Kapitel 8
Ethan legte den Brief zurück auf den Tisch, kramte einen Gefrierbeutel aus einem Schrank und gab ihn ihr, damit sie die Karte darin verstauen konnte. Sie tat es, ohne dass er etwas sagen musste. Als das Beweisstück halbwegs gut gesichert war, nahm er wieder einen Schluck von seinem Bier.
„Das FBI kann nicht einfach irgendwo im Land auftauchen und Fälle übernehmen, wir müssen von den örtlichen, zuständigen Behörden angefordert werden", gab er zu bedenken. Er wollte ihr wirklich helfen, aber solange die innere Sicherheit des Landes nicht massiv bedroht wurde, konnte er nicht einfach irgendwo Leute ihrer Zuständigkeiten berauben.
„Vom Sheriff?", fragte sie und sah ihn wieder mit diesen großen grünen Augen an, in die er sich immer wieder zu verlieren drohte. Diese Frau würde ihn noch eine ganze Menge Selbstbeherrschung kosten und dass nicht nur, weil sie ihm jetzt schon so tierisch auf die Nerven ging. Es war eine merkwürdige Chemie zwischen ihnen, die er nicht ignorieren konnte.
Sie war schön. Sie war jung und sie war hier um ihn um Hilfe zu bitten. Eine Kombination, die jedes Männliche Ego am Schwanz gepackt hätte.
„Normalerweise, ja", knurrte er vorsichtig und musste sich dazu zwingen den Blick von ihr abzuwenden. Ihr Anblick beraubte ihm seiner Professionalität und die brauchte er dringend.
„Das bekomme ich hin." Er zog verwundert eine Augenbraue nach oben und forschte dann doch in ihrem Gesicht nach einer Antwort. Diese verdammten Augen. „Er ist die eine besagte Ausnahme und ich glaube, dass er vernünftig genug ist einzusehen, dass er dem Fall nicht gewachsen ist." Damit traute sie diesem Sheriff eine ganze Menge zu.
Seiner Erfahrung nach war es gerade für kleine Apartments eine Überwindung eine höhere Dienststelle einzuschalten.Viele fühlten sich durch die bloße Anwesenheit des FBI zurückgesetzt und leider nahm die allgemeine Bevölkerung sowas als Versagen war. Ethan aber wagte es nicht, ihrem Optimismus zu wiedersprechen. Sie schien sehr überzeugt und er vertraute ihrem Urteil. Er wusste zwar nicht wieso, aber so war es.
„Natürlich. Und dann muss ich von meinem Vorgesetzten auch noch offiziell diesem Fall zugeordnet werden." Das würde dann wohl die größere Herausforderung werden. Sein jetziger Boss war besagter Agent gewesen, dessen Position Ethan eingenommen hatte. Der Agent, der als Erster mit Alice zusammen gearbeitet hatte.
„Charles Croffort?" Ethan nickte, nahm ihr das leere Glas ab und stellte es in die Spüle.
„Er ist Ihr Onkel." Fast wäre ihm das Glas aus der Hand gerutscht, so erschrocken war er. Wie konnte sie das wissen? Niemand wusste von der Verwandtschaft zwischen Ethan und Charles, er war nicht wirklich sein Onkel, nur angeheiratet und mittlerweile wieder geschieden. Sie hatten es niemandem erzählt, denn keiner von beiden wollte sich den Vorwurf der Vetternwirtschaft gefallen lassen.
„Woher zum Teufel..." Sie unterbrach ihn, indem sie einen Zeigefinger hob. Vielleicht sollte er sich abgewöhnen in ihrer Gegenwart zu viel zu fluchen. Normalerweise konnte er sich auch zurückhalten, aber die Frau schaffte es mit ihrer bloßen Anwesenheit ihn seine Kontrolle vergessen zu lassen.
„Ahhh nicht! Ich will Sie nicht anlügen müssen und wenn Sie auf diese Frage tatsächlich eine Antwort erwarten, werde ich Sie anlügen! Ich denke, Charles ist kein Problem."
Jetzt wurde er misstrauisch.
„Wieso glauben Sie das?"
„Er wird mich mögen." Und bei diesen Worten strahlte sie ihn so ungerührt an, als würde nicht gerade ein Glas mit den Augen ihrer Großmutter neben ihr stehen, doch er würde sie ganz sicher auch nicht daran erinnern. Er wollte sich nicht ausmalen wie furchtbar das für sie sein musste. Deswegen konzentrierte er sich lieber wieder auf ihren Disput. Einen weiteren. Der wievielte war das mittlerweile schon oder zählte alles als ein Großer?
„Okay. DAS können Sie nicht wissen!"
„Ach nein und wieso nicht?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, was ihre Brüste leicht zum Wippen brachte und ihn an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Er musste diese Frau aus seine Wohnung bekommen und das schnell! Alleine die Tatsache, dass er wusste, er könnte sie problemlos packen und in sein Bett befördern, trieb ihm das Blut in tiefere Regionen seines Körpers. Es wäre so leicht und er war sich sicher, dafür sorgen zu können, dass es ihr sehr viel Spaß machte. Verdammt nochmal, was war nur mit ihm los?
„Weil sie keine Hellseherin sind und mein Onkel eigentlich niemanden wirklich mag. Es wird schwer diesen Fall von ihm zu bekommen." Und das war die reine Wahrheit. Alles. Charles war ein Stinkstiefel, zumindest hatte seine Tante, Charles Ex-Frau, keinen anderen Ausdruck für ihn. Er war nie besonders beliebt gewesen und hatte den Posten nur bekommen, weil er viel zu gut war, um ihn nicht zu befördern. Er mochte ein Stinkstiefel sein, aber er war ein verdammt guter Stinkstiefel. Man könnte jetzt sagen, Ethan war genauso, aber: Ethan war wesentlich umgänglicher als sein Ex-Onkel und das sollte was heißen!
„Ich sage Ihnen, es wird ganz leicht.", versprach sie mit dieser kindlichen Naivität, von der er fast genug hatte. Vielleicht war sie nicht naiv, sondern einfach optimistisch, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass es ihm auf die Nerven ging. Er mochte Frohnaturen um sich herum nicht und das war sie eindeutig. Sie hatte diesen Charakterzug zwar unter einer ganze Menge weiblichen Launen und Wut begraben, aber er war da. Was für ein Gegensatz. Ein nerviger Gegensatz, der ihm den Kopf schwindeln ließ.
„Wird es nicht. Ist das alles was Sie mithaben?", entschied er und zeigte dann auf die Tasche, bevor er sein halbvolles Bier abstellte und die Küche verließ. Sie folgte ihm unaufgefordert.
„Mein Wagen steht vor dem Gebäude. Und wenn Sie mich mit Charles reden lassen, dann..."
„Nein. Sie werden mit niemanden reden und Sie werden auch niemanden sagen, dass sie Alice sind. Bestenfalls sind sie ein Opfer, schlimmstenfalls eine Verdächtige. Sie werden sich ein Hotelzimmer nehmen, diesen Sheriff anrufen und niemanden bei seiner Arbeit im Weg stehen. Allen voran mir! Wenn Sie Hilfe wollen, dann auf meine Weise." Er griff nach seiner Jacke, seinen Autoschlüssel und wartete stumm bis sie nach ihm aus der Haustür getreten war, um die Tür abzuschließen, wo sie ohne zu zögern einfach weiter diskutierte. Brachte diese Frau den gar nichts zum Verstummen?
Meine Zunge würde es...und andere Körperteile...
„Sie wissen, dass ich nützlich sein kann." Nein, das wusste er nicht. Er wusste lediglich, dass er dringend eine kalte Dusche brauchte. Sie würde eine Ablenkung sein nicht mehr und nicht weniger. Da war er sich sicher. Denn selbst, nachdem er ihr nur für ein paar Sekunden den Rücken zugedreht hatte und sie dann wieder ansah – war er überwältigt. Und er hasste sie dafür. Sie war nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte, mit Sicherheit nicht. Aber sie hatte etwas an sich, dass ihn ansprach und ihm einfach keine Verschnaufpause gönnte. Es war geradezu absurd, wie er auf sie reagierte. Absolut übertrieben, als wäre er ein ausgehungerter Teenager und sie das erste Mädchen, das er je erblickt hatte.
„Wenn ich Fragen habe, werde ich sie aufsuchen", erwiderte er nur unbekümmert und drückte auf den Knopf des Fahrstuhls, wobei sich die Türen sofort öffneten und Selene zumindest den Anstand bewies, zu warten bis sie wieder geschlossen waren um ihn an zu zetern.
Meine Zunge ... oder Anderes...
„Ich bin keine verdammte Prostituierte, die sie aufsuchen können, wenn Ihnen danach ist! Jemand hat meine Großmutter und dann einen kleinen Jungen umgebracht und seine Leichenreste auf meiner Veranda entladen. Ich will dabei sein, ich will helfen!"
Beta: Zitronenlimonade
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Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1
Mystery / ThrillerSeit vier Jahren unterstützt Selene mit ihren Fähigkeiten unter dem Pseudonym Alice das FBI bei ihren Ermittlungen. Aber als eine Serie von grausamen Verbrechen ihre Heimatstadt in Angst und Schrecken versetzt, wird es persönlich. Selene muss einseh...