72. Kapitel

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Wie hypnotisiert sah sie es an. Der kleine Splitter glitzerte leicht, während einige Zentimeter über ihrer Hand schwebte.
Sie konnte ihren Blick nicht davon wenden.

,,Ginny?" Avarus kam auf sie zu. ,,Du hast ihn.", flüsterte er und blieb einige Meter vor ihr stehen. ,,Gib ihn mir."
Sie sah auf und trat zögernd einen Schritt vor.
,,Weiter.", flüsterte er. Sie sah immer wieder zwischen ihm und dem Splitter hin und her und alles in ihr schien sich dagegen zu sträuben einen weiteren Schritt vor zu gehen. ,,Komm her." Die flüsternd Stimme des Jungen vor ihr, halte in ihren Ohren und ließ sie langsam abdriften. Sie tat die nächsten zögerlichen Schritte.

Zitternd schloss sie die Augen. Ihr Verstand war wie weggeschlossen, jedoch schrie alles in ihr danach stehen zu bleiben.

,,Komm her, Kleine.", hörte sie wieder den Slytherin von ganz weit weg.
Eine Zeit lang stand sie einfach nur da, ihre offene Handfläche mit dem Splitter fest an ihre Rippen gepresst.

,,Gib es mir.", sagte er nun mit bedrohlicherer langsamer Stimme.

Ginny öffnete die Augen und ging die letzten Schritte. Ihre Hand streckte sich zitternd ihm entgegen. Ihr Wille, der inzwischen kraftlos seinen Worten ausgeliefert war, schien aufzugeben, als seine Faust sich um den Splitter schloss.
Eine zufriedene Miene breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Schweratmend fuhr Ginny hoch. Sie war von völliger Dunkelheit umgeben. Und lag zum Glück in ihrem Bett. Erleichtert sackte Ginny in sich zusammen.

Als die Erinnerungen von den letzten Tagen sie jedoch erreichten, riss sie erschrocken die Augen auf. ,,Was hab ich getan.", murmelte sie.

Scheiße! Sie hätte ihm nicht glauben dürfen! Von wegen dieser Zaubertrank erhöht die Überlebungschance deines Kindes!
Sie hatte ihre Freunde veraten! Das Zeitumkehrerstück hatte sie ihm zwar noch nicht gegeben, aber- Verdammt! Sie hatte ihm alles erzählt!

Plötzlich stockte sie. Warum war die Wirkung verschwunden?
Die schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. ,,Merlin! Das kann dir doch egal sein.", fauchte sie sich selbst an.

Er wusste alles. Alles! Er ist einer von Tom Riddle's besten Freunden! Er kann ihn warnen! Ihm alles erzählen!

Panisch sprang Ginny auf. Sie hatte alles zerstört! Ihretwegen würde Voldemort gewinnen und herrschen! Nur weil sie so naiv war!

Sie zitterte am ganzen Körper. Frische Luft. Sie brauchte jetzt klare Gedanken. Diese Vorwürfe brachten sie auch nicht weiter.

Sie zog sich eine Swearshirtjacke über und verließ den Gryffindorturm. Gerade als sich das Portrait hinter ihr schloss, sah sie zwei dunkle Kapuzengestallten auf sie zukommen. Erschrocken drückte sie sich in eine Nische. Hatten sie sie gesehen?!

,,Avarus! Das kannst du nicht machen!", erklang eine Stimme, ziemlich nah bei ihr. ,,Ich muss ihr den Trank eingeflößt haben, bevor sie morgen früh aufwacht und ihren eigenen Willen zurück hat!", erwiderte eindeutig Avarus Stimme.

,,Nein. Wenn wir im Gryffindorturm erwischt werden, dann weiß Dumbledore doch sofort, dass wir etwas mit dem Basiliskenangriff zu tun haben! Es ist zu riskant. Morgen wird eine Schülerin sterben. Du hast mir alles erzählt was ich wissen muss!"

Einen Moment war es still. Die beiden Jungen waren nun vor Ginny's Versteck getreten. Sie zog erschrocken die Luft ein. Avarus gegenüber stand niemand anderes als Tom Riddle höchstpersönlich.

Ein Gedanke durchschoss das Maädchen blitzartig. Beinah unbewusst tastete sie nach ihrem Zauberstab und zielte immer noch versteckt auf beiden Jungen. Ihre Lippen formten das Wort Obliviate. Als die beiden Jungen sich zu ihr umdrehten war es schon zu spät. Die abwesenden Blicke der beiden sahen scheinbar durch Ginny hindurch.

So schnell wie möglich huschte sie an ihnen vorbei und rannte die Treppe hinunter.

Erst als sie draußen Hogwarts angekommen war, hielt sie an.
Kühle Nachluft schlug ihr entgegen.
Sie zitterte am ganzen Körper. Erstmal lehnte sie sich schweratmend an die Steinwand.

Es hatte geklappt. Oder? Es musste geklappt haben! Ihr Blick wanderte nach oben in den sternenerleuchteten Himmel. Der Mond stand sichelförmig über dem Schloss, dass so unschuldig und ruhig wirkte.

Eine ganze Zeit verharrte sie so.
Minuten, Stunden? Sie wusste es nicht.

Erst lange später fragte sie sich, was sie nun tun sollte. Zum Gemeinschaftsraum zurück zu gehen traute sie sich nicht. Auch wenn die beiden schon weg sein mussten.

Kurzerhand beschloss sie draußen zu schlafen. Das ganze Schloss schien ihr plötzlich bedrohlich.

Nach kurzem herumlaufen beschloss sie nachzusehen, ob es die heulende Hütte schon gab.

Tatsächlich! Als sie die Peitschende Weide beruhigt und den Geheimgang überwindet hatte, kam sie in die alte Hütte.
Seufzend legte sie sich in das staubige Himmelbett und fand lange keinen Schlaf...

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