Kapitel 16
Nach einer halben Stunde sinnlosem herum Gewälze , gab sie es dann tatsächlich auf. Es war fünf Uhr morgens und ihr Körper gab ihr sehr deutlich zu verstehen, dass er etwas Erholung brauchte, doch nichts konnte sie dazu bringen wieder ihre Augen zu schließen. Nichts. Also konnte sie ebenso gut wach bleiben.
Als sie aus dem Schlafzimmer trat, hatte sie damit gerechnet Ethan auf der Couch vorzufinden, wo sie seinen Anblick kurz ohne schlechtes Gewissen hätte genießen können. Doch abgesehen von einem Kopfkissen und einer zerwühlten Decke, war da nichts auf dem Sofa.
Es klirrte aus der Küche. Selene folgte dem Geräusch und blieb kurz wie gebannt in dem Türrahmen stehen. Eigentlich sah sie nichts anderes als viel zu langes, unordentliches Haar, breite Schultern, die sich zu einer schlanken Hüfte verjüngten und die verstörende, viel zu tief sitzende Schlafhose. Sie spürte sofort wie ihr das Blut in die Wangen schoss, versuchte aber sich zur Ordnung zu rufen. Dieser Mann war nicht nur viel zu alt für sie, er war auch noch Polizist. Dass er so unheimlich sexy war, gehörte verboten. Dennoch wanderte ihr Blick automatisch zu dem einzigen Kleidungsstück, dass er trug. Die Hose verbarg viel zu wenig. Kräftige Oberschenkel, fester Hintern...In diesem Outfit stand Ethan am Kaffeeautomaten und drückte energisch einige Knöpfe. Selene schüttete sich innerlich und versuchte so schnippisch wie möglich zu klingen als sie die Stimme erhob.
„Kann ich auch einen haben?", fragte sie und Ethan drehte sich nicht einmal zu ihr um, während er nickte. Hatte er etwa gewusst dass sie hinter ihm stand und ihn beobachtete? Ahnte er, in welche Richtung ihre Gedanken abgedriftet waren? Das wäre unglaublich peinlich. Ein Mann wie er sollte in ihr nichts anderes als Respekt hervorrufen, verdammt!
„Wenn sie läuft, ja."
„Warum sollte sie nicht laufen?", fragte Selene und ging langsam auf ihn zu, um nachzusehen was er da eigentlich trieb. Ein Kaffeeautomat war keine Atomwissenschaft und er brauchte verdächtig lange dafür.
„Ich habe sie noch nie ausprobiert", sagte er und sah mit dunklen Augen auf sie herab, als sie an seiner Seite auftauchte. Für einen Augenblick sahen sie sich zu lange in die Augen und Selene konnte gerade noch verhindern, dass sich ihre Gabe aktivierte. Sie wollte keine intimen Details von ihm sehen, keine anderen Frauen, nicht wenn er ihr so nahe war. Wenn sie Fotos von Menschen benutzte bekam sie nie so emotionale Visionen, nicht so detailreiche, als wenn sie einer Person direkt gegenüber stand und es löste in ihr auch nicht so viel aus. Seine Affären hatten sie schon bei den Bildern von ihm wütend gemacht, wie würde es da erst sein, wenn sie es live in seinen Augen sah?
„Wo holen Sie sich sonst Ihren Kaffee?" Selene schob ihn etwas zur Seite, löste den Wasserfilter aus seinem Gefängnis und trat an den Wasserhahn um ihn aufzufüllen. „In einem vierundzwanzig Stunden Shop gleich um die Ecke."
Selene verzog das Gesicht zu einer missmutigen Grimasse, während sie darauf wartete, dass der Behälter sich füllte.
„Die sind doch sicher scheußlich."
„Mitten in der Nacht kann man nicht wählerisch sein", meinte er und nahm ihr den Behälter ab, als sie damit zurück zu ihm und der Maschine ging. „Bohnen sind irgendwo in den Schränken", sagte er und schien das Prinzip verstanden zu haben, denn er löste nun die Abdeckung für die Kaffeebohnen. Selene verkniff sich ein Kommentar über das >>irgendwo<<schließlich war das hier seine Küche, sollte er nicht wissen, wo alles steht? Sie riss ein paar Türen auf und entdeckte dann tatsächlich Kaffeebohnen, sowie eine ganze Sammlung an Pads für Cappuccino, Kakao und – oh, wunder – Tee. Alles noch immer hübsch verpackt in einem Korb mit Schleife und einem kleinen Schild auf dem Happy Birthday stand. Auf der Rückseite der Name Lindsey.
Selene knirschte etwas mit den Zähnen, sie wusste selbst nicht warum es ihr so missfiel, dass er ein Geschenk von einer Arbeitskollegin erhalten hatte. Und sie wusste nicht, warum das Gefühl wieder verschwand als ihr bewusst wurde, dass sein Geburtstag Monate her war und er es noch nicht einmal wirklich geöffnet hatte. Er hatte sich an dieses Geschenk nicht einmal erinnert, er war am vergangenen Abend wirklich der Meinung gewesen er hätte keinen Tee. Warum sollte er deswegen Lügen?
„Warum haben Sie sich jetzt nicht auch einfach einen geholt?" Selene riss die Folie des Körbchens auf, zerknüllte die kleine Karte in ihrer Hand und angelte sich einen Teebeutel heraus. Als sie die Schranktür wieder schloss, den Müll im Eimer neben sich entsorgte und sich mit den Bohnen und dem Teebeutel zu ihm drehte, blickte er sie durchdringend an. Er hatte sie beobachtet, wie sie ....oh, man. Ihre Wangen fingen erneut Feuer. Ihr T-Shirt war hochgerutscht während sie sich nach den Bohnen gestreckt hatte und Ethan hatte einen weiteren wundervollen Ausblick auf ihre Unterwäsche erhascht. Sie sollte sich dringend etwas anziehen.
Doch er sagte nichts dazu, ließ sich nicht einmal anmerken, dass er überhaupt hingesehen hatte, aber Selene wusste es. Sie sah es in seinen Augen. Nicht durch eine Vision, sondern weil darin dieses dunkle, gefährlich erotische Glitzern lag, das ihrem Körper zu verstehen gab, dass er sie wollte.
Er blieb ihr die Antwort schuldig, nahm ihr die Bohnen ab und riss die Tüte auf um sie in den Automaten zu füllen. Selene trat an ihn heran und tippte ihm mit ihrem Teebeutel gegen den Oberarm. Er sah von ihr zum Beutel und dann wieder zu ihr.
„Doch keinen Kaffee?", fragte er unnötigerweise. Selene lächelte ihn mit einem leisen Kopfschütteln an. „Beides", meinte sie und entlockte Ethan damit, zu ihrer eigenen Überraschung, ein kurzes Schmunzeln. Okay, vielleicht war es kein Schmunzeln, sondern eher nur ein Zucken in einem seiner Mundwinkel. Aber es kam einem Schmunzeln bereits gefährlich nahe.
„Wir sind also anspruchsvoll, ja?" Selene zuckte mit den Schultern und blinkerte ihn unschuldig mit ihren Augen an. Noch immer schlug der Teebeutel rhythmisch gegen seinen Bizeps und von einer Sekunde auf die andere lud sich die Stimmung zwischen ihnen auf. Als Selene es merkte stoppte sie in ihren Bewegungen, wollte gerade einen Schritt zurückmachen, doch es war zu spät. Ethan griff plötzlich mit beiden Händen nach ihrem Gesicht, hielt sie fest und beugte sich selbst herab. Der Kuss war fest und aufdringlich.
Selene war so überrascht, dass sie den Teebeutel fallen ließ und kurz erstarrte, als wüsste sie überhaupt nicht, was sie tun sollte. Als es ihr dann endlich wieder einfiel, griff sie nach seinem Handgelenk und wollte sich von ihm wegschieben, um zu protestieren. Doch anstatt sich abwimmeln zu lassen, zog Ethan sie nur wieder an sich und nutzte ihre geöffneten Lippen um mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen. Selene spürte wie sein Geschmack in ihren Körper eindrang, sich das angenehme Gefühl seines verlangenden Kusses in ihrem Körper ausbreitete und ihr die Knie weich wurden. Sie vergaß zu atmen, als er begann mit seiner Zunge über ihre zu streicheln und ohne ihr eine Chance einzuräumen, die Führung an sich riss. Selenes Lider wurden schwer und obwohl sie es besser wusste, schloss sie die Augen.
Gegen jede Vernunft erwiderte sie den Kuss. Zögerlich zunächst, dann nicht weniger verlangend als er selbst. Er stöhnte in ihren Mund, presste sich noch fester an ihr Gesicht und saugte an ihrer Zunge. Selene kam erst wieder zu Verstand, als einer seiner Arme sich um ihre Taille legte und er ihren Körper an seinen drückte. Sofort überlief ein Schauer ihre Haut, ihre Nackenhaare stellten sich auf und ihre Brustwarzen wurden fest, während er sie weiter küsste und nicht gewillt schien jemals wieder damit aufzuhören. Aber sie würde es beenden. Sie musste es beenden.
„Nicht", hauchte sie in seinem Mund, als sie kurz eine Gelegenheit dazu bekam. Aber Ethan hörte nicht, wenn überhaupt wurde er noch gieriger. Ihr Po stieß gegen die Tischplatte des Tisches, gegen die er sie geschoben hatte und als seine Hand an ihre Hüfte ihr T-Shirt höher zog, musste sie wirklich die Notbremse ziehen. Sie griff nach seiner Hand, die schon bedrohlich intim auf ihrer nackten Taille unter ihrem Shirt lag.
„Du hast es versprochen, Ethan", hauchte sie und das brachte ihn tatsächlich dazu innezuhalten und sie anzusehen. Er hatte es versprochen. Er hatte gesagt, er würde sie nicht anfassen. Sogar mit einer Spur von Sarkasmus, ganz so als wäre diese Vorstellung geradezu lächerlich und nun sah er mit diesem hungrigen Blick auf sie herab. Sie beide wussten, dass er ihr nichts aufgezwungen hatte, dass sie sich ebenso danach verzerrte wie er, aber das reichte nun einmal nicht. Es war einfach nicht angebracht.
„Ich habe ein paar Scheiß Tage hinter mir und wahrscheinlich noch sehr viel mehr vor mir. Ich will nicht das irgendetwas im Weg steht." Er sah sie lange einfach an, strich dann mit dem Daumen über ihre leicht geschwollenen Lippen und trat dann tatsächlich ein Schritt zurück.
„Bekommst du das Ding zum Laufen?", fragte er, ganz so als wäre dieser Kuss nicht geschehen. Selene nickte, dankbar für den Themawechsel.
„Gut. Dann gehe ich duschen", knurrte er und verließ die Küche, ohne einen weiteren Blick auf sie zu werfen. Selene war auch darüber froh ... und enttäuscht. Sie mussten einen Mörder finden und sie stand hier in der Küche und ließ sich von einem Mann küssen, der absolut tabu für sie war. Mist. Selene drückte wütend die letzten beiden Knöpfe, bevor der Automat mit den Vorbereitungen des ersten Kaffees begann und versuchte es zu ignorieren wie gut sich ihr Körper an seiner harten Brust angefühlt hatte. Sie waren sich doch erst vor ein paar Stunden begegnet und hatten sich von Anfang an gehasst. Es war fast so, als würde ihre Göttin sich über sie lustig machen.
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Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1
Mystery / ThrillerSeit vier Jahren unterstützt Selene mit ihren Fähigkeiten unter dem Pseudonym Alice das FBI bei ihren Ermittlungen. Aber als eine Serie von grausamen Verbrechen ihre Heimatstadt in Angst und Schrecken versetzt, wird es persönlich. Selene muss einseh...