Kapitel 12

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Rikus Stimme verursachte Lexy eine Gänsehaut und jetzt wo er ihr so nah war konnte sie sein Parfüm riechen. Vergeblich versuchte sie gegen die Gefühle anzukämpfen die seine Nähe bei ihr auslösten.
„Moment, moment... Interviews? Jetsetleben?" Ihr fiel plötzlich wieder ein, dass Riku etwas von einer Band gesagt hatte. Sie drehte sich komplett zu ihm um und runzelte die Stirn. „Seid ihr beiden zusammen in einer Band?"
„Wir alle!“ Riku grinste amüsiert.
Offensichtlich hatte die Dame seiner Begierde wirklich keine Ahnung, wer er war, oder was er machte und wenn er ehrlich war, beruhigte ihn das irgendwie. Vielleicht war er damit endlich einmal wieder einer Frau begegnet, die ihm vollkommen unvoreingenommen gegenüber war und die er nicht nur begeisterte, weil er Riku Rajamaa, Gitarrist von Sunrise Avenue und ganz nebenbei ein eigenständiger Mensch war, sondern die ihn so kennen lernte, wie er wirklich war. Sofern er sie überhaupt begeisterte. Aber das, so hoffte er zumindest, würde er doch bestimmt irgendwie hin bekommen. Die junge Frau war nun wirklich ein wenig verwirrt und kaute kurz auf ihrer Unterlippe. „Muss man euch kennen?" fragte sie vorsichtig und trommelte leicht nervös mit den Fingern auf dem Tisch.
Sein Lächeln und sein Grinsen ließen lauter Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen und das hatte sie nicht erwartet.
„Ist diese Milla Samus Freundin?" fragte sie dann noch und zog eine Augenbraue hoch.
„Nein, man muss uns nicht kennen. Aber... je nachdem, wo du her kommst, kennst du bestimmt das ein oder andere Lied...“ Er deutete auf Samu. „Und sein Gesicht sieht man eben ab und an im Fernsehen oder in irgendwelchen Zeitungen und auf Instagram, wenn er mal wieder mit Bildern spammt.“
Die Frage nach Milla überging Riku einfach. Er wollte nicht über diese Frau reden und vermutlich hätte er auch nichts Nettes über sie gesagt, wenn er auf ihre Frage eingegangen wäre. Sie drehte den Kopf zu Samu, konnte ihn aber nirgends wirklich einordnen.
„Also werden eure Lieder im Radio gespielt? Wie du sicherlich bemerkt hast komme ich nicht aus Finnland, sondern aus Deutschland, aber ich muss gestehen dass ich wenig auf Starrummel und Klatsch gebe und mich eher mit wichtigen Dingen beschäftige. Verrätst du mir den Namen eurer Band?"
Riku grinste. „Sunrise Avenue. Und in Deutschland kennt man uns eigentlich sogar noch eher!“
Er beugte sich zu Lexy herüber und fing an ihr die Melodie von Hollywood Hills ins Ohr zu summen, während sein Blick Osmo folgte, der Anna quer durch den Pub zum Klavier zog.
Unwillkürlich schloss Lexy die Augen als sie seine Stimme an ihrem Ohr hörte und erkannte die Melodie sofort. Sie zuckte etwas zurück und starrte ihn entgeistert an.
„Natürlich kenne ich euch. Eure Lieder laufen doch ständig im Radio." Forschend schaute sie ihm ins Gesicht und versuchte zu erkennen ob er sie vielleicht veräppeln wollte.
Am anderen Ende des Pubs hauchte Anna Osmo leise in den Nacken: „Na, dann zeig mir mal, wie geschickt du mit deinen Fingern bist!“
Er hatte sich gesetzt und sie hatte ihre Finger auf seine Schultern gelegt, um sich so ein wenig abzustützen, oder viel eher doch, um sich für seinen zweideutigen Spruch von eben zu rächen, der sie hatte leicht rot werden lassen. Die Bank vor dem Klavier war breit genug, deswegen umfasste Osmo Annas Hüfte und zog sie neben sich. Als er ihre Finger auf der Schulter gespürt hatte, war das ein viel zu schönes Gefühl gewesen, aber jetzt saß sie ganz nah bei ihm und er konnte die Wärme spüren die sie ausstrahlte.
Er schloss die Augen und ließ die Finger über die Tasten gleiten. Annas Augen hingen an seinen Fingern, die die Tasten kaum zu berühren schienen und dem Klavier dennoch unglaublich schöne Klänge entlockten. Sie seufzte leiste und lehnte sich aus Reflex an seine Schulter und brachte Osmo damit prompt aus dem Takt. Sein Kopf ruckte an die Seite und schaute auf Anna runter die das zunächst gar nicht mitbekam. Er räusperte sich und spielte noch etwas weiter bevor er sich zu ihr umdrehte und sie etwas an stupste.
„Und habe ich zu viel versprochen?" fragte er grinsend und war auf ihre Antwort gespannt. Dass er auch singen konnte verschweig er besser erst mal noch.
„Zumindest nicht, wenn es nur ums Klavier spielen ging!“
Sie sah zu ihm auf und in ihren grün-grauen Augen lag ein Ausdruck, der Osmo erschaudern ließ. Es war eine Mischung aus Bewunderung, Rührung, aber auch Schmerz, der in ihr aufgestiegen war und das Selbstbewusstsein und die forsche Art, die sie sonst am Abend an den Tag gelegt hatte, plötzlich vollkommen weg wischte. Er war sich der Wirkung von Musik allgemein selbst immer sehr bewusst, überging ihren Versuch frech zu antworten einfach und legte ihr nun den Arm um die Schulter.
„Willst du ein bisschen frische Luft schnappen?" fragte er sie leise und streichelte ihr leicht über ihren Arm.
„Nein, nein... alles gut ich...“ Sie hielt mitten im Satz inne und senkte kurz den Kopf.
Was war nur passiert, dass Osmo ihr offensichtlich anmerkte, wie nachdenklich sie plötzlich war? Leise seufzte sie nach einer Weile, in der sie zunächst geschwiegen hatte:
„Vielleicht wäre es doch nicht so schlecht... Da ist es bestimmt auch ruhiger!“
Gemeinsam standen sie auf, gingen zu der Garderobe und der junge Musiker half Anna ganz gentlemanlike in ihre Jacke. Er hielt ihr auch die Tür auf und warf noch einen Blick auf die Uhr. Sie hatten noch gut eine halbe Stunde bis sie auf Riku anstoßen würden und er glaubte das würde reichen. Seine Freunde waren alle beschäftigt, vor allem Riku und Alexandra, deswegen würde keiner ihre Abwesenheit bemerken.
Draußen blieb Anna ratlos stehen und wartete darauf, dass Osmo ihr sagen würde, wo es hin gehen sollte, oder ob sie einfach in der Kälte vor dem Pub stehen bleiben würden. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Gedanken in ihrem Kopf Achterbahn fuhren und aus irgendeinem Grund, war dort Steffen wieder aufgetaucht und hatte diesen unsäglichen Schmerz, den sie nur für einen kleinen Bruchteil empfunden hatte und der sie nun so aus der Bahn warf, ausgelöst.
Der Finne legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie ein wenig an als sie einfach nur stehen blieb.
„Willst du drüber reden oder willst du Ablenkung?" fragte er sie leise und blickte von der Seite in ihr trauriges Gesicht.
„Keine Ahnung.“ antwortete die junge Frau ehrlicher, als ursprünglich geplant und zuckte mit den Schultern. „Ich... weiß ja nicht einmal wirklich, was los ist.“
Vorsichtig kuschelte sie sich an Osmos Seite, als er ihr seinen Arm um die Schultern gelegt hatte. Irgendwie tat ihr seine Nähe gut. Anders als Samus Nähe, die ihr zweifelsohne auch gut getan hatte. Aber an Osmos Seite war irgendetwas Vertrautes, fast Freundschaftliches, obwohl sie sich doch eigentlich gar nicht kannten.
Auch für ihn war es seltsam. Er kannte Anna erst seit zwei Stunden und es war so anders als bei Frauen die er sonst kennen lernte. Osmo lächelte und fühlte sich seit langer Zeit mal wieder richtig wohl.
„Okay, dann erzähl mir doch einfach was du so in Deutschland machst und warum du jetzt hier bist." versuchte er sie zum Reden zu bewegen und drückte sie ein wenig näher an seine Seite als er merkte, wie sie fröstelte.
„Na ja... ich wohne zur Zeit in Köln im Studentenwohnheim. Und ich studiere da Marketing und Public Relations. Also nichts Besonderes eigentlich.“ Sie zuckte mit den Schultern und sah erneut zu dem fast einen halben Kopf größeren Mann auf. „Und hier hat es mich nur über das Wochenende hin verschlagen. Ich habe meine beste Freundin einfach zu sehr vermisste und konnte nicht bis zu meinem langen Urlaub über Weihnachten und Silvester warten, sie wieder zu sehen!“
„Wenn ich nüchtern bin, musst du mir nochmal genauer erklären was du studierst, dann kann ich mir das sicher auch merken." sagte er und bewunderte für einen Moment ihre Augenfarbe als sie zu ihm hoch schaute. „Also bist du Ende des Jahres nochmal hier bei Alexandra?" fragte er und erschrak als sie auf der glatten Straße ins Stolpern geriet.
„Waaaah!“ Anna merkte nur, wie sie plötzlich rutschte und von Osmo aufgefangen wurde.
Als sie zu ihm aufsah, realisierte sie, dass er sie an seine Brust gezogen hatte und sie noch immer fest hielt, obwohl sie schon lange wieder auf ihren eigenen Füßen stand.
„Danke...“ wisperte sie zu ihm auf und strahlte ihn mit einem verspielten Glitzern in den Augen an. Dieser Blick aus ihren Augen fesselte ihn und hinderte ihn daran sie wieder los zu lassen. Einen plötzlichen Impuls folgend, schloss er die Augen und näherte sich ihrem Gesicht, besannt sich dann aber wieder und löste sich vorsichtig von ihr. Verlegen räusperte er sich und fuhr sich durch die kurzen Haare.
„Ähem ich glaube wir sollten langsam wieder zurückgehen."
Anna nickte, unfähig zu realisieren, was da eben fast passiert wäre. Sie schüttelte sich kurz und schob diesen Gedanken gleich bei Seite. Sie war hier um ein Wochenende Spaß zu haben. Aber diesen Spaß sollte sie vielleicht, wenn es so weit gekommen wäre, nicht gerade mit einem Kumpel des Mannes teilen, mit dem Lexy anbandeln könnte. So etwas konnte und würde nur zu Verwicklungen führen, die alles andere als gut waren! Sie räusperte sich ebenfalls und murmelte leise:
„Ja, ist vielleicht besser. Sonst verpassen wir Mitternacht und damit das Einläuten von Rikus Geburtstag...“
Derweil war Lexy mehr als angespannt. Sagte Riku wirklich die Wahrheit? Saß sie hier mit der ganzen Band von Sunrise Avenue zusammen? Sie rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her und wartete auf Rikus Antwort.
„Natürlich läuft das ein oder andere Lied von uns häufiger im Radio. Vor allem Hollywood Hills eben.“
Er grinste und griff nach seiner Akustikgitarre, die hinter ihm stand und zog die Aufmerksamkeit der anderen auf sich, als er sie zu einer spontanen Jamsession aufforderte.
„Oh der Herr Rajamaa will jetzt zeigen was wir so können?" grinste Sami und fing an auf dem Tisch zu trommeln, als Riku die ersten Töne von Hollywood Hills anspielte.
Die junge Frau blickte etwas irritiert auf die Gitarre und fragte sich, ob er sie schon die ganze Zeit hinter sich stehen hatte. Auch Samu hob den Kopf und fing an mit den Beinen zu wippen und sowohl Gitarrist und Sänger stimmten die ersten Zeilen zusammen an:
„Now this is not the time or the place
for a broken-hearted,
'cause this is the end of the rainbow
where no one can be too sad”
Als sie mit ihrer Darbietung fertig waren, blickte Riku zu Lexy herüber und grinste.
„Und, was sagst du?“ Er beugte sich zu ihr und stupste sie vorsichtig an. „Sind wir vorzeigetauglich?“
„Entschuldigst du mich für einen Moment bitte?" Lexy stand auf, schlängelte sich an Riku vorbei und verschwand Richtung Toilette.
Dort angekommen wusch sie sich die Hände mit kaltem Wasser und spritze sich davon etwas ins Gesicht. Riku hatte beim Spielen die Augen geschlossen und sie hatte abwechselnd auf seine Hände und Lippen gestarrt und als er auch noch angefangen hatte leise zu singen war irgendetwas passiert. Ihr Herzschlag hatte sich wieder beschleunigt und dieses Kribbeln war auch mehr geworden. Was passierte da nur mit ihr? Seufzend versuchte sie sich wieder zu sammeln und ging langsam wieder zurück.
„Alles okay mit dir?“ Riku sah sie besorgt an, während die anderen schon hektisch herum wuselten, um direkt um 12 Uhr alles so parat zu haben, wie sie es wollten.
Sie setzte sich wieder neben ihm und lächelte.
„Ja alles in bester Ordnung." nickte sie und wich seinen Blick aus. „Mir gefällt übrigens was ihr macht." antwortete sie noch auf seine Frage von vorhin und schaute genau in dem Moment auf die Tür in dem Anna und Osmo zurückkamen.
Auch Riku hatte die Rückkehr der Beiden bemerkt und fragte verblüfft: „Wo waren die Zwei denn?“

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