf ein, sondern drehte sich zu seiner Schwester. "Hat er dir weh getan oder dich irgendwie angefasst oder begrapscht?", fragte er sie mild. Wie bitte?! Das hat er nicht wirklich gesagt oder?! Ich dachte, ich habe mich verhört. Warum sollte ich seine Schwester anfassen. Sie war damals wie eine weitere Schwester für mich und außerdem weiß er doch, dass ich schwul bin. Wie kommt er eigentlich darauf, dass ich was mit Lucy hätte oder gar seine Schwester in dieser Hinsicht berühren würde. "Ich schwöre dir, wenn dir dieses Schwein irgendetwas angetan hat, wird er leiden."
Geschockt weiteten sich Gemmas Augen und sie starrte Harry fassungslos an. "Harry...", flüstere sie sichtlich entsetzt, doch mehr Worte kamen nicht aus ihrem Mund. Harry drehte sich wieder zu mir und funkelte mich mit bösen Augen an: "Habe ich mich nicht richtig ausgedrückt? Du sollst dich verpissen, Tomlinson!"
"Harry!" Gemma drehte mit einem Ruck ihren Bruder zu sich und schien ihre Stimme wiedergefunden zu haben, während sie ihn wütend anblickte. "Was soll das? Ist dir überhaupt bewusst, wen wir hier vor uns haben? Du solltest Alex am besten kennen. Wie kannst du nur sowas von ihm denken? Niemals würde er..." - "Alex also, hm? Sei lieber still, Gemma. Er ist ein miserabler Lügner und hat sich geändert."
Ich konnte mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen und lenkte so wieder die Aufmerksamkeit auf mich. Wer sich hier wohl geändert hat, fragte ich mich. Er ist doch so aufbrausend und aggressiv geworden. Er denkt, ich vögel mich durchs ganze Hotel. Er lässt mich nicht ausreden. Er glaubt mir nicht. Kopfschüttelnd sah ich die beiden an. "War schön mal wieder mit dir zu plaudern, Gemma. Ich muss jetzt arbeiten." Schnell machte ich kehrt und ging den langen Flur zu den Fahrstühlen entlang. Ungeduldig drückte ich auf den Knopf und drehte mich noch einmal kurz um.
Ich konnte sehen, wie sie anscheinend miteinander stritten, denn Gemma gestikulierte wild mit ihren Armen und hatte einen wütenden Gesichtsausdruck, während Harry sie ziemlich unbeeindruckt und ruhig anschaute.
Erst jetzt bemerkte ich, wie mein Herzschlag wieder eine ungesunde Geschwindigkeit angenommen hatte. Man, ich will das nicht! Harry soll sich aus meinem Herz verziehen! Mit jedem gemeinem Spruch, mit jedem hasserfüllten Blick und mit jeder verächtlichen Bemerkung tat er mir weh. Mein Herz, welches ich die letzten zehn Jahre mühsam versucht hatte zu flicken, schien langsam erneut zu zerbrechen. Ich konnte quasi die Scherben, die auf den Boden fielen, hören.
Warum macht er das mit mir? Warum glaubte er mir denn nicht? Wir haben uns damals so sehr geliebt, warum soll ich denn einfach abgehauen sein, weil ich kein Bock mehr auf alle hatte? Auf ihn, auf Niall, auf mein Leben... warum sollte ich alle einfach so zurücklassen?
Das Geräusch der sich öffnenden Fahrstuhltüren holte mich wieder zurück in die Realität und schnell huschte ich in ihn hinein. Beim Blick in den dort angebrachten Spiegel erschrak ich kurz. Ich war total blass und sah irgendwie krank aus. Meine Stirn hatte jedoch eine normale Temperatur und auch sonst fühlte ich mich ganz fit, nur mein Herz war gebrochen.
In meinem Büro angekommen setzte ich mich dort in den Nebenraum. Ich hatte hier eine weiße Ledercouch mit einem kleinen Tisch aus Glas stehen. Warum taten meine Gefühle das? Warum müssen sie sich wieder in Harry verguckt haben? Er sieht mich voller Hass an und lebt auf der anderen Seite der Erde, das macht doch keinen Sinn! "Scheiße!", schrie ich und trat einmal gegen den Tisch. Ich will das nicht mehr! Kann man diese verdammten Gefühle nicht einfach abstellen?!
So fing der Tag mal wieder super an. In meinem Kopf herrschte ein absolutes Durcheinander und das machte es mir unmöglich gerade zu arbeiten. Kurzentschlossen sprang ich auf, zog mir meinen Anzug aus und schnappte mir aus der Kommode eine kurze Hose und ein Tanktop, die ich zufällig noch hier hatte.
Ohne lange darüber nachzudenken, verließ ich mein Büro und eilte runter zur Rezeption. "Lucy!" Fragend hob sie eine Augenbraue und musterte mich dann skeptisch, als sie mein Outfit sah. "Was ist los?" - "Ich mach heute frei, ich muss hier raus. Kannst Du bitte meinen Termin für heute Nachmittag absagen?" - "Hm, ja klar kann ich machen. Ist... etwas vorgefallen?"
Seufzend blickte ich zu Boden, nickte dann aber. "Kann man so sagen... er war wieder ziemlich fies zu mir." Verstehend nickte sie und versuchte mit ein paar lieben Worten mich wieder aufzumuntern. Ich war ihr wirklich dankbar, dass sie für mich da war, aber nun wollte ich raus hier.
Und wo kann man in Daytona Beach am besten abschalten? Richtig - am Strand. Und da wir mitten in der Woche und noch morgens hatten, sollte es auch nicht allzu voll sein, da die meisten noch in der Schule oder bei der Arbeit waren.
Als ich dann endlich den knirschenden Sand unter meinen Schuhen spürte, bückte ich mich eben, um diese abzustreifen, damit ich barfuß gehen konnte. Ich ging direkt zum Wasser und blieb dort stehen. Für einen Moment schloss ich meine Augen und genoss die Meeresluft und das Rauschen der Wellen.
Auf einmal kam mir eine Erinnerung von damals wieder in den Sinn. Kurz bevor ich mit Harry zusammengekommen bin, hatte Liam einen USA Aufenhalt und ich war so neidisch. Ich wollte unbedingt einmal hierher, doch dachte ich eigentlich eher an Urlaub oder vielleicht für ein paar Monate Auszeit. Und jetzt? Jetzt wünschte ich mich nichts sehnlicher, als einfach nur mein langweiliges Leben in Großbritannien hätte leben zu dürfen.
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Lover or Liar - Part II - Larry Stylinson
FanfictionPart II von Love and liars. (Part I muss nicht unbedingt vorher gelesen werden) Vor elf Jahren hat Louis' Leben ein jähes Ende gefunden. Nicht er selbst, aber seine Identität wurde ermordet. Sein bisheriges Leben musste er von jetzt auf gleich hinte...