Wenn man eines vor einem Auftritt hasste, dann war es die Frage, ob man nervös ist. Zumindest ging es Jungkook so. Er will nicht unhöflich erscheinen. Es ist das gute Recht aller, nach Jungkooks Befinden zufragen. Immerhin repräsentiert er die Candid School. Aber genau das ist der springende Punkt. Und das Stück, dass er spielen wird, ist noch nicht mal sein eigenes und keiner weiß etwas davon. Und dort ist er nun, mit dem Wissen, dass er den Song bald vor der gesamten Schule, inklusive den Lehrern, spielen muss. Plus die Menschen, die ihm das Stipendium zukommen lassen werden.
,,Ich hab' dich gefragt, ob du nervös bist", sagt wieder diese Stimme. Sie gehört zu keinem geringeren als Hoseok. Dieser steht mit verschränkten Armen unmittelbar hinter Jungkook, welcher am Klavier sitzt und gedankenverloren die Tasten anstarrt.
,,Da ist sie wieder, diese Frage", seufzt Jungkook und fährt sich einmal durch sein Haar. Hoseok neigt seinen Kopf leicht und läuft auf die Wand zu, lehnt sich gegen diese, um Jungkook ansehen zu können.
,,Er würde dir nie irgendwas vorwerfen," kommt es dann plötzlich von dem Tänzer und Jungkook schaut auf. Er sieht diesen netten, herzlichen Gesichtsausdruck. Jungkook schaut dann wieder auf die Notenblätter. Er hat die Noten alle selbst eingetragen, während Yoongi das Stück gespielt hat. Und trotzdem konnte Jungkook es ihm nicht angemessen danken.Wie banal das alleine klingt, denkt sich Jungkook immer wieder. Er hält sich dauernd vor Augen, dass Yoongi seine Freizeit opfert, nicht nur für ihn, sondern auch für Hoseok und Jimin. Noch dazu, dass er Jungkook ein Stück vermacht hat, dass aus seiner Feder stammt und ihm noch dazu so viel bedeutet. Denn Jungkook kennt Yoongis Vergangenheit. Er weiß, dass er all das aus Liebe zu seinen Freunden tut.
Yoongi tut in wenigen Tagen so viel für Jungkook. Doch Jungkook konnte in so vielen Jahren nichts für ihn tun.,,Natürlich nicht. Yoongi hat mir sehr geholfen", murmelt Jungkook, leicht ängstlich, dass das Gesprächsthema höchstpersönlich jeden Moment durch die Tür geschlendert kommt. Doch Hoseok nickt und lacht leicht.
,,Du musst es nicht mal aussprechen. Er ist in allem was er tut ein echter Vollidiot sich selbst gegenüber. Aber du kannst dir sicher sein, dass er das gerne macht", fügt Hoseok hinzu und streicht mit seiner Handfläche leicht über das Klavier. Mit dem "Vollidiot" spielt er definitiv auf die Tatsache an, dass Yoongi sich das Stipendium durch die Lappen gehen lässt und sogar noch den Nerv hat, sein Stück jemand anderen zu vermachen.
,,Ich verfolge ein großes Ziel damit.. Er wird mich zwar dafür umbringen", murmelt Jungkook wieder. Schnell und leise. Dieser Respekt. Hoseok schaut ihn mit gehobener Augenbraue an. ,, Ein Ziel sagst du? Was meinst du damit", sagt Hoseok, doch keine Chance. Der Klavierspieler denkt nicht einmal daran, Jung Hoseok in irgendeiner Weise einzuweihen.,,Sagen wir es so, er würde es auf normalem Wege immer abschlagen können", sagt Jungkook noch und schaut wieder auf die Noten.
,,Hör zu, ich weiß mit wem er das Stück verbindet." Hoseoks Stimme ist leise und unerwartet. Sofort schaut Jungkook auf, in seinem Kopf danach suchend, wann er sich verraten haben muss. Und irgendwie entgeht Hoseok das nicht und er lacht kurz auf. ,, Ich hab' euch an dem Tag gehört, als er dir das Stück quasi überlassen hat ," erklärt er dann und schaut geradeaus. Überrascht hat Jungkook die Augen aufgerissen.
,,Er ist wie ein kleines Kind, auf das ich manchmal Acht geben muss. Letztere Ereignisse beweisen es ja wieder.. Ich bin dir sehr dankbar."
Doch Jungkook schüttelt seinen Kopf, mit den Worten:,,Bitte bedank' dich nicht. Das ist doch selbstverständlich." Diesmal schüttelt Hoseok seinen Kopf leicht.
,,Weißt du was seine Mutter damals zu mir gesagt hat? Das ich ihn nicht im Regen stehen lassen soll."
Jungkook schaut wieder rauf zu Hoseok, bei dessen Worten.,,Ich weiß er kann ein Sturkopf sein.. Ich weiß es Hoseok.. Ich weiß, er will dich wegdrängen und tut so, als sei er lieber alleine.."
Der zwölfjährige Hoseok kann nur zusehen, wie die Frau vor ihm nicht mal ihren Satz beenden kann. Sie ist viel zu sehr von den Tränen überwältigt, die jeden Moment aus ihren Augen zufließen drohen.
Was kann ein zwölfjähriger tun, wenn sein bester Freund am Rande seines Lebenswillens steht? Richtig. Garnichts. Wir sind doch alle noch Kinder.
,,Bitte, bring' ihn wieder zum Lächeln..", die von den Tränen überwältigte Mutter, wischt sich die salzigen Tropfen noch immer schluchzend von der Wange. Hoseok steht nur dort und kann mit trockenem Hals zusehen.
Frau Min. Eine stetig glückliche Frau. Am Boden zerstört.
Wenn sonst so glückliche Menschen weinen, dann gibt es nicht mal mehr etwas, was ihre starke Freude aufrecht erhält. Dessen ist sich Hoseok bewusst.
Ihr Glück ist dahin gerafft.
,,Hoseok", kommt es sanft von der Dame die vor Hoseok sitzt. Dieser schaut auf zur Mutter.
,,Was auch immer ans Licht kommen wird, ich wollte nur, dass du dann der bist, der ihm sagt, ich habe es für ihn getan.." Ihre Stimme ist zittrig, gebrochen. Und der Zwölfjährige ahnungslos, was die Mutter Yoongis vor ihm damit meinen könnte.
Noch mehr Gedanken kann er nicht fassen. Denn die Frau legt ihre Hand auf Hoseoks Schulter, welchem selbst unbewusst die Tränen kommen.
Wieder spricht sie mit dieser zittrigen Stimme, doch sie sagt etwas, was Hoseok sein ganzes Leben nie vergessen konnte...,,Wenn der Tag kommt, lass ihn nicht im Regen stehen."
,,Hoseok?"
Verträumt, aus den Gedanken gerissen. So schaut er Jungkook an. Immer noch fragt er sich, welcher Tag kommen soll. Und auch, was ans Licht kommen soll. Er kann sich nicht ausmachen, was so geheim sein könnte.
So geheim, dass nicht mal Yoongi es weiß?,,Hey, kommt ihr essen? Die Anderen warten schon", ertönt die Stimme von Taehyung, der gekommen ist, um Jungkook sowie Hoseok abzuholen. Letzterer hebt seinen Blick und Jungkook dreht sich um, sodass beide Taehyung ansehen können. Jungkook dreht sich wieder zu dem Tänzer, welcher leicht nickt. Somit gehen sie aus dem Musiksaal und auf den Abholer zu, um mit diesem Essen zugehen.
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RAIN | Yoonmin
FanfictionAls Min Yoongi eines Tages wieder in seinem Stammcafé sitzt und an seinen Texten schreibt, kann er nicht glauben, was sich draußen vor dem Fenster, an dem er sitzt, abspielt; ein Junge steht genau davor, doch beobachtet er nicht Yoongi, sondern foto...