Kapitel 53

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Etwas nervös wählte Osmo Annas Nummer und lief durch die Wohnung, als das Klingelzeichen ertönte.
Anna brauchte jedoch einen Moment, um in ihrer Tasche das Handy zu finden und ging abgehetzt und ohne zu schauen, wer dran war, ans Telefon: „Annabell von Derenthal?"
„Hi Anna hier ist Osmo. Ist es grad unpassend, dann rufe ich später wieder an?"
„Osmo, hi! Mit dir hätte ich jetzt gar nicht gerechnet. Es ist alles gut. Aber ich hab mein Handy erst noch in meiner Unitasche suchen müssen!" erklärte sie schnell noch ihre Hektik.
Bei dem Klang von Annas Stimme schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Tja ich bin immer für Überraschungen gut... Weswegen ich aber eigentlich anrufe..." Er atmete einmal tief durch. „Ich habe den Test gemacht und die Ergebnisse sind alle in Ordnung."
„Ehrlich gesagt... habe ich da gar nicht mehr dran gedacht... aber... das freut mich natürlich und es beruhigt mich dann doch!" lachte sie und strich sich ihre langen Haare zurück. „Ist denn sonst alles in Ordnung? Du klingst so... angespannt. Oder war das wegen dem Test?" hakte sie noch nach. „Großenteils wegen dem Test. Sonst ist soweit alles in Ordnung. Wir versuchen grad alle Samu ein bisschen abzulenken, deswegen waren wir gestern Abend noch zusammen weg. Und bei dir?"
„Ach ja, hier ist auch alles okay. Wie geht es Samu denn? Seine Trennung muss ja ganz schön hart gewesen sein..." seufzte die junge Frau leise und setzte sich nun auf ihr Sofa, wo sie nachdenklich eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern drehte.
Osmo stand jetzt vor seinem Klavier und setzte sich auf den Hocker. „Es geht ihm immer besser. Von wem weißt du denn genaueres von der Trennung?"
„Von Samu selbst. Er hat mich bei Facebook angeschrieben." erzählte Anna leise und dachte kurz darüber nach, ob Samu etwas darüber gesagt hatte, dass sie ihr Gespräch verschweigen sollte, aber sie konnte sich nicht an derartiges erinnern.
„So, hat er das?" der junge Musiker zog eine Augenbraue hoch und hatte keine Ahnung, warum ihn das jetzt gerade störte. „Wir sind alle froh dass er Milla los geworden ist. Besonders nachdem sie so auf Lexy losgegangen ist."
„Ja, das hat er auch erzählt. Aber Lexy scheint das nicht so sehr beeindruckt zu haben. Sonst hätte sie mir das auch schon erzählt. Trotzdem was es echt scheiße von ihr." seufzte Anna leise und lachte dann auf. „Wer weiß, wie sie reagiert hätte, wenn ich auch noch dabei gewesen wäre... Dann wäre sie bestimmt auf mich auch so losgegangen."
Gedankenverloren strich er über die Tasten. „Du und Lexy gegen Milla wäre aber lustig gewesen. Ich finde Lexy hat ihr gut gekontert. Aber ihr Kopf schwebt im Moment doch eh ganz woanders oder?"
„Klar tut er das. Sie ist bis über beide Ohren verliebt. Und lebt das endlich wieder richtig aus!" Anna lachte erneut. „Erst heute habe ich da so eine SMS bekommen, aus der sich herausliest, wie gut es ihr geht!"
„Ja Riku hatte angedeutet er würde gern mit ihr in sein Mökki fahren wenn sie will. Da sind die beiden alleine und ungestört." Osmo fuhr sich durch sie Haare. "Obwohl ich keinen Grund gesehen habe warum sie nicht mit ihm dahin wollen würde..."
„In sein was?" Anna war irritiert und klang entsprechend auch so. Die Überlegung, warum Lexy vielleicht Gründe hatte, nicht mit dorthin zu fahren, verschwieg sie lieber.
„Das nennt man bei uns Ferienhaus. Eigentlich haben wir alle welche, die so 2-3 Stunden weg sind. Meistens etwas abgeschieden, am Wasser und mit Sauna." Osmo lachte. „Vielleicht kann ich dir meins ja mal im Dezember zeigen."
„Wenn man da ohne Schneeräumfahrzeug hin kommt... warum nicht. Aber... ich habe noch keine Ahnung, wie meine Planung aussieht. Gerade an Weihnachten. Ich... denke mal... Lexy wird bestimmt mit Riku feiern wollen..." Ihre Stimme wurde leicht unsicher, obwohl sie versuchte sich dies nicht anmerken zu lassen.
„Wenn Lexy was mit Riku macht, dann kannst du gerne mit zu mir kommen. Bei uns ist immer volles Haus und jeder bringt mal den einen oder anderen Freund mit." Osmo wurde plötzlich klar was er ihr gerade spontan vorgeschlagen hatte. „Also nur wenn du willst..."
„Ähm... du.. also... zu deiner... Familie?" Anna wurde sofort noch unsicherer, als sie weiter nachfragte: „Aber... die... die denken dann doch bestimmt... dass wir... also... dass da mehr zwischen uns ist... was ja... nicht so ist..."
„Mach dir da mal keine Gedanken. Ich stellte dich als gute Freundin vor, wo soll also das Problem sein? Es sei denn, du traust dich nicht?" Osmo grinste und hoffte sie würde Zusagen.
„Also... ich... ich müsste das noch mit Lexy besprechen... aber... wenn sie... also... wenn sie mit Riku feiert... warum nicht." Sie hüstelte kurz und seufzte dann: „Auf wen muss ich mich da denn dann einstellen?"
Osmo lachte. „Also ich muss ja zugeben, als Kerl ist man bei meiner Familie deutlich benachteiligt. Ich habe 3 Schwestern und einen Bruder. Ich bin der Älteste."
Anna schluckte. „Drei... Schwestern?" fragte sie leicht panisch zurück. „Du weißt, was Schwestern tun, wenn ihr Bruder eine Frau mitbringt, die nicht die Freundin ist, oder?"
„Nein. Meine Schwestern verhalten sich da eigentlich immer gleich. Sie werden dich schnappen, dir peinliche Geschichten von mir erzählen und sich mit dir gegen mich verschwören." Osmo seufzte gespielt auf. „Aber damit komme ich klar. Bin ja der große Bruder und so!"
„Ach? Peinliche Geschichten also? Na, das kann ich mir doch nicht entgehen lassen!" Anna lachte laut auf und wurde dann wieder etwas kleinlauter. „Ich hoffe, es ist kein Problem... na ja... dass ich... dass ich kein Finnisch spreche?"
„Anna mach dir nicht so viele Gedanken. Das klappt schon. Meine ganze Familie spricht Englisch und alles andere kann ich dir übersetzen."
„Puh... dann... bin ich ja beruhigt." Sie atmete hektisch aus und versuchte sich irgendwie wieder zu beruhigen, was allerdings gerade weniger an Osmos Einladung, als an ihren eigenen letzten Weihnachten lag.
Osmo war plötzlich besorgt und fragte leise nach. „Alles in Ordnung? Wenn dir das so unangenehm ist dann braucht du nicht mitkommen."
„Was? Äh... nein... darum geht es nicht... ich... es ist nur... es wäre... das erste Weihnachten seit mehr als zehn Jahren, wo ich mit einer... Familie zusammen wäre..." murmelte sie leise und musste ihre aufkommenden Tränen mühsam runter schlucken.
„Was? Seit mehr als 10 Jahren? Anna... das tut mir leid. Wo war denn deine Familie zu Weihnachten?" Osmo war leicht geschockt und wanderte wieder durch seine Wohnung.
„Meistens waren meine Eltern auf irgendwelchen Kreuzfahrten und mein Großvater fliegt über die Wintermonate immer nach Ibiza in sein Ferienhaus..." erklärte Anna ihre Stimmung und seufzte dann leise. „Meine Familie war in all den Jahren immer Lexy...!"
„Oh..." Osmo blieb stehen und ihm fehlten kurz die Worte. „Es wird dir bei uns sicher gefallen. Auch wenn es immer ziemlich laut ist..."
„Lieber laut, als wenn niemand da ist, oder?" Sie lachte kurz bitter auf. „Weißt du, wie schön das ist, wenn du deine Kontoauszüge einsiehst und da eine dicke Überweisung deiner Mutter drauf ist mit dem Verwendungszweck ‚Frohe Weihnachten, kauf die was Schönes'?"
„Das ist übel... Dann hoffe ich, dass ich dir mit meinem Vorschlag zu einem schönen Weihnachten verhelfen kann und du dich ein bisschen drauf freust?!"
„Jetzt, wo ich weiß, dass ich nicht allein bin... freue ich mich sogar sehr..." gab Anna flüsternd zu und schloss kurz die Augen, um die Freudentränen, die nun in ihr hochstiegen zu unterdrücken. „Du weißt gar nicht, was mir das bedeutet, Osmo... Und ich danke dir wirklich dafür."
Osmo nahm den plötzlichen Stimmungswandel freudig zur Kenntnis. "Das ist für mich selbstverständlich. Niemand sollte Weihnachten alleine sein. Ich werde dafür sorgen, dass es schön wird, das verspreche ich dir!"
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir das danken kann, Osmo..." murmelte sie verlegen und nestelte dabei an einem ihrer Kissen, die auf dem Sofa lagen, herum.
Schon kamen ihm unanständige Gedanken in den Kopf und er musste sich räuspern. „Also... Im Normalfall würde ich ja sagen das braucht du nicht, aber..."
„Aber?" fragte sie neugierig zurück.
„Aber... Als Hausfrau taugst du ja nicht so viel, wie du selbst sagst... Da ich aber schon etwas mit dir erleben dürfte, würde ich sagen, lass dir da doch etwas einfallen."
„Das heißt ich sollte es so timen mit meiner Pillenpause, dass wir genug Zeit haben in den Tagen, wo ich da bin..." Sie unterbrach sich selbst mitten im Satz und sagte nichts weiter.
„Äh... Also..." Nun war Osmo etwas verlegen und wusste nicht was er da sagen sollte.
„Na ja, auf eine Schwangerschaft wollen wir es doch nicht ankommen lassen, oder? Reicht doch schon, dass wir unter der Dusche mit dem Feuer gespielt haben..." Die junge Frau amüsierte sich ein wenig darüber, wie verlegen ihr Gegenüber plötzlich war.
„Stimmt. Da ging es doch aber nicht um eine Schwangerschaft. Die Pille ist doch recht sicher oder? Und da wir beide ja sauber sind..."
„Natürlich ist die Pille sicher. Aber du konntest ja auch nicht unbedingt wissen, ob ich sie nehme..." säuselte sie leise. „Und ja... wir sind beide sauber. Das haben wir ja geklärt!" lachte sie, obwohl sie genau verstanden hatte, worauf er hinaus wollte.
„Ich hatte ja gesehen wie du sie genommen hast..." verteidigte er sich leise und wunderte sich, wo dieses Gespräch inzwischen angekommen war. „Aber... Wenn du weißt wie viel Zeit du hast, kannst du mir ja Bescheid geben damit ich das auch planen kann?"
„Oh, ich habe bestimmt viel Zeit... Lexy wird ja viel bei Riku sein. Ich... brauche nur definitiv einen Tag für Samu. Er hatte mich gefragt, ob wir etwas zusammen unternehmen. Aber sonst... bin ich recht ungebunden in der Zeit..." plapperte Anna einfach drauf los.
Bei Samus Namen zog Osmo wieder eine Augenbraue hoch. „Was wolltet ihr zwei denn unternehmen, also du und Samu?" versuchte er beiläufig zu fragen.
„Keine Ahnung. Darüber hatten wir nicht gesprochen. Aber ich denke mal, dass wir irgendwie etwas in Helsinki machen werden. Vielleicht zeigt er mir dort etwas, wo wir noch nicht waren. Außerdem möchte ich Kisu kennen lernen!" erzählte die junge Frau fröhlich.
„Hmm, ja okay. Und was hast du noch so vor, bis du zu uns kommst?" wechselte er schnell das Thema. „Ich muss auf jeden Fall noch Weihnachtseinkäufe machen und so etwas. Aber nichts Besonderes. Ansonsten habe ich einfach nur meinen Alltag. Und der ist nicht ganz ohne!" Sie lachte und seufzte dann zugleich. „Wie das halt so ist kurz vor Weihnachten."
"Oh hör mit bloß auf mit Weihnachtseinkäufen. So was liebe ich ja... Bis wann hast du noch Unterricht?"
„Am 17. Dezember hab ich noch eine Präsentation und eine Vorlesung und dann erst mal eine ganze Weile frei. Und am 19. bin ich dann ja schon in Helsinki. Alles strikt durchgeplant bis dahin."
„Diese Zeit ist immer recht stressig bevor es erst mal ruhiger wird. Aber ich freu mich auf alle Fälle auf deinen Besuch. Ich hoffe ich bin dann ein guter Lexy Ersatz."
Erneut musste Anna lachen: „Hey, Osmo. Du sollst doch Lexy nicht ersetzen! Ich freue mich auf meine beste Freundin, aber... ich freue mich auch auf dich... und... dass wir uns etwas besser kennen lernen können und... vielleicht Freunde werden können... mit gewissen Vorzügen halt!"
„So meinte ich das ja auch nicht. Ich denke, wenn sie nicht mit Riku zusammen wär, dann würdet ihr mehr machen. Es sei denn sie setzt Riku für die Zeit aus oder so." Dann schlich sich ein anzügliches Grinsen in sein Gesicht. „Das mit gewissen Vorzügen gefällt mir..."
„Sie soll sich unterstehen das auszusetzen! Dafür tut er ihr viel zu gut. Und sie liebt ihn... Von daher, denke ich, dass sie das nicht einmal könnte, selbst wenn sie wollte. Die Sehnsucht wäre zu groß..." Auf den Rest seines Satzes ging sie nicht ein, sondern beließ es dabei dies zur Kenntnis zu nehmen.
Bei Annas Worten horchte Osmo auf. „Sie liebt ihn? Also so richtig?"
„Ja... also... ähm... ja... so richtig..." stammelte die junge Frau und könnte sich für ihre Worte ohrfeigen, sollte doch erst einmal keiner davon wissen und schon gar nicht von ihr!
Osmo seufzte kaum hörbar. „Das geht ja echt schnell bei den beiden. Dann hoffe ich doch sehr, dass Riku auch schon so fühlt."
„Ich denke schon. Sonst würde Lexy... sie würde solche Gefühle sonst nicht zulassen." Annas Stimme wurde immer leiser. „Aber... am besten wir lassen sie einfach so weiter machen, wie es für sie gut ist. Und wenn es eben so rasend schnell geht... dann ist das so."
„Ich freue mich für Riku. Das mit seiner Scheidung hat ihm das Herz gebrochen und hätte ihn fast kaputt gemacht. Seit er Lexy kennt, ist er wie ausgewechselt und das rechne ich ihr hoch an..."
„Das ist bei ihr nicht anders. Scheinbar haben die Zwei sich gesucht und gefunden. Um ihre gebrochenen Herzen zu kitten..."
Für einen Moment schwiegen beide. Dann tutete Osmos Handy und er gucke auf sein Display. „Du Anna ich bekomme grad einen Anruf von meiner Mutter. Da sollte ich ran gehen. Dann bespreche ich auch gleich Weihnachten mit ihr... Es war total schön mit dir zu reden und ich würde mich freuen, wenn du dich nochmal melden würdest."
„Mach ich und... grüß sie einfach einmal von mir. Bis die Tage!" Anna legte auf und atmete tief durch. Es war ein seltsames Telefonat mit Osmo gewesen, wo einige Dinge auf den Tisch gekommen waren, mit denen sie so nicht gerechnet hatte, aber wer wusste schon, wofür das noch gut sein würde.


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