Interlude: Mit einem Klavier vor deiner Tür.

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Immer wieder muss Jimin an das Klavier denken. Mittlerweile ist er Zuhause und liegt auf seinem Bett. Seine Hand ist in seiner Decke verkrampft. Natürlich weiß Jimin, dass sein kleiner Ausraster nichts hätte ändern können. Die Unterschrift Yoongis kann ja nicht einfach verschwinden. Doch eines weiß er; Hätte sein Vater die Schnitzerei nie in das Klavier gemacht, so hätte er einfach loslassen können und würde jetzt nicht so sentimental auf seinem Bett liegen. Draußen sieht es stark nach Regen aus, doch Jimin ist überhaupt nicht nach Regen zumute. Dass er sowas mal denken würde, doch wann regnet es in Porch mal nicht. Er kann sich die Ereignisse nicht aus dem Kopf schlagen.

Und jetzt klingelt es auch noch an der Tür. Jimin reibt sich die roten Augen und steht von seinem Bett auf. Er muss aufmachen, da seine Mutter noch nicht da ist. Aber wer kann jetzt noch klingeln? Jimin schaut auf die Uhr und reibt sich wieder die Augen.

18:47...

Bestimmt irgendein Nachbar, der wieder ein Packet annehmen musste, weil zu der Zeit keiner im Hause war. Wehmütig läuft Jimin die Treppe runter. Der graue Himmel von draußen taucht den Flur in ein ebenso wehmütiges, graues Licht. Mit langsamen Schritten geht Jimin auf die Haustür zu. Durch das Glas kann er mal keinen Schatten ausmachen. Ein Klingelstreich? Ja. So selten bekommen die Parks Besuch.

Seufzend legt Jimin die Hand auf die Türklinke und drückt sie runter, bereit, irgendein Packet entgegen zunehmen, oder irgendwelchen Kindern hinterher zuschauen, die immer noch glauben, es sei cool, Klingelstreiche zumachen.

Jimin öffnet die Tür und sofort trifft die kalte Abendluft auf sein Gesicht, welches von getrockneten Tränen übersäht ist. Jimin schaut verwirrt auf den Boden vor seiner Tür. Verwirrt einfach, weil dort nicht mal ein Packet oder so steht.

,,Schau' hoch, Jimin", ertönt plötzlich eine familiäre Stimme und Jimin tut sofort, wie sie es erbittet. Doch was Jimin dort sieht, kann er nicht glauben. Es ist Yoongi, der am Anfang des Weges zu Jimins Tür steht. Er lehnt an einem Klavier. Mit jedem Moment, der Erkenntnis weiten sich jedoch Jimins' Augen ein Bisschen mehr.

Es ist nicht irgendein Klavier. Es ist das Klavier von Yoongi. Das, was Jimin vorhin noch versucht hat, mit aller Kraft vor der Spende zuretten.

,,Da du nichts sagst, fange ich einfach an. Das war total kompliziert, ich musste erst zu Mr. Black, aber der war sich unsicher ob ich meine Unterschrift zurück ziehen kann. Dann hat er mich zum Direktor geschickt und ich hab' ihm erklärt, dass ich es doch wieder haben will. Dass das Klavier jetzt wieder dahin kommt, wo es eigentlich ursprünglich hingehört, weiß keiner. Hoseok hat mir mit dem Transport geholfen, das war ebenso kompliziert", beschwert sich Yoongi und tippt mit der Handfläche auf das Klavier, dass da, als wäre es das normalste der Welt, mitten auf dem Weg draußen steht.

Ohne Worte läuft Jimin auf Yoongi und das Klavier zu und er hat garnicht gemerkt, wie ihm mit jedem Schritt die Tränen mehr und mehr gekommen sind.

,,Jetzt wein' bitte nicht wieder.. Ich will, dass du lachst, das hab' ich doch schon mal gesagt", beschwert sich Yoongi wieder und wischt mit seinem Daumen die dicken Tränen Jimins weg.

,,Sei nicht so ein Idiot wie dein Vater und gib' das weg, was dir so sehr am Herzen liegt.. Ich weiß, er hat es für euch getan", sagt der Ältere wieder und fährt durch Jimins' verwuscheltes Haar. Dieser ist wieder nur ein schluchzender Haufen.

,,Lass es uns rein bringen", sagt Yoongi noch und macht das Instrument zum Rollen bereit. Dann schiebt er es an Jimin vorbei, der immer noch perplex dort steht. Vereinzelt spürt er jedoch, wie Tropfen auf seine Haare und seine Tränen getrockneten Wangen fallen.

,,Komm' rein, bevor es anfängt zuregnen", hört er noch Yoongi sagen und Jimin folgt Yoongi sofort, der bereits halb im Haus drinne ist. Langsam schiebt er es durch die Wohnung.

,,Um meine Überraschung perfekt zu machen, muss ich wissen, wo es damals gestanden hat."

Jimin schaut sich um, noch immer neben sich stehend. Doch er führt Yoongi ins Wohnzimmer. Und da ist sie. Ein leeres Stück einer Wand und genau bei diesem Stück steht eine Blume.

,,Wir.. müssen die Blume aber auch dort stehen lassen", legt Jimin fest und Yoongi neigt seinen Kopf leicht. Dann erklärt Jimin:,,Das ist meine Blume, für meinen Vater."

Wie kann man nur so liebevoll sein..

,,Ich habe eine Idee, Jimin. Wir stellen die Blume einfach auf das Klavier..", wirft Yoongi ein und Jimin nickt. Gesagt, getan. Jimin stellt die Vase kurz beiseite, Yoongi schiebt dann mit Jimins Hilfe das Klavier an den Platz, wo noch eben die Blume stand. Dann stellt Yoongi die Rollen wieder nach innen und nimmt für Jimin die Vase. Dieser schaut nur zu, wie Yoongi die Vase mittig auf das Klavier platziert.

,,So, jetzt ist dein Vater doch irgendwie wieder mit seinem Klavier zusammen", stellt Yoongi fest, doch weiter kommt er nicht, denn Jimin umarmt ihn plötzlich ganz fest von hinten.

Yoongi merkt, wie er wieder schluchzt und sein Gesicht in dessen Rücken presst. Ohne etwas zusagen löst Yoongi nach einigen Sekunden Jimins Arme von seinem Körper und führt ihn, während er dessen Hand hält zu dem Klavier.

,,Der...der Hocker hat leider nicht mehr gepasst", murmelt Yoongi und holt zwei Stühle. Jimin steht immer noch dort und schaut Yoongi nur zu. Er kann einfach nicht glauben, was gerade in den letzten fünf Minuten alles passiert ist.

Yoongi bringt Jimin dazu, sich zusetzen und tut es ihm gleich.

,,Jetzt hab' ich Idiot keine Noten dabei, aber du wolltest doch damals Klavier lernen", murmelt Yoongi und beginnt Jimins Hände auf die Tasten zulegen. Dieser schluchzt immer noch und schaut zu, wie seine Hände sanft über Yoongis liegen. Und Yoongi lächelt leicht verträumt, weil Jimins' Hände im Vergleich zu seinen so winzig aussehen.

,,Dein Vater hat dich damals nur geärgert", versichert er und beginnt mit der einen Hand eine Melodie zu spielen.

Dann setzt er mit der anderen Hand ein und es gibt, gemischt mit dem Regen der draußen fällt, eine wunderschöne Melodie, die Jimin noch nie gehört hat. Aber das muss er auch nicht.

,,Guck' Jimin, deine Hände sind gar nicht zu klein.. Und es sieht so aus, als würdest du spielen", flüstert Yoongi in dessen Ohr und dieser schluchzt wieder mit einem Nicken. Yoongi hat Recht. Es sieht wirklich aus, als würde Jimin das Klavier spielen, wenn man von den großen Händen Yoongis' unter den seinen weg sieht.

Alles was zuhören ist, ist der Regen, Jimins Schluchzer und das Klavierspiel der Beiden.

,,Und dein Vater guckt uns zu, okay", flüstert Yoongi, wieder in Jimins' Ohr, als er auf die Blume vor den Beiden anspielt und der dieser nickt.

,,Ich glaub', das ist das Mindeste, was ich tun kann, um die Tatsache wieder gut zumachen, dass ich das Klavier deines Vaters wegen meiner selbstsüchtigen Taten in einem Schulkeller hab' rum stehen lassen.. Es tut mir so Leid, Jimin", flüstert Yoongi weiter und Jimin schüttelt seinen Kopf.

,,Nichts davon ist deine Schuld, nicht mal..", beginnt Jimin, doch bricht ab. Yoongi beschließt, nicht weiter nachzuhaken. Jimin hat für heute genug gelitten. Langsam beenden die Beiden das Stück und bleiben noch für einige Momente so sitzen.

,,Ich werde dir das Klavier beibringen, dann kannst du immer vor deinem Vater spielen."


RAIN | YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt