5. Mittagessen

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Das Training am Vorabend tat mir richtig gut und die Anspannung der letzten Tage war wie verflogen. Das liebte ich am Kickboxen, man konnte einfach seine ganze Last loslassen. Und nun war ich wieder auf dem Weg ins Büro. Lucy hatte heute Abend Nachtschicht, sodass ich alleine los musste. Gut gelaunt und summend betrat ich also das Hotel durch die großen Glastüren.


Freundlich begrüßte ich Robert, auch einer unserer Rezeptionisten, der heute wohl Frühschicht hatte und tapste durch die Lobby, am Frühstückssaal vorbei. Gerade als ich um die Ecke bog, hörte ich ein Lachen, was sämtliches Blut in meinen Adern gefrieren ließ. War das Harry? Es klang nicht ganz so wie früher, sondern war rauer und dunkler, doch es hätte Harrys sein können. Ich schluckte hart und drehte mich vorsichtig um. Sekundenschnell scannte mein Blick alle verdächtigen Personen ab, doch konnte ihn nicht erkennen. Erleichtert stieß ich wieder meine Luft aus, die ich vor Schreck angehalten hatte. 


Ich schüttelte mich schnell und eilte in mein Büro. Mensch Louis, jetzt halluzinierst du schon, wenn du nüchtern bist. Außerdem musste ich besser aufpassen, denn selbst wenn er es gewesen wäre, hätte ich mich nicht umdrehen dürfen. Louis Tomlinson ist vor elf Jahren gestorben und ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn ich jemanden von früher doch mal begegnen würde. Nicht umsonst, lebte ich auf der anderen Seite der Welt. Verdammt, warum waren Ben und Harry in den letzten Tagen wieder so präsent in meinem Kopf? Ich war verwirrt und versuchte mich mit Arbeit abzulenken. 

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Gerade ließ ich meinen Kugelschreiber fallen, da ich die Post für heute unterschrieben hatte, als mich mein Telefon hochschrecken ließ. "Miller?" - "Hey Alex, ich bin's Tom. Meine Schicht fängt gleich an. Wollen wir vorher noch zu Mittag essen?" - "Ja klar, gerne. Wo bist du gerade?" - "Ich bin in der Lobby." - "Okay, ich komme runter."


Unten angekommen begrüßten wir uns kurz und machten uns dann auf den Weg ins hoteleigene Restaurant. Ich bestellte mir lediglich einen leichten Hühnchensalat, denn wenn ich jetzt etwas Schwereres im Magen hätte, wäre ich total schläfrig und das würde meine zweite Tageshälfte beeinträchtigen.


Doch kaum hatte ich die ersten beiden Bissen genommen, überkam mich wieder so ein komisches Gefühl im Magen. Was war das nur? Vielleicht sollte ich mal zum Arzt gehen. Das Gefühl ignorierend, aß ich meinen Salat weiter, während Tom mir von seinem Wochenende bei seinen Eltern erzählte. Sein Vater hatte einen Unfall, daher hatte er so dringend mit Lucy tauschen wollen. Doch zum Glück war nichts weiter Schlimmes passiert, lediglich ein paar Kratzer hatte sein Vater, doch der erste Schreck sitzt bei sowas erstmal tief. Ich wusste genau, was er meinte, schließlich hatte Lottie damals auch einen Unfall und so wie der Arzt sprach, als er mich damals anrief, musste ich vom Schlimmsten ausgehen. Zum Glück war es dann 'nur' ein gebrochenes Bein.


"So gerne ich noch ein wenig mit dir weiter plaudern würde, ich muss leider los, denn meine Schicht fängt an. Und wir wollen ja nicht, dass ich Ärger mit meinem Chef bekomme oder?", zwinkerte er mir zu. "Wenn der Chef der Grund für die Verspätung ist, wird er dir schon nicht den Kopf abreißen.", gab ich ebenso belustigt zurück, denn schließlich bin ich nun sein Chef. Das war schon irgendwie ein komisches Gefühl. Dennoch stand er auf und verschwand aus der Tür. Meine Mittagspause war noch nicht vorbei, also nahm ich mir die Tageszeitung, die Tom da gelassen hatte und las die Nachrichten.


"... wir nicht gleich in den Außenpool, der sah richtig gut aus und viel los war auch nicht." Die Buchstaben der Zeitung verschwammen und ich erstarrte. Schon wieder dachte ich, Harrys Stimme zu hören und sie kam von hinten immer näher. Automatisch machte ich mich im Stuhl kleiner und hielt die Luft an. Mensch Louis, reiß dich zusammen und bilde dir nicht immer Dinge ein. "Ja, gerne. Das Wetter ist ja auch super." Ich schluckte, denn diese Stimme kam mir auch bekannt vor, doch ich konnte sie nicht einordnen gerade. Die männliche Person lachte und auf meinem Körper machte sich eine Gänsehaut breit. "Gemma, wir sind in Florida, hier ist immer gutes Wetter. " In diesem Moment gingen sie an mir vorbei und schnell drehte ich mein Gesicht zum Fenster, sie durften mich auf keinen Fall erkennen. Gemma. Harrys Schwester. Mir wurde warm und kalt gleichzeitig und meine Atmung hektisch. Harry und Gemma... sie waren es wirklich. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf wieder und lugte ein Stück über die Zeitung. Verwirrt schaute ich ihnen hinterher und schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein, das muss ich mir eingebildet haben.


Nachdem sie das Restaurant verlassen hatte, stand ich wie in Trance auf, winkte unserer Kellnerin einmal zu, um ihr verstehen zu geben, dass ich wieder gehe. Langsam und vorsichtig ging ich durch die Tür und schaute mich einmal um. Im linken Flur, der zu den Hotelzimmern führte, sah ich die beiden dann von hinten - jetzt bloß nicht auffällig werden, Louis. Mit leisen, aber zügigen Schritten versuchte ich einige Meter aufzuholen und ein paar Gesprächsfetzen mitzubekommen.


Plötzlich blieb Harry mitten im Gang stehen und in mir stieg Panik auf. Meine Augen weiteten sich und ich sah mich schnell nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch lediglich eine große Palme stand dort. Ich fühlte mich zwar blöd, mich dahinter zu verstecken, aber jetzt gerade blieb mir keine andere Möglichkeit. Durch die Blätter konnte ich erkennen, wie Harry sich umgedreht hatte und mit zusammen gekniffenen Augen die Umgebung abscannte. "Was ist los, Harry?", fragte Gemma sichtlich verwirrt. "Ich... ich dachte nur gerade... ach egal. Los, lass uns unsere Badesachen holen." Und dann verschwanden sie auch schon.


Ohne auf meine Umgebung zu achten, stürmte ich in mein Büro. Ich hörte zwar wie Tom mir an der Rezeption zurief, doch ich konnte nicht antworten und schüttelte nur den Kopf. Kaum hatte ich die Tür hinter mir verschlossen, lehnte ich mich mit dem Rücken an sie und versuchte zu verstehen, was da gerade passiert ist. Seufzend rutschte ich an der Tür entlang und saß nun auf dem Boden. Harry war hier. In Florida. In Daytona Beach. In dem Hotel, wo ich arbeite.


Fuck. Das war keine Einbildung. Das war Wirklichkeit.




Lover or Liar - Part II - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt