Kapitel 4

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Nervös trommelte Annabell auf dem Couchtisch herum. Sie saß auf dem Fußboden vor ihrem Sofa und lehnte davor und wartete darauf, dass Lexy endlich online kam. Sie brauchte jemanden zum Reden. Jetzt sofort. Und das konnte sie so offen eigentlich nur mit ihrer besten Freundin, von der sie hoffte, dass diese vor ihrer Schicht in der Bar noch mal online kommen würde.
Alexandra aber hatte den Vormittag gelernt und sich vor ihrer Schicht in der Bar noch für einen Moment hingelegt. Da sie aber von einem verwirrenden Traum aufwachte, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte, beschloss sie nochmal online zu gehen und ein bisschen bei Facebook zu surfen. Seit sei hier war, öffnete Skype sich automatisch weil sie es sonst einfach vergessen würde. Sie checkte ihre Emails und war gerade dabei auf eine zu antworten als Anna sich bei Skype meldete.
Dass diese vollkommen durch den Wind war, war ihr deutlich anzusehen. Insbesondere weil ihre Haare so gar nicht lagen, was es bei der jungen Frau sonst fast nicht gab. Wenn etwas immer perfekt gestylt war, dann die langen, dunkelroten Haare. Auch Annas Augen strahlten nicht, wie sonst, sondern wirkten fast trübe, als sie in die Kamera winkte und nur ein leises:
„Hey, Süße, wie geht’s dir?“ raus brachte.
„Anna Schatz, was ist los?" Eine leichte Panik machte sich in Lexy breit und sie beugte sich besorgt näher an den Bildschirm ran.
Das war wieder einer dieser Momente in denen sie diese Entfernung verfluchte. Noch vor einiger Zeit wohnten die beiden nur ein paar Minuten auseinander und in einer solchen Situation wäre Alexandra schon fast aus der Tür um sich um ihre Freundin zu kümmern. So musste sie aber warten bis Anna ihr erzählte was los war und hoffen, dass ihr der Trost ohne eine Umarmung ausreichte. Wortlos nahm Anna die Zeitung hoch, die sie neben sich liegen hatte und hielt Alexandra einen Ausschnitt in die Kamera, auf dem dick und fett eine Heiratsanzeige prangte.
‚Alena Schuster und Steffen Weyers in ewiger Liebe vereint‘ stand darauf mit Datum des vergangenen Tages und sogar ein schwarz-weiß Foto war neben dem Text abgedruckt. Als Anna die Zeitung wieder weg legte, senkte sie den Kopf. Sie wollte nicht, dass Lexy jetzt sah, dass sie Tränen in den Augen hatte, obwohl sie genau wusste, dass ihrer besten Freundin dies beim besten Willen nicht verborgen geblieben war.
Geschockt schaute Lexy auf die Anzeige und überlegte ob der Name ihr irgendwas sagte.
„Alena Schuster? Alena Schuster? MOMENT war das nicht die Tochter von diesem Reifentycoon? Ach was, er hat echt eine Dumme gefunden die er ausnehmen kann? Mensch Anna sei froh, dass du diesen Mistkerl los bist! Er hat kein halbes Jahr gebraucht um eine Neue zu finden und sie dazu zu bringen ihn zu heiraten. Am liebsten würde ich ihn in den Hintern treten. Ich bin gespannt wie lange das hält. Ich weiß, dass dich das jetzt echt mitnimmt aber er hat deine Trauer nicht verdient."
Mitfühlend blickte Lexy in das traurige Gesicht ihrer Freundin und war insgeheim froh, sie damals überredet zu haben ihn zu verlassen. Er war ein Taugenichts, Faulpelz und nur geldgeil. Das hatte keine Frau verdient.
„Ach man, Lexy, ich hab ihn wirklich geliebt, verstehst du? Wir waren immerhin mehr als drei Jahre zusammen und dass er ein Taugenichts war, stimmt so auch nicht!“
Anna verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und ließ nun ihre Tränen laufen.
„Und ausgerechnet Alena! Ausgerechnet!“ schluchzte sie leise und machte sich unbewusst noch kleiner, indem sie ihre Oberschenkel ganz eng an den Oberkörper zog und ihre Stirn auf die Knie legte.
Lexy konnte dieses Verhalten ihrer Freundin nicht verstehen. Steffen hatte sie nur ausgenutzt und sich auf ihrem Geld ausgeruht. Anna war das typische Kind reicher Eltern, mit der Ausnahme, dass sie selbst für ihr Leben aufkam, arbeitete und nun studierte. Sie legte einen enormen Ehrgeiz an den Tag und ihr Ex hatte sie nur ausgebremst und wollte in Saus und Braus leben.
„Anna jetzt überleg mal und sei doch bitte ehrlich zu dir selbst. Was hat er denn in den drei Jahren groß geleistet? Er hat mit dir angegeben, hat sich von dir alles bezahlen lassen und keinen Finger krumm gemacht. Er hat dich belogen, ausgenutzt und hinter deinen Rücken mit anderen Frauen geflirtet. Auch wenn er dich nicht betrogen hat, hat er dich nie so geliebt wie du es verdient hattest! Du hast etwas Besseres verdient weil du großartig und toll bist!" Ihre Stimme hatte einen eindringlichen Tonfall angenommen um ihrer Freundin klar zu machen, was der Kerl für eine miese Type war.
„Etwas Besseres?“ murmelte Anna jedoch nur zurück und schüttelte den Kopf. „Was sind das denn für Kerle, denen ich begegne? Durchgeknallte Irre, wie Jonas... Seien wir doch mal ehrlich, Steffen war der Einzige, der sich überhaupt für mich interessiert hat in all den Jahren...“ Sie seufzte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Aber scheinbar hab ich es ja auch nicht anders verdient, wenn selbst meine Eltern sich nicht mehr für mich interessieren und wieder mal an Weihnachten, wie schon an meinem Geburtstag, auf Kreuzfahrt sind...“
„Ja etwas Besseres! Definitiv! Glaubst du mir geht es besser? Ich hänge in einem fremden Land ohne Freunde und schlage mich mit FINNISCH rum. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich lieber auf den Richtigen warte, auch wenn es etwas länger dauert. Was bringt uns denn der Falsche, nur weil er gerade da ist und Zeit hat?" Lexy seufzte und auch sie fühlte sich plötzlich traurig.
Ihre Beziehung war schon vor mehr als 2 Jahren zerbrochen und sie wusste gar nicht mehr wie es war jemanden zu küssen oder zu lieben. Sie vermisste das Gefühl, aber was sollte sie machen? Hier in Finnland sollte sie sich was das anging eh zurück halten.
„Du hast leicht reden...“ Anna ließ noch immer den Kopf hängen und zuckte zusammen, als ihr Handy plötzlich los schrillte und den Whatsapp Ton auf voller Lautstärke abspielte.
Es dauerte einen kurzen Augenblick, bevor sie weiter sprach: „Ich hab im Moment einfach das Gefühl, dass alles kaputt geht... Erst meine Beziehung, dann sind meine Eltern ständig nur noch weg und du bist doch mittlerweile in Helsinki so zu Hause, dass ich nicht glaube, dass du jemals wieder zurück kommst...“
"Habe ich etwas verpasst? Wo ist das hier bitte mein zu Hause? Ich kenne hier kaum Leute, gehe studieren und Abends arbeiten. Die Gespräche mit dir sind im Moment mein größtes Highlight und ich zähle schon die Tage bis du hier bist. Du bist meine kleine Familie und wir werden es uns hier zu Weihnachten und Silvester gut gehen lassen. Du weißt doch wie deine Eltern sind, das wirst du nicht mehr ändern können. Ich werde immer für dich da sein und du wirst sehen, bald wird es wieder besser!"
Die Gedanken der jungen Frau wanderten kurz zu ihren eigenen Leben und sie fühlte sich plötzlich ganz einsam. Da es ihrer Freundin jetzt aber viel schlechter ging, versuchte sie ihre Traurigkeit zu verstecken.
"Na wer will was von dir?" fragte sie gespielt fröhlich und zeigte zu Annas Handy.
„Papa.“ murrte diese zurück und schob das Mobiltelefon wieder weg. „Seit er Whatsapp hat, probiert er ständig irgendwelche Smileys aus und verschickt sie in der Weltgeschichte.“ Anna rollte mit den Augen und seufzte erneut. „Warum kann nicht einfach schon der 20.12. sein und ich bei dir in Helsinki landen? Ich hätte echt nicht übel Lust jetzt gerade die ganze Scheiße hier liegen zu lassen und mir den nächsten Flug zu buchen!“
„Sei froh, dass es nur Smileys sind. Meine Mutter schickt mir ständig Kettenbriefe und meckert wenn ich sie ignoriere. Ich würde mich freuen dich eher zu sehen, aber dann verpasst du ne Menge Vorlesungen. Ansonsten musst dich für ein Wochenende in den Flieger schmeißen. Ich muss fast jedes Wochenende mindestens einen Tag arbeiten, daher kann ich das leider nicht machen." Sie konnte sehen wie es hinter der Stirn ihrer Freundin arbeitete und wie sie versuchte sich einen Plan zurechtzulegen.
„Die Vorlesungen wären das geringste Problem. Da kann ich auch nacharbeiten. Aber einfach mal eben so ein paar Tage rüber fliegen? Ich würde fast nichts lieber tun, als aus dem Scheiß hier einfach raus zu kommen...“ Annas grün-graue Augen funkelten kurz auf und es hatte fast den Anschein, als wäre sie schon dabei in Gedanken ihren Kalender durch zu gehen, wo es am besten passte.
Lexy legte den Kopf schief und beobachtete das Wechselspiel der Gefühle und Gedanken auf Annas Gesicht. Auch wenn sie im Moment ziemlich viel zu tun hatte und ständig im Stress war wegen der Doppelbelastung würde sie sich die Zeit für ihre Freundin nehmen, falls sie wirklich zu ihr kommen würde.
„Ist deine Entscheidung Liebes. Ich werde dich mit offenen Armen empfangen und für dich sogar aufräumen."
Anna lachte auf. Sie konnte sich in etwa vorstellen, wie chaotisch Lexys Wohnung aussah, wenn sie im Stress war.
„Es bliebe eigentlich nur dritter und vierter November. Ansonsten bin ich überall schon eingespannt. Aber da könnte ich sogar schon am zweiten früh los fliegen und am fünften Abend zurück...“ dachte die Jüngere laut nach und griff nach ihrem Terminkalender, um darin zu blättern. „Hm, ansonsten passt es wirklich nicht. Da ist immer irgendein doofer Termin dazwischen.“ Endlich schlich sich auf Annabells Lippen wieder ein Lächeln, während sie das Bild ihrer besten Freundin auf dem Bildschirm genau betrachtete, um ihre Reaktion zu sehen.
„Ich brauche gar nicht in den Kalender zu gucken. Du brauchst das gerade und ich will dich sehen. Alles andere mache ich schon irgendwie möglich. Am zweiten muss ich abends arbeiten, aber ich versuche das zu tauschen. Wenn nicht, macht es dir etwas aus mit mir in die Bar zu kommen?"
Es machte sich bereits jetzt schon eine leichte Vorfreude in Lexy breit und sie klatschte freudig in die Hände.
„Ach wo, ich halte das schon aus in deiner Bar... Also... machen wir das? Dann buch ich gleich den Flug und... wir würden uns schon kommenden Freitag sehen?“ Annas Augen leuchteten vor Freude auf und sie konnte sich nichts vorstellen, was sie jetzt lieber täte, als einfach nur weg aus Deutschland und zu ihrer besten Freundin zu fliegen, um endlich wieder etwas Zeit mit ihr zu verbringen.
„Okay abgemacht. Yeeeeeh das macht mich gerade richtig happy." Ein Blick auf die Uhr verriet Alexandra, dass es Zeit war sich für die Bar fertig zu machen. Die beiden verabschiedeten sich voneinander, Lexy klappte den Lappi zu und ging unter die Dusche. In einer Stunde fing ihre Schicht an und sie hasste es zu spät zu kommen.   

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