Kapitel 26 - lebende Leiche

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Shou

"Maxime! VERDAMMT KOMM ZU DIR!" schrie ich und rüttelte den schwarzhaarigen heftig an seinen Schultern. Sein Blick blieb unverändert und ging in die Leere.  Ich ließ von ihm ab und fuhr durch mein Haar. Ich drehe durch. 

"Ihn anzuschreien bringt auch nichts" warf sein komischer Freund an und schob sich in Max Blickfeld. Ich brummte leise über seinen Kommentar. "Hey, Kumpel. Erkennst du mich?" fragte er den Schwarzhaarigen vorsichtig, worauf er nur ein knappes Nicken bekam. 

Ich ließ mich erschöpft auf dem Stuhl zurückfallen. Wir hatten uns im Klassenzimmer versammelt, da hier alle genug Platz hatten und Ruhe dazu. Ich war so verzweifelt, dass ich selbst seine menschlichen Freunde zur Rate zog.

Sogar Blondchen! Dafür schuldet er mir was! Ich durfte mir jetzt schon zwei Stunden ihre Flirtversuche geben. Gleich gebe ich ihr auch was zurück, ein Stück Blei, direkt in ihren rechten Hirnlappen. 

Niklas versuchte auf ihn einzureden, doch er verzog nicht eine Miene. Er antwortete wie ein Roboter auf die Fragen, ohne Gefühl oder Anteilnahme. Das machte mich wahnsinnig. Warum ist er nicht vom Fluch erlöst? Wir haben diesen Wichser getötet. 

Gerade als ich wieder meine Stimme erheben wollte, wurde die Tür vorsichtig aufgemacht. Ich blickte dem platinblonden Schopf entgegen, der sich langsam in den Raum wagte. Seine sonst so strahlend blauen Augen waren blass, sein Gesicht war fahl und dunkle Augenringe zierten ihn. Seit Gestern hat er kein Auge mehr zugemacht, sitzt die ganze Zeit an dem Bett von Zephyr und betet zu Vater, alias Gott. 

Zephyr lebt noch, doch die Ärzte sehen schlecht. Er hat eine Menge Blut verloren und sich mehrere Knochen gebrochen. Mir brach es das Herz ihn so hilflos zu sehen, sowohl Zephyr als auch Aron.

"Und? Fortschritte?" fragte er vorsichtig und musterte einmal kurz jedes Gesicht. Ich schüttelte seufzend den Kopf. Meine Wut war mit den Gedanken an Vater verflogen. "Und bei euch?" fragte Taylor zaghaft und seine Blicke trafen immer nur flüchtig die von Aron. "Nicht gut" flüsterte der blondhaarige schon fast und senkte seinen Blick. Kurz herrschte eine bedrückende Stille, doch sie brach als Aron seinen Blick wieder hob und lächelte. Auch wenn sein Mund fröhlich schien, zeigten seine Augen was anderes. 

Ich erwiderte sein gekünsteltes Lächeln so gut es geht und mit mir auch die anderen. "Maxime" wand er sich an meinen Reiter und blieb vor ihm stehen. "Gib mir mal bitte deine Hand" bat er ihn und Maxime gehorchte. Er legte seine Hand in die von Aron und sah ihn abwartend an. Mein Dad schloss die Augen und legte seinen Kopf leicht in den Nacken. 

Ich kannte diesen Move. Er versuchte Maximes Zukunft zu sehen, doch es schien nicht zu klappen. Er öffnete seine Augen wieder und sah nach vorn. Seine menschlichen Augen waren verschwunden und die seiner Drachenform sind hervor getreten, gelb und stechend wie meine. Zwei dünne schwarze Schlitze zogen sich senkrecht durch die Mitte. Ehe ich jedoch diese Augen weiter studieren konnte, wurden sie wieder menschlich blau. Arons Augen streichten einmal durch die Anwesenden, suchte anscheinend irgendwas, doch fand es nicht. "Shou, komm mal bitte" bat er mich und winkte mich zu sich. Ich stieß mich vom Tisch ab und blieb neben meinem Vater und somit vor Maxime stehen. 

"Küss ihn." verlangte Aron worauf ich einen kleinen Schritt zurück wich. "Wow.. Dad ich weiß ja, dass du uns shippst und echt die hinterhältigsten Methoden benutzt um mich bloß zu stellen, aber ihn einfach so küssen weil du das willst? Ich denke nicht, dass ich das machen werde" entgegnete ich gleich ernst. Das ging mir dann doch auf einmal zu weit. 

"Nein aber ich habe gesehen wie ein Kuss ihn wieder zurück bringt" erklärte er schlicht. Ich blinzelte ein paar Mal. "Wir sind hier in keinem Disney Märchen Dad." wies ich ihn nochmal daraufhin. "Ich weiß Shou, aber wenn er einen funken Liebe spürt, wird er auch mit der Zeit wieder die anderen Gefühle erleben können." erklärte er mir sachlich und drehte sich zu mir. "Das ist idiotisch! Ich mach sowas nicht!" schnaubte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. Ich sehe wahrscheinlich gerade aus wie ein bockiges Kind, doch wisst ihr was? Ist mir egal! Ich küsse ihn nicht vor Augen aller. "Außerdem." setzte ich nach und versuchte wieder lockerer zu werden. "Liebt er mich nicht" ich lächelte triumphierend und reckte leicht mein Kinn. "Ich weiß, dass er es tut. " entgegnete mein Vater überzeugt und seine Augen bohrten sich in meine. Er schien die Geduld zu verlieren, denn er seufze einmal und fuhr sich einmal durch sein Haar. "Küss ihn, oder bring ihn um. Deine Entscheidung" stellte er mir die Wahl und wir zogen alle die Luft ein, bis auf Maxime. 

"Ihn umbringen?!" ich runzelte die Stirn und sah meinen Vater erböst an. Wie konnte er sowas sagen. "Hör zu Shou.. Die Geschichte von mir, ist zu lang um sie jetzt zu erzählen, aber allen Anschein ist es der selber Fluch dem Maik und Carla unterlag" erklärte er und sein Blick fuhr wieder zu Maxime. Ich kannte Maik, aber der Name Carla war mir neu. Bevor ich fragen konnte, fuhr er aber schon wieder fort. "Dieser Fluch, wird Maxime dazu bringen, dich zu hassen, dich töten zu wollen. Und wenn sie erstmal so weit sind, ist es verloren. Ihre Seele hält nicht stand und sie sind gefangen in ewigen Hassgefühlen, woraus sie nur mit dem eigenen Tod befreit werden können." erklärte er leise und schien in Gedanken weit in der Ferne zu sein. 

Verdammt... Ich konnte das doch nicht! 

Aron legte mir eine Hand auf meine Schulter. "Ich weiß, du hast Angst vor der Wahrheit oder vor Ablehnung, aber du willst doch deinen Reiter wiederhaben" appellierte er an meinen Verstand und seine blauen Augen sahen mich bittend an. 

Besser er als Blondchen. 

Ich trat langsam vor Maxime, der mich durch seine leblosen Augen musterte.  Na schön! Ist doch ein einfacher Kuss.. nicht mehr und nicht weniger. Heißt ja nicht gleich, dass ich ihn liebe oder so. 

Ich umfasste sein Gesicht und hielt seinem Blickkontakt stand. Ich schloss meine Augen und spitze meine Lippen. Ich merkte wie er versuchte auszuweichen, doch meine Hände gaben ihm keine Chance auf Flucht. Keine Sekunde später lagen unsere Lippen aufeinander. Ich hatte die anderen bereits ausgeblendet und hoffte auf eine Reaktion. Sie blieb jedoch aus. Als würde ich eine Wand küssen. 

Ich löste mich von ihm und sah neugierig in seine Blicke. Nichts hat sich verändert. Sie waren genauso kalt wie vorher. Er liebt mich also wirklich nicht. 

"Okay.. war ja klar, dass es nicht so einfach ist." murmelte Aron nachdenklich, und ich nahm meinen Blick wieder von Maxime. Blondchen sah ziemlich fertig mit den Nerven aus und auch Niklas und Nathan waren äußerlich sehr überrascht. Menschen eben. Sie verstehen nicht immer, dass es nicht schlimm ist das selbe Geschlecht zu mögen. Taylor hingegen war recht locker und beobachtete die Reaktion meines Reiters. 

Gab jedoch nicht viel zu beobachten. 

"Okay.. erstmal bringen wir ihn nach hause. In der Schule ist er eine zu große Gefahr für sich selber und andere. Wer weiß ob er Leute angreift die dir nahe stehen um dich zu verletzten" erklärte Aron bereits in Aufbruchstimmung. 

Ich war immer noch sprachlos über diese Erkenntnis. Er liebte mich nicht. Warum nimmt mich das so mit? Ich sollte doch eigentlich froh sein, dass es so ist. Er ist ein Mensch.. die lieben nicht so wie wir Drachen. 

Sobald was besseres kommt, lassen sie einen fallen. 

Ich verließ als letztes den Raum und begleitete Aron und Maxime. Ich will meinen Vater nicht allein lassen. Wer weiß auf was für blöde Gedanken er kommt. 

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