Kapitel 23

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Während Anna nicht im Geringsten an Lexy dachte, würde diese ihre Freundin gerade am liebsten erwürgen. Was hatte sie sich da bloß bei gedacht? Sie atmete tief durch und blickte Riku in einer Mischung aus Sorge, Verlegenheit und Unsicherheit an.
„Wir können ja später nochmal versuchen, ob er dann ran geht."
„Machen wir! Vielleicht ruft Osmo ja sogar zurück, wenn er sieht, dass ich angerufen habe.“
Er musterte den Gesichtsausdruck der jungen Frau, der noch immer irgendwie etwas Gequältes an sich hatte und strich ihr vorsichtig, sanft über das Knie. Mit der Aussicht musste sie erst mal leben.
Sie richtete sich ein wenig auf, schaute zuerst auf Rikus Hand auf ihrem Knie und dann in sein Gesicht. Dabei strich sie sich gedankenverloren über den Stoff am Ausschnitt ihres Pullis, suchte nach dem Band und als sie es gefunden hatte drehte sie es in ihren Fingern. Wenn sie nervös war, zappelte sie entweder mit ihren Beinen oder suchte sich etwas um ihre Finger zu beschäftigen.
Riku war ihrer Handbewegung mit seinen Augen gefolgt und hatte nun so, wie schon an dem Abend, an dem sie sich kennen gelernt hatten, einen guten Einblick in ihren Ausschnitt. Er brauchte einen kleinen Moment, bis er sich davon wieder losreißen konnte und hektisch fragte:
„Magst du vielleicht etwas trinken? Ich bin ja auch ein mieser Gastgeber, so etwas fragt man sofort!“ Und noch bevor sie antworten konnte, war der Musiker auf dem Weg in die Küche.
Verwundert schaute sie ihm nach und runzelte die Stirn. „Ja eine Cola bitte, wenn du das da hast." rief sie ihm hinterher und blinzelte beschämt weil sie sich dabei ertappte, wie sie auf seinen Hintern guckte.
Nach wenigen Augenblicken kam Riku mit dem gewünschten Getränk zurück und sein Blick fiel auf den unteren Saum ihres Pullovers, der sich verdächtig nach oben geschoben hatte und ein Stück Einblick auf ihre Haut gewährte. Er schluckte kurz, um die aufkeimenden Gedanken zu vertreiben, die ihm in diesem Stadium des Kennenlernens definitiv zu früh erschienen. Schließlich war er nicht wie Osmo und Lexy überhaupt gar nicht wie Anna...
Lexy hatte, unabhängig von Rikus Blick auch bemerkt, dass ihr Pulli sich verschoben hatte und zog ihn von unten wieder zurecht. Dadurch lockerten sich die Bänder, die den Ausschnitt oben rum etwas zusammen gehalten hatten und zeigten nun wie der Pulli aussah wenn alles so saß wie eigentlich vorgesehen war. Der Gitarrist staunte nicht schlecht über den Anblick und passte nur eine Sekunde nicht auf, so dass er über die Teppichkante stolperte und beim Versuch sich zu fangen das Glas fast aus seinen Händen glitt. Im letzten Moment konnte er es noch festhalten, die Cola jedoch hatte er komplett über Lexys Pulli verschüttet und starrte sie nun nur beschämt an und war hochrot angelaufen dabei.
Lexy war noch dabei ihren Pulli zu richten, als die Cola sie traf. Sie sprang erschrocken hoch und hätte Riku dabei fast noch mit ihr zusammen zu Fall gebracht. So standen beide mit geröteten Gesichtern ziemlich nah zusammen und versuchten noch die Reaktionen abzuwägen. Als Lexy dann aber nach unten blickte, die Situation verstand und anfing zu kichern konnte auch Riku erleichtert aufatmen.
„Oh Mist...“ murmelte er leise und zupfte an Lexys Pulli. „Ich glaube... ich hole dir jetzt besser nen Shirt und nen Pulli von mir und das hier... sollten wir auswaschen, sonst geht das Zeug nie wieder raus...“ Er stammelte leicht, so peinlich war ihm die Situation, bis ihm ein Geistesblitz kam und er einen deutschen Satz aus einem Schulbuch in entsprechender Sprache zitierte: „Ich habe eine Waschmaschine!“
Lexy stockte der Atem, als sie Rikus Finger an ihrem Pulli spürte und biss sich auf die Unterlippe. So was konnte auch nur ihr passieren dachte sie sich und fühlte sich ein bisschen wie im falschen Film. Das Ganze wurde allerdings aufgelockert, als Riku ihr stolz grinsend einen deutschen Satz präsentierte und sie nicht anders konnte als laut aufzulachen. Damit jedoch irritierte sie ihn zusehends und er fragte kleinlaut:
„Hab ich jetzt etwas total Dummes gesagt?“
Lexy hörte auf zu lachen und berührte ihm sanft am Arm. „Nein, nein, ganz und gar nicht. Der Satz war richtig, aber ich war einfach überrascht und naja... du hast einen echt niedlichen Akzent." Erneut wurde der Musiker rot und senkte verlegen den Kopf. „Danke...“ murmelte er und sah wie ein kleiner Schuljunge wieder auf, wobei ihm die Haare ins Gesicht fielen. „Du musst wissen... Deutsch war nie meine Stärke und mir war es immer peinlich, wenn ich Sprechen musste...“
Wie von selbst löste sich Lexy Hand von Rikus Arm und griff nach der Strähne, um sie ihn zurück zu streichen.
„Ich wollte dich eben auch gar nicht auslachen oder so. Wenn das so rüber kam, tut es mir leid. Das klang einfach grad so... naja... süß und dein Grinsen war so stolz, da musste ich einfach lachen..." murmelte sie und hoffte er würde verstehen was sie eigentlich sagen wollte.
Das tat er und er bestätigte dies mit einem leichten Kopfnicken, während seine Lippen sich zu einem Lächeln formten.
„Ich mag deinen Akzent auch sehr gern!“ wisperte er und zupfte erneut an ihrem Pulli. „Aber ich hole dir mal wirklich eben etwas anderes zum Anziehen...“ Damit löste er sich von ihr und verschwand irgendwo in der Wohnung.
Sie schaute ihm nach und vermisste plötzlich seine Nähe. Als er zurückkam, reichte er ihr ein Shirt und eine graue Strickjacke.
„Das dürfte dir zwar viel zu groß sein, aber besser, als etwas Nasses, was obendrein noch endgültig versaut ist, wenn wir es jetzt nicht waschen...“ wisperte er ihr ins Ohr, nachdem er sie zum wiederholten Male in die Arme geschlossen hatte und ihren Duft einsog.
Lexy nahm die Klamotten an, wollte gerade nach dem Badezimmer fragen, als er sie in die Arme schloss und sie wieder seinen Mund an ihrem Ohr spürte. Die beiden Kleidungsstücke fielen ihr aus der Hand und landeten auf dem Boden, das war ihr im Moment allerdings egal, da sie jetzt einfach nur seine Nähe genoss. Auch er genoss ihre Nähe, besann sich dann aber wieder darauf, in welcher Situation sie sich befanden und räusperte sich kurz. Annas Aussage, er müsse sich ins Zeug legen, kam ihm wieder in den Sinn und er seufzte leise. Wie sollte er das tun, wenn er die ganze Sache jetzt langsam angehen wollte, aber nichts lieber tun würde, als Lexy hier und jetzt in diesem Augenblick zu küssen? Es kostete ihn Überwindung seine Arme von ihr zu lösen und mit einem Fingerzeig in Richtung Flur zu erklären, wo sie sich umziehen konnte.
Sie war ein bisschen verwirrt und fühlte sich leicht schwindelig als er sie wieder los ließ und plötzlich anfing ihr den Weg ins Bad zu erklären. Hastig bückte sie sich nach den Klamotten und ging sich umziehen. Im Bad angekommen sank sie kurz gegen die Tür und schloss für einen Moment die Augen. In ihr tobten die Gefühle und sie hatte echte Probleme sie zu sortieren. Ihr Verstand versuchte ständig ihr Angst zu machen, doch ihr Körper und inzwischen auch ihr Herz arbeiteten munter dagegen an. Damit er sich nicht fragte was sie hier tat, zog sie sich schnell um, legte ihren Pullover zum Einweichen in das dann gefüllte Waschbecken und kehrte zu ihm zurück. „Steht dir!“ Er grinste, als sie in seinen Sachen wieder zurückkam, während er dabei war Lucy zu stimmen und schon ein wenig auf ihr klimperte.
Sie zupfte zaghaft an den viel zu großen Sachen und runzelte die Stirn. „Findest du? Ich habe den Pulli im Waschbecken eingeweicht, vielleicht geht der Fleck dann schon raus."
Fasziniert blieb sie vor ihm stehen und beobachtete seine Hände. Dann setzte sie sich einfach vor ihm auf dem Boden, weil sie sehen wollte was er jetzt vorhatte.
Er sah kurz zu ihr herab und nickte leicht. „Ich dachte, Lucy und ich zeigen dir mal ein bisschen was von dem, was wir können.“
Er zwinkerte ihr kurz zu und begann gleich die erste Töne auf seiner Gitarre zu spielen und dabei wieder einmal vollkommen in der Musik zu versinken. Nach einiger Zeit atmete er dann noch tief durch und sang zu seinen Gitarrenklängen:

„And now I' m flying high above the sky and it' s all because of you
I got a feeling in my heart
My life can really start and it' s all because of you..."
(Zitat: Sunrise Avenue, All because of you)

Lexy war total überwältigt von dem was sie gerade sah. Seine Hände streichelten die Gitarre förmlich und er ging total in dem auf was er gerade tat. Sie hörte auf den Text und ihr Herz schlug noch schneller als überhaupt schon die ganze Zeit. War der Text nun zufällig gewählt oder steckte Absicht dahinter? Sie merkte wie ihre eigenen Hände zu zittern anfingen und verschränkte die Finger ineinander.
Er hatte die Augen geschlossen und schien wirklich, wie er schon gesagt hatte, irgendwo anders zu sein. Als er den Song zu Ende gespielt hatte, hielt er noch einen Moment inne, bevor er seine Augen wieder öffnete und Lexy anlächelte.
„Ich hoffe es hat dir gefallen...“ wisperte er und war kurzzeitig nervös, vor ihrem Urteil.
„Ich bin sprachlos... Wobei bin ich ja nicht, weil ich rede ja gerade und..." sie unterbrach sich und suchte nach den richtigen Worten. „Es war wunderschön und wow also... Man sieht dir wirklich an wie sehr du die Musik liebst. Du warst für einen Moment wirklich weg und ich frage mich schon wie das passieren kann." Sie schwieg kurz und schaute auf seine Gitarre. „Wieso gerade dieses Lied?"
„Ich mag es einfach...“ Riku lachte kurz auf. „Außerdem... passt es zu dir...“ Er hatte die Worte so leise gesprochen, dass sie sie nur beschwerlich verstehen konnte. Und um davon direkt wieder abzulenken, setzte er sich ein Stück zurück. „Komm mal her... Ich zeig dir, wie das geht...“
Er bedeutete ihr sich vor ihn zu setzen und legte dann seine Arme mit der Gitarre um sie, so dass sie beide zusammen hinter der Gitarre saßen.
„Leg einfach deine Finger auf meine und... fühl es einfach...“ murmelte er ihr ins Ohr und begann wieder leise Klänge zu zupfen.
Lexy hatte Riku beim Sprechen beobachtet und hatte trotzdem nicht ganz verstanden was er gesagt hatte. Bevor sie allerdings nachfragen konnte lenkte er ab indem er wollte, dass sie sich vor ihn setzte. Etwas ungelenk stand sie auf uns nahm vor ihm auf dem Sofa Platz. Sie saß nun zwischen seinen Beinen mit der Gitarre vor sich. Sie spürte seine Nähe, seinen Duft und vor allem die Wärme die er ausstrahlte und das verursachte ihr ein Kribbeln am ganzen Körper. Zögernd legte sie ihre Hände auf seine und schloss instinktiv die Augen als er anfing zu spielen.

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