Interlude | Meine letzten Worte waren...

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Da steht er. Total in seiner Welt, als er aus dem Fenster schaut. Die hellrosa Blüten der traditionellen Porchbäume, jene nur im Herbst von ihren Blüten ablassen, fliegen durch die Luft und einige verirren sich sogar ins Klassenzimmer, in Jimins Haar. Die Sonne, die den Herbsttag in eine interessante Atmosphäre taucht viel interessanter, als die Tatsache, dass dieser lieber lernen sollte. Und da steht Yoongi im Türrahmen der leeren Klasse, Fenster geöffnet. Wahrscheinlich hat Jimin sie aufgemacht. An der Fensterbank steht er und hat seine kleinen Hände auf diesem abgelegt. Und Yoongi hat das Gefühl, keine Zeit zuhaben um nach den richtigen Worten zu suchen.

Er hätte dem Jungen da am Fenster mehr zusagen, als die Frage ob er den Rest dessen Menüs haben könne, hatte Hoseok gesagt. Und wieso fühlt sich dann Yoongis Kopf so leer an. Keine Worte kann er finden für die Gefühle die er Park Jimin entgegen bringt. Er hat das Gefühl, dass niemals irgendeine Aneinanderreihung von Wörtern genug sein wird, um das zu entschuldigen, was er seit Jahren in seinem Herzen trägt.

Und deswegen steht Min Yoongi dort und findet keinen passenden Anfang. Aber er kennt ja nicht mal das Ende.

,,In meinem Zimmer, in dem Bücherregal ganz hinten in der Ecke ist ein Notenbuch mit dem Zeitungsartikel, in dem sie über den Tod meines Vaters berichtet haben", beginnt Yoongi zureden und Jimin schreckt leicht hoch, dreht sich um und schaut den Älteren im Türrahmen an. Es fühlt sich an, als würden die Blütenblätter plötzlich viel langsamer in den Klassenraum fliegen. Und da stehen sie nun beide und schauen sich an. Alles was zuhören ist, ist der Wind und das rascheln der Bäume draußen.

Tief atmet Yoongi ein, nicht sicher ob das überhaupt annähernd die richtige Art war anzufangen.

,,Aber so ist das längst nicht mehr. Immer habe ich diesen Artikel angesehen mit dem Wissen, dass einer dieser Fahrer mein Vater war. Aber tiefer zu ergründen, dass ich nicht der einzige bin ist mir nicht in den Sinn gekommen und Park Jimin?"
Mit diesen Worten macht Yoongi immer mehr Schritte auf Jimin zu, bis er letztendlich vor diesem steht. Dann legt er seine Hand auf dessen Wange, bemerkt aber eines der hell-rosa Blütenblätter in den Haaren des Jüngeren und entfernt dieses, als er wieder spricht:,,Es tut mir Leid."

Und danach wieder Stille. Yoongis Stimme war fast ein Flüstern, aber Jimin konnte den Älteren vor ihm perfekt hören. Und dieser kann nur ungläubig den Kopf schütteln, während er eines der Blütenblätter ebenso aus Yoongis Haaren nimmt.
,,Nichts muss dir leid tun. Du...du sprichst so, als gäbe es deinen Schmerz nicht", spricht Jimin sanft und lässt das Blütenblatt zu Boden rieseln.
,,Jimin ich habe die ganzen Jahre so getan als gäbe es nur meinen Schmerz. Hab' mich abgeschottet, meinen besten Freund verstoßen und mich von meiner Mutter abgewendet, obwohl sie mich am meisten gebraucht hätte. Also ja, ich werde mir die Schuld daran geben."
Jimin kann nur in die dunklen Augen des Größeren vor ihm starren. Er dreht sich um und starrt wieder aus dem Fenster, Yoongi hinter ihm.

,,Ich könnte mich genauso dafür fertigmachen, dass meine letzten Worte ein Gequengel daraus waren, dass ich ihn hasse", murmelt Jimin plötzlich und Yoongi kann nur die rosa Blütenblätter anstarren, wie sie sich in Jimins Haaren verfangen. Doch bevor der Ältere weitersprechen kann, tut Jimin das bereits und dreht sich um, seine Augen rot:,,Hätte es nicht irgendwas sein können, bei dem ich sicher sein könnte, dass...dass er nicht in diesem Glauben gestorben ist, ich hasse ihn?"

Seine Augen, rot. Sein Atem wird schwerer und Yoongis Augen, umso größer.

,,Zu wissen, dass du dir die Schuld gibst, lässt mich an meiner Unschuld zweifeln u-und...bitte...Yoongi", Jimin bricht ab und sein herzzerreißendes Schluchzen füllt den Raum, bis er unter dem Einfluss dieser dicken Tränen weiter spricht:,,..Bitte lass m-mich nicht an m-meiner Unschuld zweifeln, bitte."

Und da verliert er es wieder und erliegt dem Schmerz, der sich all die Jahre immer mehr auftürmte. Früher hätte Yoongi lange nachgedacht, aber die nächsten Taten scheinen im plötzlich so glasklar, als er Jimin in den Arm nimmt um sein Schluchzen mit seiner Brust zudämmen. In seinen Armen ist Jimin ein schluchzender, warmer Körper.

Einige Momente herrscht Stille, der Jüngere immer noch an seine Brust gedrückt.
,,Willst du wissen, was meine letzten Worte waren?"

Yoongi vernimmt ein sachtes Nicken und einige Augenblicke vergehen, bevor Yoongi wieder spricht:,,Ich merke gerade, ich erinnere mich gar nicht mehr daran. Ich habe ihn jedenfalls total zur Sau gemacht, wegen dieses Notenbuchs ohne dieses zuhaben ich zu Scheitern glaubte. Aber Jimin schau mich an", spricht Yoongi sanft, drückt Jimin etwas weg und hält seine Wange.

,,Manchmal sagen wir so bescheuerte Sachen, einfach, weil es uns auf Grund der derzeitigen Situation so in den Kram passt. Das sind temporäre Worte, kleine Launen über die wir leider viel zu selten Kontrolle haben. So wie alles temporär ist. Aber weißt du was nicht temporär ist? Das Gefühl das ich verspürt habe, als ich die Schnitzerei in dem Klavier sah. Das Gefühl das ich verspürt habe, als du mir von dem Moment erzählt hast, als er eure Namen dort eingeritzt hat. Und genauso wie dieses Gefühl, bleiben dir all diese Erinnerungen. Und Jimin? Ist das nicht viel mehr wert, als etwas, dass du aus Laune heraus sagtest. Viel mehr wert, als etwas, von dem dein Vater sowieso wusste, du kannst das niemals ernst meinen."

Während Yoongi so spricht, kullern immer weiter die dicken Tränen über die Wange des Tänzers und Yoongi wischt sie alle weg. Egal wie viele noch kommen.

,,Aber die vielen Male in denen du mit ihm gelacht hast und diese Liebe empfunden hast, kann dir keiner nehmen."

Jimin nickt und drückt sein Gesicht schluchzend wieder an Yoongis Brust.

,,Jimin..", spricht Yoongi wieder leise und dieser nickt.

,,Ich glaube, ich kann mir jetzt vergeben."

RAIN | YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt