Verbrennungen #40

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Nach dem ich eine Viertelstunde gelaufen war, kam ich endlich an dem Café vom gestrigen Abend an.
Etwas aus der Puste, da ich beinahe gerannt war, schaute ich auf meine Armbanduhr. Es war 9:26 Uhr, sie sollte gleich kommen. Gleich sollte ich die Antwort auf das alles bekommen.
Nach nur ein paar Minuten kam ein schwarzes Auto um die Ecke und hielt direkt vor mir. Am Steuer saß Alex. Aber das konnte doch gar nicht sein. Sagte sie mir nicht, dass sie erst sechzehn geworden sei?
"Wieso fährst du?", wollte ich geschockt von ihr wissen, da mit jedem neuen Ereigniss, die Person zu sterben schien, die ich einst kannte.
"Hör mal, ich darf nicht entdeckt werden, deshalb haben wir nur wenig Zeit.", entgegnete sie kalt, von ihrer sonst so frohen Stimme keine Spur. Sie stieg aus und ließ die Autotür zu fallen.

"OK, also wie schon gesagt, weiß ich wie komisch das alles rüberkommen mag, aber bitte, bitte glaub mir, ich sage die Wahrheit.", flehte sie, doch ich schaute sie nur ohne jegliche Regung starr an.
"Auf den Punkt gebracht:-", sie atmete kurz durch und sammelte sich, "das hier alles ist eine einzige Fernsehshow. Ihr alle werdet gefilmt, schon seit ihr hier im Camp angekommen seit."
"Was?", ich stockte. "Woher willst du das wissen?"
"Ich war eine der Mitarbeiter", teilte sie mir beschämt zu Boden schauend mit. "Ich hab gestern 'gekündigt'. Ich konnte es nicht mehr mit mir vereinbaren, euch das an zutun."
Mir nahmen ihre Erzählungen den Atem, und sie ließen mich keinen einzigen korrekten Satz bilden.
"Das heißt...man kann niemandem dort vertrauen?", brachte ich unter Schock hervor.
"Nadine, nicht alle sind Angestellte, manche sind genauso wie ihr drei. Nur das Problem ist, sie haben sich auf euch konzentriert und filmen euch momentan vierundzwanzig Stunden am Tag." Unbewusst klappte meine Kinnlade hinunter und ich starrte sie entgeistert an.
"Aber das wichtigste ist, ihr müsst sie aufhalten. Im Büro der Chefin findet ihr den Schlüssel zur Putzkammer. Holt ihn euch und zwar schnell. So um 16:30 Uhr hab ihr die besten Chancen unbemerkt in den Keller zu kommen. Sie haben vor eine halbe Stunde nach der finalen Aufführung alles zu senden. Und damit meine ich wirklich alles. Also beeilt euch.", meinte sie und in mir brodelten die verschiedensten Gefühle auf. Von Ängstlichkeit bis hin zu Wut.
"Da...das heißt-", weiter kam ich nicht, da Nadine mich unterbrach,
"Scheiße, ich muss sofort hier weg." Sie fokussierte einen Punkt hinter mir und öffnete hektisch die Autotür. "Nadine, versteck dich und vor allem glaube mir." Sie schaute mir eindringlich in die Augen. "Es ist alles wahr. Lass' nicht zu, dass sie euer Leben zerstören", bat sie mich, während sie hektisch nach dem richtigen Schlüssel suchte.
"Nadine!", sie zeigte auf das Café hinter mir und deutete, dass ich so schnell wie möglich dort drin verschwinden sollte, was ich nach kurzem Zögern auch tat.

Hinter der Fensterscheibe beobachtete ich noch Alex, wie sie mit dem Auto drehte und davon raste. "Das kann doch nicht wahr sein", grübelte ich leise vor mich hin.
"Ihre Bestellung bitte", holte mich plötzlich jemand aus meinen Gedanken, eine Kellnerin. "Äh, ich...", wollte ich gerade ablehnen, aber entschied mich dann doch dagegen. "Ach, wissen sie was, bringen sie mir bitte einen Kamillentee." Die Bedienung nickte und verschwand kurze Zeit später wieder hinter der mit Gebäck gefüllten Glas-Theke.

Konnte ich ihr glauben? Hatte ich eine andere Wahl? Könnte ich das ganze Leben meiner Freunde auf mich verantworten?
"Bitte sehr", mit dem klirrendem Geräusch der Tasse, die die Bedienung etwas unvorsichtig auf dem Tisch nieder ließ, wurde ich wieder zurück in die Realität geholt, raus aus meinem Gedankenchaos.
Verzweifelt nahm ich die heiße Tasse am Henkel und führte sie zu meinem Mund, woraufhin ich erstmals leise auffluchte, da ich mir, wie schon so oft, die Lippen verbrannt hatte. Das erinnerte mich an den Winter bei Manus Oma.
Manu und ich saßen glucksend auf der alten, verrosteten Holzbank im Garten von seiner Oma. Sie war eine der liebsten Personen, die ich kannte. Gefühlt jeden Tag machte sie Kamillentee und brachte uns immer kleine Tassen hinaus auf die Terrasse.
So gut wie jedes Mal war einer von uns beiden so dumm und verbrannte sich an dem heißen Tee, worauf der andere ihn immer auslachte.
Wie sehr wünschte ich mir diese Zeiten zurück. Keine Sorgen, außer die schwachsinnigen, dass man vielleicht ins Krankenhaus müsste, wenn man sich am Tee verbrannte. Es war alles noch so farbenfroh und sorglos.

R.E.A.L. -Glpalle ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt