Kapitel 16

215 17 0
                                    

Der junge Musiker drückte sie an sich und fing an ihr von Veera und ihm zu erzählen.
„Und deswegen ist sie am Freitag mit einer Freundin weg gefahren. Wir wollten ein bisschen Abstand voneinander, um uns über Gefühle und Absichten klar zu werden. Aber selbst so lässt sie mich nicht in Ruhe, sie bombardiert mich mit SMS und Anrufen die ich, seit sie weg ist, hartnäckig ignoriere. Diese Frau macht mich wahnsinnig." schloss er traurig und seufzte leise.
„Klingt nicht so, als ob eure Beziehung noch eine vernünftige Grundlage hätte!“ Anna kräuselte ihre Stupsnase und legte den Kopf nachdenklich zur Seite, wobei sie Osmos Schulter mit ihrer Stirn berührte. „Vertraust du ihr denn noch?“
Die Nähe der jungen Frau tat ihm unglaublich gut und er wollte sie erst mal nicht aus seiner Umarmung lassen. Gedankenverloren spielte er mit ihren Haaren und überlegte was er sagen sollte.
„Nein im Moment vertraue ich ihr nicht. Ich ertrage ja nicht mal ihre Nähe und das finde ich schon erschreckend."
Noch immer nachdenklich nickte sie und murmelte dann traurig: „Aber... wenn du ihr nicht mehr vertraust... was habt ihr dann für eine Zukunft? Vertrauen ist doch das Wichtigste in einer zwischenmenschlichen Beziehung. Vielleicht sogar noch wichtiger als Liebe, weil es einfach so grundlegend ist...“
Osmo senkte den Kopf und konnte so den Duft von ihrem Shampoo riechen. Er blinzelte und räusperte sich.
„Wahrscheinlich haben wir keine Zukunft. Ich werde das Gespräch am Montag abwarten und dann ist denke ich eine Entscheidung fällig." murmelte er und leise in ihr Ohr und schluckte.
„Dann wünsche ich dir für deine Entscheidung, dass dein Herz dir den richtigen Weg zeigt!“ Ihre Stimme war kaum mehr, als ein Flüstern, als sie ihre Arme liebevoll um ihn legte, um ihm so ein wenig Halt zu geben.
Sie wusste nicht einmal genau warum er ihr den Eindruck vermittelte, dass er diesen Halt brauchte, aber dennoch wollte sie ihm wenigstens das zurückgeben, was er ihr auf gewisse Art und Weise schon den ganzen Abend gab.
„Danke Anna. Ich weiß nicht wie du es machst, aber es fühlt sich gut an mit dir zu reden."
Er genoss ihre Nähe und Wärme und fühlte sich dennoch ein bisschen schuldig. Er hatte selbst bei so einer freundschaftlichen Umarmung ein schlechtes Gewissen gegenüber Veera und fragte sich erneut, warum sie es geschafft hatte ihn zu betrügen.
Plötzlich konnte er Annas Zittern fühlen und strich ihr über den Rücken. „Ist dir kalt? Wollen wir wieder rein gehen und da weiter reden?"
Erleichtert lächelte sie zu ihm auf und nickte. „Es ist zwar schön, wenn du mich wärmst, aber es ist trotzdem so irre kalt hier bei euch in Helsinki. Das bin ich einfach nicht gewohnt!“ lachte sie leise und hielt ihre eiskalten Finger an seine Wange.
Er lächelte, nahm ihre kalten Hände in seine, rubbelte sie ein bisschen und pustete in ihre Handflächen.
„Besser?" fragte er und schaute über ihre Hände direkt in ihre Augen.
„Viel besser...“ wisperte sie zurück und hielt seinem forschen Blick stand.
Seine Augen fesselten die junge Frau regelrecht und sie war für einen Moment weder in der Lage etwas zu sagen, noch sich irgendwie zu bewegen, sondern ließ sich einfach so von Osmo weiter festhalten, wie zuvor. So standen sie einfach voreinander, Osmo hielt immer noch ihre Hände fest und konnte den Blick nicht von Anna abwenden. Seine blauen Augen funkelten sie an und die Idee wieder in die Bar zu gehen war in weite Ferne gerückt.
Wie in Zeitlupe und ohne sie loszulassen steckte er eine seiner Hände in seine Manteltasche. Mit der anderen, strich er ihr mit dem Daumen über die Wange, wanderte weiter um ihr eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen und vergrub seine Finger in ihren Haaren im Nacken.
Als Anna seine Finger dort spürte, drängte sie sich noch näher an ihn und eine Gänsehaut raste über ihren ganzen Körper. Wie konnte dieser Mann vor ihr nur ahnen, dass sie im Nacken derart empfindlich war? Der Gedanke war jedoch schnell wieder vergessen, als sie mit ihren eigenen Fingern sanft über die Konturen seines Gesichts strich und dabei unentwegt in seine blauen Augen sah, die sie noch immer gefangen hielten.
Da war es wieder, dieses Gefühl welches der junge Mann bereits hatte als Anna gestolpert war. Jetzt, da er Anna so deutlich spürte, war er machtlos und konnte sich nicht mehr gegen wehren. Er griff nach ihrer Hand, führte sie an seine Lippen und küsste sanft ihre Fingerspitzen. Dann umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen, bemerkte dass sie ihre Augen schloss und berührte ihre Lippen zögerlich mit seinen.
Allein diese Berührung reichte aus, dass auch Anna etwas mutiger wurde und die Finger ihrer Hände in seinen Nacken wandern zu lassen, um ihn noch weiter zu sich herunter zu ziehen. Es war, als hätte diese Berührung all ihre Zweifel der letzten Tage und Wochen weggewischt und nun konnte sie diesen Kuss endlich wieder vollkommen frei erwidern und genießen.
Er hatte das Denken abgestellt, alle Sorgen und der Schmerz der letzten Wochen und Monate waren auf einen Schlag weg und er war nur noch im Hier und Jetzt. Dieser Kuss, mit dieser Frau, war im Moment alles was Osmo wollte und es war schön, dass er erwidert wurde. Vorsichtig schob er seine Zungenspitze ein wenig vor und bat so um Erlaubnis sie noch mehr schmecken zu dürfen.
Da auch bei Anna sämtliches Denkvermögen ausgesetzt hatte und sie sich einfach nur noch davon leiten ließ, wie gut sich dieser Kuss anfühlte, öffnete sie leicht die Lippen und gewährte Osmos Zunge so den gewünschten Einlass. Nun war es ganz um Osmo geschehen, er zog sie einfach mit um sich mit den Rücken an die Wand des Pubs zu lehnen. Dieser Kuss machte seine Knie weich und er stöhnte leise auf als er ihre Zunge spürte. Er hatte seine Hände von ihrem Gesicht gelöst und umfasste nun ihre Hüfte um den Abstand zwischen ihnen noch weiter zu verringern.
Er war so in diesem Kuss gefangen, dass er nicht einmal mitbekam wie Samu die Tür öffnete um eine zu rauchen. Als der Blick des Sängers auf seinen knutschenden Freund fiel, umspielte ein wissendes Lächeln seine Lippen und er zog sich leise wieder zurück. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ er sich im Pub neben Riku und Lexy, die in ihrem Austausch kleiner Zärtlichkeiten für einige Minuten einmal inne hielten, auf einen Stuhl fallen und zuckte vielsagend mit den Augenbrauen, als beide ihn fragend ansahen.
Lexy griff nach ihrem Glas, nahm einen großen Schluck und legte den Kopf etwas schief.
„Wo sind denn Anna und Osmo?" wollte sie von dem blonden Sänger wissen und runzelte die Stirn. Samus Augen blitzten auf und er grinste.
„Och die beiden sind draußen und ... ja... reden." beschrieb er die Situation und zwinkerte den Beiden vor ihm zu.
Dann wurde seine Aufmerksamkeit von jemandem abgelenkt der weiter hinten stand, seinen Namen rief und ihm zu winkte.
„Entschuldigt ihr mich bitte? Ich glaube mein Typ wird dahinten verlangt." sagte er und stand wieder auf.
„Sie reden? Also Samus Gesichtsausdruck sah jetzt nicht so aus, als dass sie nur reden würden...“ Riku sah seinem Kumpel irritiert nach und dann erst Lexy wieder an.
Die junge Frau schaute zwischen der Tür, Riku und Samu hin und her und überlegte was sie machen sollte. Sie ging davon aus, Osmo würde Anna nichts antun was sie nicht wollte und sie hatte das Gefühl der Musiker tat ihrer Freundin gerade ganz gut. Riku war schon dabei auf zu stehen, Lexy legte ihm aber ihre Hand und den Oberschenkel und drückte ihm zurück auf dem Stuhl.
„Lass sie... Ich glaube wir sollten da jetzt nicht stören."
„Meinst du? Ich meine... ach... egal... ich sollte mich nicht in die Dinge anderer Leute einmischen. Vor Allem nicht, wenn ich mich viel lieber dir widmen sollte...“ Er grinste und drückte Lexy einen Kuss auf die Stirn, als er sie in seine Arme zog und ihr ins Ohr flüsterte: „Ich glaube so schnell, wie du, hat es noch keine Frau geschafft mein Herz zu öffnen...“
Sie saß sowieso nicht sicher auf ihrem Stuhl und als er sie in seine Arme zog verlor sie ihr Gleichgewicht und drohte von ihrem Stuhl zu fallen. Sie quietschte erschrocken auf und griff hilfesuchend nach Riku. In der Fallbewegung jedoch zog Riku sie weiter zu sich und setzte die junge Frau einfach auf seinen Schoß.
„Ich hoffe meine Worte haben dich jetzt nicht so umgehauen!“ witzelte er, um von seiner eigenen Anspannung abzulenken, die er schon seit ihrer zärtlichen Küsse verspürte.
„Eigentlich haut mich so schnell nichts um." nuschelte sie, versuchte auf Rikus Schoß eine bequeme Position zu finden und hielt sich dann an seinem Arm fest.
Seine Nähe und sein Duft berauschten sie geradezu und sie atmete ein paarmal genau diesen Duft tief ein. Sie war ihm jetzt noch näher, als bei den Küssen bisher und als sie in sein Gesicht schaute merkte sie erst, dass sie auf Augenhöhe zusammen saßen.
„Sicher?“ wisperte er leise zurück und näherte sich zum wiederholten Male ihren Lippen mit seinen, um sie in einen zärtlichen Kuss zu verwickeln.
Er wusste wenn er jetzt zu stürmisch oder zu forsch ran ging, würde er sie verschrecken, deshalb beließ er es dabei sie zurückhaltend und sacht zu küssen. Lexy schloss ihre Augen, stützte sich mit einer Hand auf Rikus Brust ab und legte die andere auf seine Schulter. Ihr Daumen strich zaghaft über die weiche Haut zwischen Hals und Ohr während seine Lippen ihre vorsichtig streiften.
So vergingen Minuten, vielleicht sogar Stunden, bis Samu die Beiden auseinander riss:
„Ich störe ich zwei Turteltäubchen ja nur ungern, aber die möchten gern schließen und bitten uns zu gehen...“ Er stand mit in die Hüfte gestemmten Händen da und sah ein wenig aus, wie ein Kommandant, den Riku nur anblinzelte und dann enttäuscht schnaufte.
„Die Zeit ging viel zu schnell rum...“ wisperte er und sah Lexy tief in die Augen. „Sehen wir uns morgen... äh... später noch mal, oder... wollen wir jetzt noch eine Runde um den Block gehen, oder so...?“
Verwirrt versuchte Lexy in die Realität zurück zu kommen und brauchte einen Moment um zu verstehen was Samu ihnen gerade gesagt hatte.
„Ist es schon so spät?" fragte sie und schaute sich in der leeren Bar um.
Dann wendete sie sich wieder Riku zu. „Lass uns erst mal sehen was Anna und Osmo treiben und dann weitere Pläne machen okay?"
Riku nickte und half Lexy erst in ihre Strickjacke und dann an der Garderobe in den dicken Mantel, bevor sie gemeinsam mit Samu vor die Bar traten und sich nach Osmo und Anna umsahen. Lexy guckte nach rechts und sah die beiden sofort in einer eindeutigen Situation. Sie zeigte den beiden Finnen mit einer Geste, dass sie dort warten sollten, ging zu den beiden hin und tippte Anna auf die Schulter.
„Anna Liebes, wir wollen langsam los."
„Was?“ Anna löste sich nur wiederwillig aus Osmos Armen und sah erst zu Lexy und dann zu dem Finnen auf, während sie hochrot anlief. „Lexy... ich...“ Sie hielt inne und biss sich beschämt auf die Unterlippe, bevor sie sich leicht von beiden weg drehte.
Auch Osmo wollte Anna nicht los lassen und runzelte die Stirn über die Störung. Dann entdeckte er Alexandra und seine Freunde und schaute erst mal betreten zu Boden. Lexy hatte sofort das entspannte und glückliche Gesicht ihrer Freundin gesehen und zog sie grinsend in ihre Arme. „Erzähl mir später davon und ich will jedes Detail wissen. Und bevor du fragst, es ist okay für mich solange es gut war." flüsterte sie ihr leise ins Ohr und schob sie dann wieder etwas von sich um ihren Blick zu suchen.
Darin funkelte immerhin wieder ein Funken Zufriedenheit und Glück, der in den letzten Tagen nicht mehr da gewesen war und ein kurzer Blick Annas zu Osmo verriet ihr, dass es ihm zumindest für den Moment ähnlich ging.
„Ja... wir... müssen dann wohl los...“ murmelte sie und wirkte trotz aller Glücksgefühle leicht unsicher, wie sie sich nun von ihm verabschieden sollte.
Samu hatte bereits in der Bar ein Taxi gerufen welches jetzt vor ihnen hielt. Der Sänger guckte Osmo und Riku fragend an als er die Tür öffnete.
„Kommt ihr mit?" Riku grinste, als er Lexy in Richtung des – glücklicherweise – Großraumtaxis schob.
„Wenn du damit leben kannst, dass wir erst noch Lexy und Anna wegbringen. Um die Uhrzeit fährt doch nichts mehr!“ brummte er und ließ die Mädels und auch Osmo einsteigen, bevor er sich zu Lexy setze, die dem Taxifahrer schon ihre Adresse nannte.
„Auf geht’s!“ gähnte Samu und lehnte sich mit geschlossenen Augen nach hinten, um ein wenig zu dösen.
Die Anstrengung des Tages zeigte sich auch bei Lexy und sie spürte schlagartig wie müde und kaputt sie war. Sie streckte sich ein bisschen und lehnte sich dann bei Riku an. Sie hatte keine Ahnung wie es weiter gehen sollte und ob sie das Richtige getan hatte. Im Moment wollte sie da aber noch nicht drüber nachdenken, viel zu schön war es sich an diesen Mann zu kuscheln und alles weitere würde sie mit Anna besprechen.

I'm gonna win this little gameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt