38. Frage

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Nachdem ich mir noch einen Kaffee geholte hatte, ging ich in mein Büro und suchte mir meine Unterlagen für die Hotelprüfung, die in Kürze anstand, zusammen. Wusste meine Chefin darüber eigentlich schon Bescheid? Wenn nicht, wird sie hoffentlich zufrieden sein, dass ich schon so gut wie alles vorbereitet hatte, wenn sie nächste Woche wieder da sein würde.


Die Unterlagen legte ich auf meinen Schreibtisch und bevor ich mich setzte, öffnete ich noch das Fenster. Die frische Luft Floridas umhüllte mich direkt und stimmte mich wieder positiv. Warum musste Lucy auch wieder das Thema 'Harry' ansprechen? Sie wusste ganz genau, wie ich dazu stand. Eine Weile noch ließ ich meinen Blick über das noch leere Hotelgelände gleiten, ehe ich kurz den Kopf schüttelte und mich um meine Arbeit kümmerte.


Mein Rechner war noch nicht ganz hochgefahren, als es an meiner Tür klopfte. Was wollte Lucy denn jetzt noch? "Herein." Ich hörte wie sich die Tür öffnete, doch schaute nicht hoch, sondern kritzelte weiterhin in meinen Unterlagen rum. "Was möchtest du Lucy?", fragte ich dann, da sie nichts sagte. Doch anstatt einer Antwort, erhielt ich nur ein Räuspern, welches ganz sicher nicht Lucy gehört. Meine Augen huschten hoch und fanden einen verschwitzten Harry in Sportklamotten vor. Allein bei diesem Anblick wurde mir wärmer. Ich sollte gleich unbedingt die Klimaanlage anmachen.


Bei dem Gedanken, weswegen er wahrscheinlich hier war, wurde mir allerdings alles andere als warm, sondern eher speiübel. Er wird den ganzen Tag mit Gemma unterwegs sein und morgen hatte ich frei. Also wäre jetzt der Zeitpunkt, an dem wir uns das letzte Mal sehen würden. "Hey Harry..." - "Hey." - "Du... warst schon beim Sport?" - "Ich war joggen vorm Frühstück und auf dem Rückweg habe ich gesehen, dass dein Auto schon da ist und daher..." Harry unterbrach sich selbst und schaute mich ein wenig hilflos an. "Du... du möchtest dich verabschieden oder?" Ich schluckte, denn mir fiel es schwer, diese Wörter überhaupt auszusprechen. "Wie man's nimmt..."


Was wollte er mir damit denn sagen? "Ich... wollte dich noch etwas fragen." Er wollte mich etwas fragen? Harry sah mich etwas eingeschüchtert an, kam dann mit ein paar Schritten um den Schreibtisch herum und hockte sich vor mir hin. Mit großen Augen blickte er von unten zu mir rauf, während er seine Hände auf meine Knie legte. Vielleicht würde er mich jetzt fragen, ob er hier bleiben dürfe. Ganz bestimmt tut er das, sein Blick sah schon so aus. Meine Hoffnung stieg gerade ins Unermessliche und mein Herz begann wie bekloppt zu rasen. "Alex, du weißt, dass ich morgen abreise, aber ich hätte da noch... eine Bitte, bevor wir uns nie wieder sehen."


In meinem Hals bildete sich ein Kloß und ich fühlte mich gerade, wie bei einem Heiratsantrag, bei dem man nur auf die alles entscheidende Frage wartete und endlich 'JA' sagen konnte. "Und die wäre?", wagte ich dann doch zu fragen, als Harry keine Anstalten machte, weiterzusprechen. 

Der Lockenkopf räusperte sich noch einmal und schaute mich vorsichtig an. "Ein Date.", flüsterte er dann. Ein Date? Das war jetzt nicht ganz das, was ich erhofft hatte. Aber dennoch... er wollte ein Date mit mir. Ein Treffen auf romantischer und nicht auf freundschaftlicher Ebene. Ich kräuselte die Stirn und versuchte herauszufinden, ob ich dieser Bitte nachkommen könnte, ohne später daran zu zerbrechen, doch Harrys Stimme unterbrach meinen Gedankengang. "Nur ein einziges. Ich weiß, wir hatten eine Abmachung, dass wir nur Freunde sind, aber wenn heute die letzte Chance meines Lebens ist, mit dir ein Date zu haben, dann ist das in diesem Moment mein größter Wunsch... nichts großes, nur vielleicht Essen gehen oder so."


Wow, das war das wohl schönste, was mir jemand in den letzten Jahren gesagt hatte. Aber... 'Nur ein einziges' sagte er gerade. Er wird also bei Jake bleiben und nach heute Abend nie wieder mich daten. Es wird mich zerstören. "Okay.", antwortete ich ihm. Warum machst du das, Louis?! Hatte ich meinem Mund befohlen, dieses Wort zu sagen? Es wird mich kaputt machen. 


"Wirklich?" - "Ja, wirklich, Harry. Aber was ist mit Gemma?" - "Ach, mit Gemma kann ich noch oft genug Essen gehen." Leider hatte er Recht, denn er wird weiterhin in Großbritannien leben und nicht bei mir. Immer wieder schlichen sich diese fiesen Gedanken in meinem Kopf, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.

Ich nickte und überlegte insgeheim schon, was wir heute Abend machen könnten, während Harry mich immer noch aus der Hocke anstrahlte. "Danke Alex. Treffen wir uns dann unten im Restaurant später?" - "Nein... nicht unten im Restaurant. Hab einen schönen Tag mit Gemma, ich sag dir später Bescheid, wo du hinkommen sollst." Fragend hob Harry eine Augenbraue. "Alex. Ich will nichts großes. Ich möchte einfach nur Zeit... eine besondere Zeit mit dir verbringen." - "Keine Sorge. Und jetzt geh frühstücken.", grinste ich ihn an, was er sofort erwiderte. "Okay, dann bis später." Er stand auf und blieb noch kurz vor mir stehen. Jetzt müsste er mich küssen... doch leider wurde mir mein kleiner Wunsch nicht erfüllt, denn Harry drehte sich um und verließ lächelnd mein Büro.


Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, griff ich zum Telefon. "Alex, was gibt es?" Dank meiner eingespeicherten Durchwahl, wusste Lucy an der Rezeption natürlich sofort, dass ich es war. "Ich brauche deine Hilfe. Kannst du hochkommen, wenn du Zeit hast?" - "Ja klar, es ist gerade nichts los und wir sind zu zweit. Ich bin gleich bei dir." Und schon hatte meine beste Freundin aufgelegt, ohne dass ich noch etwas antworten konnte. Natürlich hatte ich schon eine Idee, was ich heute Abend mit Harry machen konnte, aber ich war mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht doch zu kitschig wäre. Aber Lucy wird mir garantiert die richtige Antwort geben. 


Es vergingen kaum zwei Minuten, als Lucy schon ohne zu klopfen in mein Büro stürmte und sich direkt auf einem der Stühle vor mir plumpsen ließ. "Dann schieß mal los, Miller." - "Ich habe heute Abend ein Date.", antwortete ich ihr ohne Umwege. 

Skeptisch hob Lucy eine Augenbraue und mustere kritisch mein Gesicht. "Alex... Ich weiß, dass du wegen Harry frustriert bist. Aber mit einem Fremden die ganze Nacht durchvögeln, ist kein Date." Sofort musste ich lachen. Dafür liebte ich Lucy, für ihre ehrlichen Worte, die auch manchmal hart sein konnte. Doch ich war froh, dass sie diesmal falsch lag.

"Das Date ist mit Harry." - "Oh..." Ihre Augen blitzten auf und unverzüglich setzte sich sich etwas aufrechter hin. "... hast du ihn doch gefragt?", fragte sie aufgeregt. "Nein. Er wird morgen aus meinem Leben verschwinden. Er war nur eben hier und sagte mir, dass er noch einen Wunsch hätte. Ein Date mit mir... ich konnte nicht anders, ich musste ja sagen." 

"Und du willst mir sagen, dass er nicht gerne hier bleiben würde...", tadelte meine beste Freundin. "... okay, pass auf, Alex. Vielleicht braucht er noch einen letzten Kick für seine Entscheidung? Wenn es so ist, dann bedeutet der Ausgang dieses Dates für dein restliches Leben Frust oder das größte Glück auf Erden." - "Lucy! Es ist nur ein einziges Date. Zum Abschied quasi."

Lucy stöhnte einmal laut auf und ließ sich wieder gegen die Rückenlehne fallen. "Hör zu. Ich weiß, du möchtest dir nicht zu viele Hoffnungen machen und hast diesen Jake noch im Hinterkopf bla bla bla... Aber bitte... bitte bitte bitte sei heute Abend egoistisch. Genieße es, lass dich auf alles ein und es wird ein perfektes Date. Tu mir und dir diesen Gefallen."


Nun gut, was hatte ich schon zu verlieren. Sie hatte mich gerade überredet. Ich werde ihn nicht fragen, ob er bei mir bleibt, aber ich werde das Date genießen und egoistisch sein, wie Lucy es mir sozusagen befohlen hat. Kein Jake, kein Großbritannien, kein Florida, nur Harry und Louis. "Okay, ich werde es genießen. Ich hatte auch schon eine Idee für heute Abend, bin mir aber nicht sicher, ob es vielleicht zu kitschig ist, da er nichts Großes will und morgen früh raus muss, nur ein Essen oder so, aber...", ich stoppte, als Lucy plötzlich aufsprang und grinsend um den Schreibtisch kam. Ohne zu fragen, setzte sie sich auf meinen Schoß und öffnete am Rechner unser Buchungsprogramm.

Auf dem Kalender tippte sie das heutige Datum an und klickte sich durch die Zimmer. Ich musste lachen, als ich sah, welches Zimmer sie wählte. Es war tatsächlich heute noch frei und ohne zu zögern, buchte sie es auf meinen Namen. "Warum lachst du?" - "Weil ich genau die gleiche Idee mit der Honeymoon Suite hatte." - "Na also. Perfekt. Ich sag noch unserem Küchenchef Bescheid, dass er euch für heute Abend ein tolles Menü zaubern soll und dann bring ich dir gleich den Schlüssel okay? Den Rest musst du leider selbst machen." - "Ich danke dir, Lucy. Für alles. Danke, dass du meine beste Freundin bist." Ich konnte einfach nicht anders und musste die Frau auf meinem Schoß einmal fest an mich drücken. "Aber einen Schlüssel brauche ich nicht. Hab doch die Universalkarte."

Lover or Liar - Part II - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt