Kapitel 43 - Schrecklicher Anblick

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Shou 

Viele Wachen gab es hier unten nicht, und wenn waren sie schlecht ausgebildet. Problemlos konnte ich mich von hinten an sie ran schleichen und ihnen ihre verfickten Hälse umdrehen. Können gleich bei Der Exorzist mitspielen mit dieser neu erworbenen Anatomie. Ihre Gewehre nahm ich nicht an mich. Sie waren zu laut und zu schwer. Die Schlagstöcke würden sich jedoch als nützlich erweisen. 

Viele Gänge gab es hier nicht, und auch fand ich keine weitere Drachen. Man konnte sagen, alle Wege führten nach Rom - in diesem Fall jedoch eher zur Arena. Es war immer schwerer aufkeimende Erinnerungen zu verdrängen, und mit jedem Schritt den ich tat, kroch die Angst höher. Die Menschengespräche wurden lauter und ebenso die Kampfgeräusche und der Geruch nach Blut. Taylor schrie erstick auf und ein gewaltige Wucht wurde gegen die Wand geschleudert hinter der ich gerade stand. Ich hoffte es war nicht der rothaarige der gerade gegen die Wand geschleudert wurde. 

Nach wenigen weiteren Metern kam ich an den Eingang der vermeidlichen Arena. Er war unbewacht und war ein eisernes Tor. "Na wenn das nicht Goldi ist. Will wohl seinen Freund retten" vernahm ich eine dreckige Lache und drehte mich um. Da standen die beiden Männer die eben Taylor mitgenommen habe. Den Lauf ihrer Waffen auf mich gerichtet. 

Sofort erhärtete sich meine Haltung und ich funkelte sie angriffslustig an. "Eine falsche Bewegung und ich schieße dir deine Klöten weg" drohte einer und kam einen Schritt näher. Das wäre ziemlich unvorteilhaft. Ich wich also ein Stück zurück und drehte mich etwas mehr seitlich zu ihm. "Du willst doch bestimmt da rein. Dann sei brav und wir machen für dich das Tor auf." grinste mich der zweite dreckig an und schlenderte langsam zu einem Rad mit ner Kette. Wird wohl der Mechanismus zur Öffnung sein. "Fein, aber bleibt in der Nähe. Nachdem ich da drinnen jeden getötet habe, seid ihr dran." knurrte ich leicht, doch mehr als ein verächtliches Lachen bekam ich nicht. 

Um ehrlich zu sein,hatte ich gewaltige Angst. Ich habe gesehen was solche wild gewordenen Drachen mit meiner Mama angerichtet haben, und ich dachte sie sei stark. Was wenn ich auch sterbe? 

Daran durfte ich nicht einmal denken! Ich werde schon nicht sterben. 

Das Tor begann sich hinter mir leicht zu heben, die Kampfgeräusche der beiden Drachen wurden deutlicher und ebenso der bestialische Gestank nach Tod. Keiner würde freiwillig darein gehen. Keiner aus Zephyr oder ich. Und wenn es mein Vater geschafft hat, dann schaffe ich das auch. 

Mutig drehte ich mich um und huschte ins Innere der sandigen Arena. Das Tor fiel hinter mir wieder zu Boden. "Oh wie es aussieht haben wir einen Überraschungsgast" kündigte mich eine schmierige Männer an. Ich blendete die Menschen auf ihren Rängen aus. Meine Aufmerksamkeit lag allein auf Taylor, der sichtlich um sein Leben kämpfte. Er war erschöpft,  verletzt und langsam. Sein Gegner war genau das Gegenteil. Ein Wyrm, wahrscheinlich dem Wasserelement angehörig aufgrund der blau gefärbten Schuppen und den Schwimmhäuten zwischen den Krallen. 

Ein gefährlicher Gegner für einen Feuerdrachen und durch den wendigen Körper in einem so kleinen Kampfbereich in einem enormen Vorteil. Jetzt bin ich aber da und zusammen verarbeiten wir diesen verrückten Drachen zu einer Handtasche. Besagter Drache bemerkte mich nun auch. Seine blaue grünen Augen nahmen mich in Visier und er fauchte bedrohlich. "Shou?" keuchte Taylor erschöpft und verwirrt als er mich sah. "Zusammen schaffen wir das Tay! Ich lass nicht zu, dass man dich mir nimmt" erklärte ich ihm ehrgeizig und erkannte wie erleichtert er wirkte. "Halt mir den Rücken frei" bat ich, da der Wyrm bereits Anstalten machte mich anzugreifen. Taylor nickte knapp und nahm wieder mit neuer Stärke den Kamp gegen den Drachen auf. 

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf meine Verwandlung. Die Betäubungsmittel verzögerten den Prozess erheblich. Die Schmerzen dauerten viel länger an und die Knochen brachen nicht mehr ganz so einfach. Es war wirklich grauenvoll, doch notwendig. 

Kurz bevor ich den kritischen Punkt überwand, riss mich ein schmerzverzerrtes Brüllen aus meiner Konzentration. Ich öffnete meine Augen und meine Verwandlung stoppte augenblicklich. Meine Haut war bereits an einigen stellen gerissen und Federn stachen hervor. Eine blutige Angelegenheit, doch nicht so blutig wie der Anblick der sich mir bot. 

Taylor lag am Boden, sein einer Flügel war heftig zerrissen und wahrscheinlich gebrochen. Der Wyrm hatte seine schmale Schnauze in das Fleisch meines Freundes gebohrt und wühlte anscheinend darin rum. Taylor versuchte ihn irgendwie von sich zu kriegen, oder sich aus der Situation raus zu winden, doch schatte es nicht. Wie eine Schlange hatte sich der feindliche Drache um ihn geschlungen und zerdrückte langsam seinen Körper. Es sah wirklich nicht appetitlich aus. 

Die qualvollen Schreie von Taylor übertönten alles um mich herum und zerrissen mich innerlich. Mein Körper jedoch war wie gelähmt und ich konnte nur machtlos und voller entsetzten zu schauen, wie der Wyrm jedes Organ einzeln herauszog. Es war erschreckend wie lange Taylor gegen den Tod ankämpfte, schrie und zappelte - ehe er endlich starb. Meine Augen waren geweitet, mein Herzschlag langsam und eine Kälte schlich sich in meine Knochen. Wie eine Tomate zermatschte der Drache das herausgerissene Herz meines Freundes zwischen seinen Zähnen. 

"NEIN!" schrie ich aus Leibeskräften und sank auf meine Knie. Ich habe es nicht geschafft. Ich kam zu spät. Hätte ich mich doch eher verwandelt! Unter Tränen verwandelte ich mich dann doch schließlich, doch konnte ich mich kaum auf den sich nähernden Drachen konzentrieren. Meine Blicke klebten auf den Leichnam meines einzig verbliebenen Freundes. Ich bin wirklich nutzlos. Nicht einmal ihn konnte ich retten. Ich versagte auf ganzer Linie. Erst Linus und nun auch er. 

"SHOU ACHTUNG!" riss mich plötzlich eine Stimme aus meinem Selbstmitleid. Ich fand das Augenpaar sofort. Angst durchtränkte grüne Smaragde sahen mich von der Brüstung aus an. Die Zuschauerränge waren mehrere Meter hoch, und genau dort stand er. Maxime. In diesem Fall mein Schutzengel. 

Ich wich noch gerade so einem Angriff des Wyrms aus und wich etwas zurück. Meine Gedanken waren jedoch immer noch benebelt. Ich wollte in Ruhe trauern und mich nicht um das Leben meines Schatzes und mein eigenes Kümmern. 

Ein Schlag traf meinen Kopf, ich taumelte. Ein weiterer bohrte sich in meine Seite. Der Boden fing mich unsanft auf. Schmerzen durchzogen meinen Rücken, meine Beine. Ich erkannte die schlangenähnliche Silhouette über mir, die vier kurzen Beine auf mir und die Krallen in meinem Fleisch. 

"SHOUUUU!" schrie er wieder und benebelt hob ich meinen Kopf. Was macht dieser Idiot denn da? Nicht ganz begreifend, was er vor hatte, beobachtete ich Maxime dabei wie anfing über die Brüstung zu Klettern. Er zitterte als er darauf stand und zu mir runter sah. Wollte er springen? 

Tatsächlich wollte er, ich sah wie er sich zum Sprung bereit machte, doch kurz bevor er sich im Fall befand, durchstach ein Schwert von hinten seinen Brustkorb. Die Blutüberströmte Spitze stach vorne wieder raus. Maxime würgte Blut hervor, seine Blicke weiterhin auf mich ruhend, doch leer. Ich vernahm seinen Herzschlag nicht mehr. 

Der Schmerz seine Leiche zu sehen, übertrumpfte sogar meinen eigenen körperlichen Schmerz, denn so wie es sich anfühlte, wurde ich gerade ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Aber mein reißendes Fleisch war lang nicht so qualvoll wie der Gedanke daran, meinen eigenen Schatz nicht beschützt haben zu können. 

Ich bin wirklich wertlos und verdiene nichts anderes. 

Mein Kopf fiel mit einem stumpfen Geräusch zu Boden und durch einen Schleier aus Nebel konnte ich noch sehen wie der leblose Körper meines Reiters, meines Freundes, zu Boden fiel. Ich streckte kraftlos eine Pfote nach ihm aus, doch die Dunkelheit nahm mich ein. Ich versank in ihr und die Schmerzen waren endlich verschwunden. 

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