Launen

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Kapitel 1:

Elendes Miststück.
Ethan McAllan schloss das Fenster zu diesem unheilvollen Chat und fuhr sich einmal frustriert durch seine – mittlerweile zu langen – dunkle Haare. Er wusste genau, dass diese Stichelei seine eigene Schuld war. Alice war ein geheimer Informant, der für seine Hilfe nie etwas verlangt hatte, aber bereits wenige Sätze hatten Ethan damals deutlich gemacht, dass sie dennoch etwas begehrte: Informationen, die Stillung seiner Neugier. Informationen, die Ethans Vorgänger ihr bereitwillig gegeben hatte, Informationen die er, seit der diese Einheit übernommen hatte, niemals weitergeben würde.
Dennoch arbeitete Alice weiter mit dem FBI zusammen, die Frage war nur, wie lange sie oder er das noch tun würde, wenn Ethan ihre Neugierde nicht stillte. Sie konnte sich ja nicht ewig damit begnügen seine Affären auszugraben und sich damit über ihn lustig zu machen.
„Ist er offline?", fragte Carsten Mengold, ein kleiner, dünner Mann von nur geringer Körpergröße, verwuschelten blonden Haar und viel zu großen blauen Augen. Seine Gesichtszüge waren fast mädchenhaft schön und er sah nicht älter als zwanzig aus, wenn Ethan so darüber nachdachte. Doch er war älter, älter und erfahrener, als man ihm auf den ersten Blick zutraute. Er war der Computerspezialist in ihrem Team und aus irgendeinem Grund war er davon überzeugt, Alice sei trotz des weiblichen Namens ein Mann und keine Frau.
„Statistisch gesehen, ist das sehr unwahrscheinlich", hatte er einmal als Argument hervorgebracht. Doch Ethan scherte sich wenig um Statistiken. Er spürte, dass Alice eigentlich eine Frau war. Eine neckische Frau, die es liebte ihn zu ärgern. Er biss sie Zähne zusammen und ließ seinen übelgelaunten Blick über den Raum gleiten.
Das Loch, wie es Carsten und sein Partner Dean nannten, war ein bis zu der Decke mit Elektronikzeug überfüllter Raum, wo es außer den Schreibtischen der beiden Spezialisten, die ebenfalls absolut überfüllt waren, nur diese eine Sitzgelegenheit gab. Sie war ein scharfer Kontrast zum übrigen Raum. Ein einziger Tisch: Glatt, Leer und zumeist unbenutzt – es sei denn er saß hier und schrieb mit Alice.
„Dean? Sag mir, dass du was hast." Der dunkelhaarige, füllige Asiat, der fast dem Klischee eines Nerds entsprach, prustete frustriert und nahm seinen bebrillten Blick nicht von seinen sieben Bildschirmen.
„Kannste' knicken, Alta. Miss Geheimnisvoll hat mich über einen Server in den Philippinen gejagt, wo sich ihre IP Adresse dreimal geändert hat. Hab sie aus den Augen verloren. Sie ist mega sexy", schwärmte Dean breit grinsend. Ethan konnte nicht viel Sympathie für den zweiundzwanzigjährigen Dean aufbringen, der nur hier war und ihnen half, um nicht wegen dutzenden Hackerangriffen lebenslang hinter Gittern zu landen. Verschwendetes Potenzial nannte es das FBI, Ethan war da anderer Meinung. Er mochte seine Art zu sprechen nicht.
„Wie immer hat er es geschafft uns abzuhängen, dieser Computer ist immer noch der einzige handfeste Hinweis auf seine Identität. Ärgerlich, aber wir geben nicht auf", meinte Carsten glücklich und nahm den Laptop entgegen, der ein >Slave< sein sollte.
„Zu einhundert Prozent ferngesteuert, immer wenn ich es schaffe in die Hardware einzudringen, rebootet Alice das gesamte System und schmeißt mich wieder raus. Als könnte er Gedanken lesen, wirklich unheimlich", hatte er einmal gesagt und Ethan damit zu verstehen gegeben, dass es unmöglich war in das System, in diesen Chatroom einzudringen und etwas herauszubekommen. Was anderes beherrschte der Computer nicht, er rief nur diesen absolut veralteten Chat auf, damit man sich unterhalten konnte. Das Gerät an sich zurückzuverfolgen war ebenfalls unmöglich. Er war neu gewesen, so wie man ihn vor vier Jahren überall in den Läden bekommen hatte. Alle Seriennummern waren unwiederbringlich entfernt worden.
Genau so war er dann hier angekommen. Ein unbeschriftetes Paket mit dem Poststempel einer Kleinstadt, nur eine ausgedruckte Karte war dabei gewesen: >>Lassen Sie sich helfen. Alice<< Und das hatte sie getan. Erst hatte sie Ethans Vorgänger geholfen, jetzt ihm. Und ihr Wissen schien allumfassend. Sie wusste Dinge, die sie nicht wissen durfte, nicht wissen konnte.
„Überprüft meine Wohnung und mein Büro, mein Handy alles noch einmal auf Wanzen", forderte Ethan die beiden Männer auf und erhob sich mit seiner großen Gestalt von dem geradezu zierlichen Stuhl. Das hatte er schon drei Mal angeordnet und immer war das Ergebnis negativ gewesen, doch irgendwoher musste Alice ja ihr Wissen über sein Leben beziehen. Carsten nickte ohne zu protestieren und Ethan verschwand aus dem Loch.
Das kleine Büro war wie immer quirlig und viele der Angestellten in diesem Teil des FBI Gebäudes huschten angespannt, ernst dreinblickend und absolut konzentriert von A nach B. Nur sein Team lächelte. Lindsey Hall, mit ihrer kaffeebraunen Haut, dem dominanten Auftreten und den dunklen Augen, warf Bobby einen scharfen Blick zu, als dieser versuchte Derek zum Lachen zum bringen. Lindsey war immer professionell und hatte nie ein Lächeln auf den Lippen, während Bobby nie sein helles Gemüt und seine Flirtlaune zu verlieren schien. Er hatte die beiden aus seiner alten Abteilung mitgebracht, als sich das alte Team aufgelöst hatte. Nur Derek hatte sich geweigert einen Schreibtischjob anzunehmen und seine Letzten Dienstjahre langsam angehen zu lassen. Er war tief in den Fünfzigern, strahlte eine Kompetenz und Ruhe aus, die das gesamte Team erdete und besaß so viel Erfahrung, dass Ethan ihn mehr als einmal um Rat gefragt hatte. Dennoch hatte Derek kein Problem damit, Ethan die Führung zu überlassen und war wahrlich eine Bereicherung für das Team geworden.
„Was ist so witzig, Bobby?", fragte Ethan ernst. Bobby, der eigentlich Adriano Levis hieß, war mexikanischer Abstammung, hatte dichte braune Haare und war nur ein Jahr jünger als Ethan. Er wusste nicht mal, wann sie angefangen hatten ihn Bobby zu nennen, aber es war einfach igrendwie hängen geblieben.
„Er wettet darauf, welchen Fall wir als nächstes bekommen", beantwortete Lindsey seine Frage, als seine Stellvertreterin hatte sie in seiner Abwesenheit die Leitungsbefugnis seines Teams. Er zog eine dunkle Augenbraue nach oben.
„Tatsächlich. Ist der Bericht für unseren jetzigen denn schon geschrieben, haben wir ein Geständnis? Eine Verurteilung? Ich denke erst an einen neuen Fall, wenn dieser abgeschlossen ist und das solltet ihr auch."
Er wusste selbst, dass dies Blödsinn war und als Lindsey die Stirn runzelte und ihn schweigend betrachtete, griff er nach seiner zerschlissenen Lederjacke und Motorradhelm. Natürlich war der Fall für sie abgeschlossen, sie hatten handfeste Beweise, die ein zweites Labor nur noch gegenprüfen musste und dann die gesamte Akte der Staatsanwaltschaft übergab. Der Mord war aufgeklärt. Das kleine Mädchen, das erwürgt und verstümmelt worden war, wurde von ihrem Onkel ermordet, weil er sich jahrelang an dem Kind vergangen hatte und die Mutter langsam Verdacht schöpfte. Eine traurige Geschichte, die leider viel zu oft am Ende eines Falles stand.
„Die Berichte sind morgen fertig", ordnete Ethan an und bewegte sich durch seinen Bereich des Großraumbüros in Richtung Ausgang niemand hielt ihn auf, doch er wusste, dass seine Leute sofort anfangen würden, über ihn und die Art und Weise wie es diese Alice regelmäßig schaffte, ihn auf an den Rand eines Wutausbruches zu bringen, zu reden.

 „Die Berichte sind morgen fertig", ordnete Ethan an und bewegte sich durch seinen Bereich des Großraumbüros in Richtung Ausgang niemand hielt ihn auf, doch er wusste, dass seine Leute sofort anfangen würden, über ihn und die Art und Weise wie es ...

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Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt