Kapitel 18

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Osmo lag an diesem Abend noch lange wach und musste an den Kuss mit Anna denken. Er fühlte sich schuldig und gleichzeitig so gut wie schon lange nicht mehr und er ahnte was die anderen jetzt von ihm dachten. Vor allem Samu, dem er ja noch eine Predigt wegen Milla gehalten hatte. Er hatte keinen Plan warum es dazu gekommen war und ihn erschreckte die Erkenntnis, dass er es liebend gerne wiederholen würde. Irgendwann war er doch eingeschlafen und wurde am nächsten Morgen durch das wiederholte und hartnäckige Betätigen seiner Klingel geweckt.
„Was zum...?" murmelte er verschlafen, als er öffnete und Veera an ihm vorbei stürmte.
„Warum hat das so lange gedauert?“ pampte diese ihn gleich an und stemmte die Hände in ihre Hüften.
Abwartend, wie er auf ihr verfrühtes Auftauchen reagieren würde, trat Veera von einem Fuß auf den anderen und blickte Osmo an. Osmo gähnte hinter vorgehaltener Hand und blinzelte seine Freundin an.
„Wonach sieht es denn aus? Ich habe geschlafen!" murmelte er und schlürfte Richtung Küche. „Was machst du hier, solltest du nicht erst heute Abend wieder kommen?"
„Danke, ich freue mich auch, dich zu sehen!“ Veeras Tonfall hatte noch immer etwas anklagendes an sich, als sie ihm auf dem Fuße folgte und dann erst auf seine Frage antwortete: „Außerdem dachte ich, ich käme schon früher zurück, weil du dich darüber freuen würdest!“
„Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt? Erwartest du etwa ein überschwängliches Willkommen, wenn du hier reinstürmst und mich sofort ankeifst?" Der junge Musiker stellte sich vor die Kaffeemaschine um sich einen Kaffee zu kochen, damit er etwas wacher wurde.
„Ich wollte dich halt überraschen! Aber dann lässt du mich minutenlang vor der Türe stehen und warten!“ zeterte sie weiter und schob Osmo von der Kaffeemaschine weg. „Aber wie ich sehe, freust du dich nicht einmal ein bisschen mich zu sehen, oder?“ Sie plusterte sich auf und funkelte ihn wütend an: „Wie heißt sie? Hm? Hast du mich schon ersetzt, weil ich ein Wochenende nicht da war? Und warum war dein Handy fast die ganze Nacht aus?“
Osmo legte sich die Hände in den Nacken, schloss die Augen und horchte für einen Moment in sich rein. Dann öffnete er sie wieder und schaute auf Veera die vor ihm stand und kein bisschen Liebe oder Wärme ausstrahlte.
„Veera, hast du mal zur Uhr geguckt? ICH HABE GESCHLAFEN VERDAMMT NOCHMAL!" er musste sich echt beherrschen nicht richtig laut zu werden. „Mein Handy war aus, weil wir etwas Abstand voneinander gewinnen wollten. Und nein, wenn ich ehrlich bin freue ich mich gerade nicht dich zu sehen..."
„Na super! Und so etwas schimpft sich Partner? Ich dachte du liebst mich! Vielleicht sollte ich einfach zu Iivo zurück gehen! Der würde sich freuen mich zu sehen! Und er begehrt mich immerhin!“ fauchte sie und hielt sich direkt den Mund zu, als sie realisiert hatte, was sie da von sich gegeben hatte.
Osmo hatte es inzwischen geschafft sich einen Kaffee zu machen und hätte fast den Becher fallen gelassen.
„Moment, hieß der Kerl mit dem du mich damals betrogen hast nicht Jonne? Veera, hast du mir etwa noch etwas zu beichten?" er funkelte die Frau vor ihm an und ignorierte alles andere was sie gerade gesagt hatte.
„Wieso sollte ich? Du treibst mich doch immer wieder dazu! Du mit deiner ignoranten Art! Nie zeigst du mir, dass du mich auch nur ein bisschen begehrst und mich bewunderst! Das erträgt eine Frau auf Dauer nicht!“ Sie regte sich noch immer auf und auch diesmal sah sie die Schuld für ihren erneuten Fehltritt wieder bei Osmo.
Plötzlich kam ihm das Gespräch mit Anna in den Sinn, über Vertrauen und die Wichtigkeit sich aufeinander verlassen zu können. Er hatte gestern bereits diesen Entschluss gefasst und dankte Veera insgeheim, dass sie es ihm jetzt so einfach machte.
„Weißt du Veera, du hast mir wieder gezeigt wie wenig DIR unsere Beziehung bedeutet und wie wenig DU mich liebst. Ich bin froh, dass ich deinem Drängen zusammen zu ziehen damals nicht nachgegeben habe. Ich möchte, dass du jetzt gehst. Zu Jonne, zu Iivo oder wer weiß mit wem du es in letzter Zeit noch getrieben hast. Ich bin fertig mit dir, es ist aus Veera. Verstehst du mich? Und damit es fair zwischen uns bleibt, alles was ich mir vorzuwerfen habe ist ein Kuss mit einer anderen Frau." Osmo griff nach ihrem Arm und schob sie Richtung Tür.
„Du machst Schluss?“ ihre Stimme war ein lautes Kreischen und nachdem Osmo ihr die Türe vor der Nase zu geknallte hatte, begann sie unentwegt davor zu hämmern.
Er ignorierte sowohl ihr Brüllen als auch ihr Klopfen, lehnte sich gegen die Tür und fühlte sich einfach nur befreit.
„Du kannst deine Sachen in den nächsten Tagen abholen, ich schreibe dir wenn ich Zeit und Lust dazu habe." rief er und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er hatte es geschafft, er hatte diese lieblose und Kräfte zehrende Beziehung endlich beendet. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er noch etwas Zeit hatte bis er sich mit Riku treffen würde, deswegen trank er in Ruhe seinen Kaffee aus, ging lange duschen, frühstückte und machte sich dann auf den Weg.
Derweil waren auch Lexy und Anna wieder aufgestanden und Letztere kam gerade aus dem Bad, als ihre beste Freundin den Tisch fertig gedeckt hatte.
„Hmmmm, das sieht gut aus! Willst du mich so sehr verwöhnen dieses Wochenende?“ fragte sie und tänzelte um den Tisch.
Lexy hatte leichte Kopfschmerzen und konnte nicht aufhören an diesen Mann zu denken, deshalb musste sie sich beschäftigen und hatte es beim Frühstück wohl etwas übertreiben.
„Du weißt doch, je mehr du isst, umso dünner sehe ich neben dir aus." versuchte sie zu scherzen und sank auf ihren Stuhl.
„Ja, ganz bestimmt. An dir ist doch kein Gramm Fett, wie willst du da neben mir dick aussehen?“ Anna runzelte die Stirn und schlenderte zu Lexys PC. „Hast du was dagegen, wenn ich ein wenig Musik an mache?“
„Nee nee mach nur, Passwort kennst du ja." murmelte sie gedankenverloren und schien die Worte vorher gar nicht gehört zu haben.
Ohne wirklich Hunger oder Appetit zu haben, starrte sie auf das Essen und griff nach ihrer Kaffeetasse. Anna klickte kurz am PC rum, bis sie auf Youtube gefunden hatte, was sie suchte und kam dann ebenfalls an den Tisch.
„Man, sieht das gut aus!“ grinste sie und nahm sich direkt ein Brötchen, um es zu schmieren. Dabei beobachtete sie Lexy genau und versuchte ihren verträumten Blick zu analysieren. Als die ersten Klänge des Liedes ertönten, wachte Lexy aus ihrem Träumen auf und ihr Kopf ruckte nach oben. Die Stimme kam ihr seltsam vertraut vor und es gefiel ihr sofort.
„Ich habe das noch nie gehört, aber der Sänger kommt mir bekannt vor. Wer ist das?" fragte sie und schaute verwirrt auf ihren Arm, der mit einer Gänsehaut überzogen war.
„Irgend so ein unbekannter Künstler.“ Anna grinste ins ich hinein und biss genüsslich in ihr Brötchen.
„Ach so. Na dann." Die junge Frau stocherte in ihrem Brötchen und hörte sich das Lied noch bis zum Ende an, um dann wieder in die Welt ihrer Gedanken zu flüchten.
Schweigend beobachtete Anna Lexy weiter und ließ die Playlist von Youtube einfach durch laufen. Sie sah so unglaublich verträumt aus und schien in einer ganz anderen Welt zu sein und Anna beschloss ihre beste Freundin einfach weiter träumen zu lassen. Das nächste Lied war wieder von der selben Person und schaffte es Lexy zu einem Stirnrunzeln zu bewegen.
„Anna komm schon, wer ist das?"
Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob du ihn kennst, sein Name ist Riku Rajamaa!“
„DAS ist Riku?" Das Brötchen mit Erdbeermarmelade, das sie sich inzwischen geschmiert hatte fiel ihr aus der Hand und sie schaute ihre Freundin entgeistert an.
„Ja das erklärt warum es sich gerade so ... angefühlt hatte diese Stimme zu hören." versuchte sie sachlich klingen zu lassen und schaute auf ihr verunglücktes Brötchen.
„Wie hat es sich denn angefühlt?“ wollte Anna von ihr wissen und lehnte sich zurück.
Um Zeit zu schinden, hob Lexy ihr Brötchen wieder auf und klatschte die Marmelade wieder zurück. „Wenn ich wüsste wie ich es beschreiben soll, dann würde mir sicher das richtige Wort einfallen." antwortete sie gereizter als sie eigentlich wollte. „Ach Anna es tut mir leid... Bist du denn weiter gekommen dir Gedanken um Osmo zu machen?"
Anna seufzte: „Leidtun sollte es dir erst, wenn du diesen tollen Typen in die Wüste schickst, weil dir sein Job nicht passt...“
Sie sah zu Lexy auf und lächelte leicht. „Und das mit Osmo und mir... keine Ahnung... Wir verstehen uns einfach gut. Ich würde aber eher sagen als Freunde. Ich kann im Moment keine Beziehung oder irgendwas in der Richtung gebrauchen und er hat seine Veera.“
„Und wenn er Single wäre? Ich habe dich nach eurem Kuss gesehen und es lag so ein Leuchten in deinen Augen und dein Lächeln war so niedlich." Lexy grinste Anna an und wartete auf die Reaktion auf diese Information.
„Selbst dann nicht. Zumindest nicht als Beziehung. Wobei ich zugeben muss... ich wäre nicht abgeneigt wenn es einfach nur... na ja... wenn da mehr wäre... aber eben nichts Festes...“ Anna lief rot an und grinste verlegen.
Schon alleine wegen dieser Reaktion von Anna mussten sie sich heute mit Riku und Osmo treffen. Sie würde das schon irgendwie überstehen, aber dieser Kerl tat ihrer Freundin offensichtlich gut. „Ich denke wir kommen um das 4er Date heute nicht herum oder?"
Erneut zuckte Anna mit den Schultern. „Na ja... ich kann mich auch allein mit Osmo treffen, aber irgendwie... wäre das falsch...“
„Ach nö find ich gar nicht. Aber du hast Recht, Riku war gestern so ... toll und er hat es verdient ihm eine Chance zu geben." den letzten Satz hatte sie geflüstert und guckte ihre Freundin aus großen Augen an. „Wenn wir pünktlich kommen wollen, sollten wir wohl bald panisch im Wohnzimmer stehen und feststellen, dass wir nichts zum Anziehen haben, oder?“
„Wir und nichts zum Anziehen? Das ist nicht dein Ernst, Lexy!“ Anna lachte los und zog die Freundin mit ins Schlafzimmer. „Na los, zeig mir, was du dir vorgestellt hast und dann such ich was für dich aus!“ Sie lachte auf und war schon wieder mit ihren eigenen Sachen beschäftigt, um das richtige Outfit für das Treffen mit den Jungs rauszusuchen.
Unschlüssig stand die junge Frau vor ihrem Schrank und zog sich eine hellblaue Jeans aus dem Stapel.
"Was hältst du von der Hose mit einem weißen Oberteil?"
„Wie unschuldig...“ Anna verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Die Jeans ist ja okay. Aber nichts Weißes, bitte!“
Lexy zuckte mit den Schultern. „Meine nächste Wahl würde dir auch wieder nicht gefallen, also selbes Spiel wie gestern. Bitte guck selbst."
Sie trat wieder an die Seite und beobachtete Anna die brummend ihren Schrank durchwühlte.
„So wird das nichts!“ Anna schüttelte den Kopf und kramte wie wild in Alexandras Schrank. „Hast du nicht irgendwas mit etwas mehr Ausschnitt und ohne so einen schrecklichen Rollkragen?“ grummelte sie vor sich hin, bis sie endlich einen smaragdgrünen Kapuzenpulli aus dem Schrank fischte, der zwar weit ausgeschnitten war, aber mit einem Bändchen noch leicht zugeschnürt wurde und damit nicht zu viel Einsicht gewährte. „Den hab ich dir mal geschenkt. Hast du den jemals an gehabt?“
„Ja ähm... Ich glaube das eine Mal als wir zusammen Schlittschuhlaufen waren..." stammelte Lexy verlegen und griff nach dem Pulli um ihn anzuziehen. „Du willst echt, dass ich Riku den Kopf verdrehe oder?" fragte sie als sie alles zurecht rückte.
„Hast du doch eh schon! Warum also nicht noch weiter?“ Anna lachte und widmete sich dann ihrem eigenen Outfit. „Aber heute stehe ich auch vor dem Problem, was ich anziehen soll. Ich würde ja gern meine Stiefel... aber... für das Strickkleid dürfte es eindeutig zu kalt sein. Selbst mit einer dicken Strumpfhose. Meinst du nicht?“ Sie seufzte leise und warf ein Teil nach dem anderen aus ihrem Koffer aufs Bett.
"Stimmt, aber es steht dir echt gut. Sonst müssen wir versuchen nur kurze Wege draußen zu gehen und uns mehr drinnen aufzuhalten..." überlegte Lexy als Anna ihr das Kleid zeigte.
„Hm, okay... Aber ist das nicht vielleicht... too much? Schließlich will ich Osmo eben nicht den Kopf verdrehen. Er hat ja seine komische Veera...“ fragend zog Anna sich das Kleid über und präsentierte es Lexy nachdenklich.
„Und wenn schon." winkte sie ab und grinste. „Was ich so von ihr und der Beziehung mitbekommen habe, läuft es da eh nicht so gut. Da hat er den Anblick meiner hübschen, umwerfenden und sexy Freundin doch verdient." Dann schaute sie auf die Uhr und schob Anna zur Tür damit sie noch den Bus bekommen würden. „Na, gut, wenn du meinst... Auf ins Gefecht!“
Anna tänzelte die ganze Zeit um Lexy herum und zeigte deutlich, wie gut ihre Laune tatsächlich war. Sie war gelöst, wie schon lange nicht mehr. Und schuld daran war nicht nur der Besuch bei ihrer besten Freundin, sondern insbesondere dieser verrückte Finne Osmo, den sie erst seit wenigen Stunden kannte, der ihr aber trotzdem schon so sehr ans Herz gewachsen war.

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