bittere Realitäten

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Kapitel 47


Als Ethan das Büro betrat überkam ihn für einen kurzen Moment Sehnsucht und er wagte es nicht, Bobby dabei zu stören wie er vertieft in einen ganzen Stapel von Akten war. Der sonst so quirlige junge Mann konnte durchaus extrem ernst sein besonders wärend eines Falles und Ethan würde ihn mit Sicherheit vermissen, sobald sein Ex Onkel Bobbys Potenzial erkannte und ihn endlich beförderte.
Ethan lehnte sich neben die Tür an die Wand und wartete geduldig, bis Selene mit Michael Hirsch geredet hatte und diese unendliche Sehnsucht endlich aufhörte. Was sie nie tun würde. Sobald Selene wieder in der Nähe war, würde sie lediglich erträglich werden. Es schien erst einmal merkwürdig, aber Ethan sehnte sich nach dem Moment wo dieser Zwang aufhörte. Nicht weil er wollte das irgendetwas aufhörte, sondern um Selene wieder Luft zum Atmen geben zu können.
Er hatte das Gefühl sie zu erdrücken wenn er nicht aufpasste. Und gleichzeitig war da das Bedürfnis, sie näher an sich zu ziehen, ihr das Gefühl zu geben umsorgt und beschützt zu werden. Denn das brauchte sie. Sie war zu lange alleine gewesen, zu lange außen vor. Sie verdiente es erdrückt zu werden.
Als sie dann endlich hereinkam und Bobby von seinen Akten aufsah, erschrak er heftig und fasste sich an die Brust.
„Jesus. Hey, Boss, wie lange stehen Sie da schon?", fragte er etwas entrüstet. Es entging ihm nicht, dass Ethan anscheinend schon länger im Raum war und er lediglich von Selenes Eintreten aufgeschreckt war. Ethan grinste schief und trat an seinen Kollegen heran, nachdem er kurz Selenes Handrücken mit seinem Gestreift hatte. Mit Absicht um ihr zu sagen, dass er da war, bei ihr war und das er nicht gehen würde – wie sie es höchstwahrscheinlich befürchtete. Sie hatte keine guten Erfahrungen mit Männern und ihre Familiengeschichte lag wie ein Seil um ihre Kehle. Er sah es in ihren Augen, wenn sie für einen Moment den Gedanken erlag das zwischen ihnen wäre lediglich auf Zeit.
Weil er ein Nebeneffekt ihrer Gabe war. Diese Gabe... sie sah die Vergangenheit. Nein, Moment, nur wichtige Ereignisse – wenn er ehrlich war hatte er ihr nicht wirklich zugehört, denn als sie meinte sie hätte übersinnliche Kräfte hatte sein Verstand abgeschaltet. Leider war es derselbe Verstand, der festgestellt hatte, dass es eine Erklärung wäre, die einzig logische Erklärung.
Schwachsinn...
Gott, wenn sein analytisches Gehirn sich nicht bald mit seinem rationalen auf etwas einigte, würde er durchdrehen.
„Bist du allein?", fragte er und sah Bobby alias Agent Adriano Levis über die Schultern. Er hatte seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle.
„Derek hat sich hingelegt, allerdings hat er sich sämtliche vermissten Akten der letzten zehn Jahre aus der Gegend besorgen lassen. Und wie du siehst, kann das eine Weile dauern", meinte er und erwartete wohl keine Antwort mehr auf seine vergangene Fragen.
Selene kam ebenfalls näher und ging den Stapel an altmodischen Akten aus dem Weg, als befürchtete sie irgendetwas durcheinander bringen zu können.
„Wow, wie definiert ihr Gegend? Das sind wirklich viele", murmelte sie überrascht und Ethan lächelt, weil seine Selene keine Ahnung hatte wie FBI Arbeit wirklich aussah. Sie hatte wahrscheinlich, wie der Rest der Bevölkerung, zu viel dieser Hollywoodserien gesehen.
„Eigentlich nicht. Statistisch gesehen zumindest nichts Ungewöhnliches, besonders wenn man bedenkt, wie beliebt dieser Wald bei Wanderern sein muss. Es gibt eine Reihe Nationalparks die teilweise direkt an den Wald anschließen. Der südliche Washington and Jefferson national Forest, der Cherokee-, Prisgah- und Nathalan Nation Forest. Das ist ein gewaltiges Gebiet. Die Bäume sind alt, die Wege unbefestigt. Das da ein paar Leute pro Jahr verschwinden ist nichts Ungewöhnliches und bei der Größe sucht auch niemand wirklich nach Vermissten, also bleiben die Wanderer offiziell verschollen und es staut sich an."
„Das ist eine normale Anzahl?", fragte Selene entsetzt und Ethan bedauerte, dass er ihr die Realität so schonungslos offenbaren musste. Die Realität war: es gibt derzeit vier Organisationen und sechzehn aktive Serienkiller auf diesen Kontinent die Menschen verschleppten und teilweise töteten. Und das sind lediglich die, von denen sie wussten. In den letzten fünfzig Jahren waren zweiundachtzig Serientäter als solche erkannt worden, und nur lediglich drei hatte man bekommen... der Rest? Tja, wie sollte man da etwas beschönigen? Die Realität war, dass die anderen neunundsiebzig erst aufhörten, weil sie entweder wegen anderer Verbrechen im Gefängnis saßen oder tot waren. Traurig aber so war es nun einmal.
„Jap, ich lass dich in deiner friedlichen Welt leben und sage dir lieber nicht, wie viele Leute auf mysteriöse Art und Weise in Nationalparks verschwinden. Du hast genug Alpträume", erklärte Bobby und lächelte Selene etwas freudlos an. Eigentlich war Ethan davon überzeugt, dass genau solche Worte Selene anstacheln würden mehr zu erfahren, doch zu seiner Überraschung nickte sie lediglich.
„Haben die Fingerabdrücke nichts ergeben?", fragte Ethan um selbst wieder zum Thema zurückzukommen.
„Nein, allerdings waren eine ganze Menge davon lediglich Teilabdrücke, also muss das nichts heißen. Abgesehen von dem Sheriff, seiner Frau und seinen beiden Kindern haben wir keine Ahnung wer die Leute sind und ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Es kommen ständig neue Akten durch das Faxgerät und Dean gräbt die ganze Zeit in den digitalen Archiven herum und stößt auch dauernd auf mögliche Identitäten."
„Sollten wir vielleicht doch die Presse informieren und hoffen, das Angehörige sich melden?", fragte Ethan und versuchte einfach die Nadel im Heuhaufen zu finden. Doch welchen Preis würde es fordern diese Suche zu vereinfachen?
„Das will und kann ich nicht entscheiden, aber ich halte es für keine gute Idee. Kaum eine der Leichen ist in einem so guten Zustand, dass man diese Bilder veröffentlichen sollte." Das klang logisch und Ethan rieb sich die Stirn und sah dabei zu, wie Selene die Pinnwände abging und die Fotos betrachtete. Ob sie versuchte etwas zu durch ihre Gabe zu sehen?
„Mist. Was ist mit den Tätowierungen? O'Brien hat gemeint er hab Bilder davon gemacht. Können die bei der Identifizierung helfen?"
„Nur wenn die Opfer registrierte Straftäter waren. Die Datenbank bei Tätowierungen ist ziemlich mager. Wir machen es also auf die gute alte Art und wälzen Akten." Erwiderte Bobby etwas frustriert und blätterte weiter, während Ethan sich hinter Selene stellte die die Bilder der Tätowierungen betrachtete.
„Selene?", hauchte er ihr in den Nacken und sie zuckte nicht einmal zusammen, aber er bemerkte wie sich eine Gänsehaut auf ihren Arm bildete und ihm gefiel diese Reaktion ihres Körpers auf seine Nähe. Ob sie gerade auch daran dachte, wie sie vor ihm gekniet hatte, mit dem Wunsch in den Augen ihn oral zu befriedigen?
„Hm. Diese Tätowierung kommt mir bekannt vor, die habe ich glaub ich schon mal gesehen." Ethan brauchte eine Weile bis er sich aus seiner Sex Fantasien reißen konnte und folgte ihrem Blick zu einem fast schon klischeehaften Schmetterling, der eine Besonderheit hatte: Ihm fehlte ein Flügel.
„Wo?", fragte er und Selene drehte sich zu ihm um.

„Bei einer Kundin meiner Großmutter."


Beta: Geany

Beta: Geany

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Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt