Er wird ihn wieder sehen. Ihm wieder gegenüber stehen. Nach all den Jahren.
Als Yoongi an diesem Nachmittag über die Straßen des Cavern Districts läuft, ein Schirm über seinem gesenkten Kopf, sind seine Gedanken voll. Die Schritte sind schwer doch die Antizipation durchfließt seinen Körper, wie sein eigenes Blut. Und das, obwohl er all die Jahre genau diese Tat, jener er jetzt nun nachgeht, gemieden hat. Viel zu schwer war die Erkenntnis auf seinen Namen zublicken.
So konnte er sich immer die Lüge vorhalten, dass das alles nicht wahr ist und er bald wieder durch die Tür kommt, mit einem dummen Spruch. Yoongi ein Lächeln auf die ewig neutralen Lippen hauchend. Wenn eines nicht zu Yoongis Aura zählt, sind das wild umher geworfene Emotionen.
Aber jetzt? Nichts.
Selbst, als er diesen Weg wieder läuft. Die selben Häuser, die selben Schilder, Bäume. Das Alles war ihm mal allzu bekannt. Jeden Tag war er bei ihm gewesen seit er einschlief. Doch irgendwann konnte Yoongi nicht mehr und alles wurde zu viel. Es erschien ihm einfacher, seine Gefühle weit weg zusperren und dem Epizentrum seiner Trauer den Gar aus zumachen.
Und somit hörten auch die täglichen Besuche auf der Station der ewig Schlafenden auf. Von Yoongi keine Spur und er war in die Jahre gekommen.
Es war damals noch eine Routine gewesen, auf seines Vaters Gras zu sitzen, sich die Male, in denen Yoongi es vergessen hatte, dafür zu entschuldigen, dass er keine Blumen mitgebracht hatte. Aber Yoongi war sich in diesen Malen stetig sicher, dass sein Vater ihm im Austausch für die Neuigkeiten, die er ihm wieder zuberichten hatte, verzeihen könnte.
Doch all das hielt nicht für ewig und so war die ewige Schweigsamkeit seines Vaters, was auch immer er ihm zuberichten hatte, der Grund für das Loch in Yoongis Brust. Und mit jedem Mal, in dem ihm klar wurde, sein Vater würde keinen frechen Spruch beisteuern, schien sich eben dieses Loch mehr und mehr zu weiten.
Es verzerrte ihn.
War nicht gut für ihn.
Also beschloss er, die Besuche auf der Station einzustellen. Hier war das Gras sowieso oft nass und Yoongi hasste es, genauso wie heute noch, wenn die Klamotten so eklig klebten.
Viel zu viel hat er nachgedacht. Hier steht er. Vor dem Tor. Der Vorteil ist; hier gibt es keine Empfangsdame, keine Rezeption. Du gehst durch und findest die Person selbst. Ohne Verpflichtungen. Und die Besucherzeit ist nie zu Ende.
Auch braucht er niemanden, der ihm den Weg weist. Yoongi weiß ganz genau wo er ist.
Langsame Schritte. Eine Hand, die sich mit jedem dieser immer mehr um den Griff des Regenschirms krampft. Es könnte jeder Name sein. Aber nein. Nach all den Jahren hat sich der Name auf dem Stein nicht geändert.
Min Donghae.
Yoongi bewahrt Abstand. Einzelne Regentropfen die sich mit dem Bild dieses weißen, glatten Grabsteins einige Meter vor ihm vereinen. Steht da einfach nur und betrachtet jedes Detail. Eine Blume liegt dort auf ihm. Ist seine Mutter hier gewesen?
,,Aber doch keine Tulpen. Die sehen komisch aus.."
Ungewollt ertönt seines Vaters Stimme in Yoongis Kopf und er lacht zischend aus, schaut schnell zur Seite.
,,Ich hab' ganz vergessen was für ein Hohlkopf du bist", murmelt Yoongi vor sich hin und richtet seinen Blick wieder auf Min Donghae. Und wieder ungewollt, hört er das herzhafte Lachen seines Vaters.
,,Daran hab' ich schon so lange nicht mehr gedacht und jetzt kommst du mit so einem Scheiß", seufzt Yoongi und steht nun vor seinem Vater. Keine Distanz mehr.
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RAIN | Yoonmin
FanfictionAls Min Yoongi eines Tages wieder in seinem Stammcafé sitzt und an seinen Texten schreibt, kann er nicht glauben, was sich draußen vor dem Fenster, an dem er sitzt, abspielt; ein Junge steht genau davor, doch beobachtet er nicht Yoongi, sondern foto...