RAIN | Yoonmin

29 | Der 9. Oktober 2010.

{Lasst euch den obigen Track während dieses Kapitels nicht entgehen💕 }

⛈️

Zu sagen, dass Jungkook in der Nacht überhaupt annähernd schlafen kann, wäre eine Lüge. Viel mehr konnte er nicht anders und hat die ganze bisherige Nacht an seinem Klavier Zuhause gesessen und gelernt. Wenn die Anderen das wüssten, oder alleine Yoongi.. Bei dem Gedanken schaudert es dem jungen, baldigen Stipendiums-Träger.

Stipendium..

Sein Plan. Wenn dieser nicht auf geht. Wenn Yoongi sich immer noch weigert.. Bei dem Gedanken an das Stipendium muss Jungkook wieder lächeln. Er atmet tief ein und schaut aus seinem Fenster. Es ist wie erwartet noch immer Nacht. Er hatte die Hoffnung, dass diese endlich ein Ende finden würde. Aber Jungkook muss zugeben, dass das mit Abstand die längste Nacht seines Lebens ist.
Es erinnert ihn daran, wie er damals dauernd wach gelegen hat, weil ein gewisser Junge nicht mehr zur Schule gekommen ist. Seit diesem Abend..

Es ist der 9. Oktober, 2010. Der 12-Jährige Jeon Jungkook kann sich wieder einmal nur umsehen. Erstaunt, wie viele Menschen da draußen sitzen. Das Publikum. Und hinter dem Vorhang, er mit einigen anderen. Aber nicht nur irgendwelchen. Jungen und Mädchen seines Alters und auch noch jüngere die alle an dem diesjährigen Porch-Music-Academy Wettbewerb teilnehmen. Darunter auch dieser Junge. Dieser ist mit Jungkook zusammen der einzige Klavierspieler in diesem Wettbewerb. Und noch dazu hat genau dieser Junge dort, der seit einigen Jahren so selten redet, gerade voll den Aufstand geschoben, weil er sein Notenbuch vergessen hat. Fast alle haben es mitbekommen. Er hat komische Blicke bekommen. Aber Jungkook selbst konnte es irgendwie verstehen. Hätte er sein Notenbuch vergessen, wäre er auch ziemlich unsicher an die Sache ran gegangen. Natürlich, oft hat man sich die Noten schon eingeprägt. Aber diese Noten, die man sich selbst noch einmal eingetragen hat, auf einem Papier in deinem eigenen Notenbuch.. Die konnten dir echt die Unsicherheit nehmen.
Jungkook weiß das. Weiß wie die Unsicherheit einem die Fähigkeit nehmen kann, klar zudenken. Zudenken, dass du nichts auf die Reihe kriegst und alles was du tust ist zum Scheitern verurteilt. Also nein. Er hat diesen Jungen mit dem schwarzen Haar nicht so gemustert wie einige der Anderen. Den er weiß, wie sich Unsicherheit anfühlen kann und wie sie sich in dich hineinfressen kann.

Alles was der Junge getan hat, war seinen Vater zu bitten, sein Notenbuch schnell von Zuhause zuholen. Dieser ebenso 12-Jährige Junge war in diesem Moment der festen Überzeugung, dass er ohne dieses Notenbuch zum Scheitern verurteilt ist. Und er ist es immer noch. Nervös tippt er mit seinem Finger auf dem Tisch rum. Seine Mutter sitzt wieder im Publikum, nachdem sie sich vergewissert hat, dass es ihrem Sohn gut geht. Sein Vater ist vor einer halben Stunde ebenso hier gewesen, doch ist losgefahren, um das Notenbuch seines Sohnes zuholen.

Als Jungkook wieder an diesen Abend denkt, muss er lächeln. Ihm ist Yoongi schon länger aufgefallen und immer wollte er irgendwie mit ihm befreundet sein. Und dann waren die beiden auch noch in dem selben Wettbewerb und traten gegeneinander an.
Und an diesem Abend hat Jungkook sogar gewonnen. Doch Jungkook muss sich daran erinnern, warum er eigentlich gewonnen hat und es lässt seinen Magen sich einmal drehen.
,,Wenn du damals vorgespielt hättest, hätten die Juroren dich mir ohne mit der Wimper zuzucken vorgezogen.. Du bist nun mal Min Yoongi", murmelt Jungkook zu sich selbst, als er immer noch aus dem Fenster schaut. Heute sind ungewohnt viele Sterne am Himmel. Sonst sieht man sie nicht so gut.

Seufzend schaut Jungkook wieder an die Decke, als ihm der Grund einfällt, warum er in erster Linie gewonnen hat.

,,Yoongi komm' bitte sofort mit", hört Jungkook nur die Stimme Yoongis Mutter. Sie scheint aufgelöst. Jungkook schaut sich wieder um und Yoongi läuft hinter seiner Mutter her.

,,Der 9. Oktober 2010", murmelt Jungkook wieder vor sich hin und seine Hand verkrampft sich in seinem Ärmel.
Eine Träne rollt ihm über die Wange, als er immer noch aus dem Fenster starrt. Jedes mal, wenn er daran denken muss, wie Yoongi geguckt hat, als seine Mutter ihm die Nachricht überbrachte. Jedes mal, wenn er die Stimme Yoongis Mutter wieder in seinem Kopf hört, wie sie ihm sagt..

Ruckartig setzt Jungkook sich auf und fährt sich mit der Hand durch seine bereits verwuschelten Haare. Irgendwie fühlt er sich bescheuert. Ein Junge, mit dem er damals nie gesprochen hat. Mit dem er einfach nur gerne befreundet gewesen wäre. Aber er wusste, dass dieser Junge nicht mehr derselbe sein würde. Besonders, als dieser aufhörte zur Schule zugehen. Der Abend, hatte für ihn einfach alles verändert.

Damals an dem Abend des Wettbewerbs fühlte es sich alles so komisch an. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte, also bin ich den beiden, Yoongi und seiner Mutter, nach einigen Sekunden gefolgt..

Und alles was Jungkook an diesem Abend hörte, war nicht mehr das Klatschen, als er zum Gewinner des Wettbewerbs ernannt wurde..

Es waren nicht die vielen Menschen und Wettbewerbs Mitstreiter, die ihm zum Sieg gratulierten..

Es waren nicht die Bitten, dass er sein Stück doch nochmal vortragen sollte.. Nein.

Es war die Stimme von Yoongis Mutter, die er hörte, als diese ihrem Sohn, fernab von dem Geschehen des Wettbewerbs sagte, dass dessen Vater auf der Stelle tot gewesen ist.