Erwachen

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Kapitel 63


Als Selene erwachte tat ihr alles weh und für einige Momente erinnerte sie sich an gar nichts mehr. Doch während sie vorsichtig die Augen öffnete und sie das Gefühl hatte, das Messer aus ihrem Kopf sei wieder entfernt worden, fiel es ihr wieder ein.
„Dieser kleiner Mistkerl!", murmelte sie und fuhr dann zusammen, weil es an ihrem Hals zog, als würde noch immer eine kalte Klinge daran ruhen.
„Nicht sprechen, Baby!", ertönte eine maskuline und ziemlich rechthaberische Stimme, die sie mittlerweile sehr gut kannte. So sehr sie Ethan auch schätzte, sie hasste es wie ein kleines Kind behandelt zu werden, betastete ihren Hals und versuchte ihn so strafend anzusehen, wie es in ihrem Zustand möglich war.
„Vergessen Sie es, Agent McAllan. Keine Befehle außerhalb des Schlafzimmers", brabbelte sie und ihre Stimme brach dabei immer wieder, denn der Schmerz drückte ihr Kehle zu. Sie sah Ethans Wangenmuskeln zucken, registrierte seine müden Augen und die tiefe Sorgenfalte an seiner Stirn. Er sah übel aus und fast so als hätte er seit Stunden nicht mehr geschlafen und würde jeden Moment zusammenbrechen. Das schmerzte sie so sehr, dass sie fast überlegte ihm recht zu geben, was das Sprechen anbelangte, aber sein Ego brauchte ganz sicher keine aufbauenden Worte.
„Das ist sie ja, meine kleine Kratzbürste", hauchte er zurück und küsste ihre Stirn. Selene hob die Hand und legte sie an seine unrasierte Wange, bis sie zu dem zerknitterten Hemdkragen wanderte. Ein prüfender Blick durch das Einzelzimmer, in dem sie lag, bestätigte dann ihre Vermutung. Auf der Couch unter dem Fenster lag eine zerknitterte Decke, aber wirklich geschlafen hatte er offenbar nicht. Kein Wunder, er war viel zu groß um darauf zu übernachten.
„Du hättest nicht die ganze Nacht hier bleiben müssen!", murmelte sie vorsichtiger und langsamer um den Schmerz auf ein Minimum zu reduzieren. Er sagte darauf hin nichts, setzte sich lediglich neben sie und das Bett, in dem sie lag und schrumpfte gefühlt noch weiter zusammen. Gott, der Kerl war wirklich einfach zu groß.
„Keine Befehle außerhalb des Schlafzimmers, Technical Analyst Selene James!", konterte er zurück und sie lächelte. Allerdings nicht lange. Dann stutzte sie.
„Was?", fragte sie verwundert und ihre Verwirrung schien Ethan ausnehmend zu gefallen. Er zuckte mit den Schultern, was etwas steif aussah. Ob er Schmerzen hatte von der unbequemen Nacht auf der Couch?
„Dein offizieller Status, mit dem wir dich in Bericht erwähnen werden. Du bist Informantin, schon vergessen?"
„Moment mal... Bericht? Wieso ein Bericht? Berichte schrieb man am Ende!" Selene versuchte sich aufzusetzen, doch Ethan drückte sie an der Schulter sanft zurück und das war auch gut so, das Ziehen in ihrem Bauch war wie ein flammender Dolch.
„Das solltest du auch nicht tun. Es ist nichts Wichtiges verletzt worden aber du musst dich die nächsten Wochen unbedingt schonen", murmelte er und Selene sah ihn wieder böse an, was ihm zum Lächeln brachte.
„Du lenkst ab!", beschied sie und das Lächeln verschwand wieder, während er sich über sie beugte.
„Baby, der Fall ist nicht abgeschlossen, aber du warst zwei Tage weggetreten und die Forensik hat gar nichts. Dafür wurden vier weitere Leichen in dem Boden rund um die Ruinen von Hollow gefunden. Komplett skelettiert. Wir haben wirklich gar nichts, egal wer für die dutzenden Morde verantwortlich ist, wir werden warten müssen bis sich etwas neues auftut. Karl wurde vermutlich wirklich nur ermordet weil der Junge etwas gesehen hatte, was er nicht sollte. Vermutlich, dass ein Mann Leichen ausgräbt und an einem Baum aufhängt und der Sheriff und seine Familie, weil sie Gus ebenfalls zu nahe gekommen sind. Der Rest bleibt erstmal im..."
„Sein Name ist James. Er schien so etwas wie eine Vaterfigur für Gus gewesen zu sein. Er belog ihn allerdings und hat ihm irgendwie wehgetan. Er hat diese Narbe an der Seite des Kopfes. Er konnte entkommen und ist zu meiner Großmutter, sie stritten und er hat sie ermordet, aber dennoch ... ist er nicht von ihm weggekommen. Von James, meine ich."
Ethan sah sie an. Lange. Er war nicht wütend, dass sie ihn unterbrochen hatte, dabei fühlte sie sich tatsächlich schlecht. Die Erinnerungen an das was sie in den Augen ihres verrückten Bruders gesehen hatte, brach wieder auf sie ein und sie spürte wie ihr – anders als in den Moment mit Gus – die Tränen kamen.
Ethan beugte sich weiter zu ihr, streichelte ihr Gesicht und fuhr ihr durch die Haare, während sie sich mühevoll zu ihm auf die Seite drehte und zuließ, dass sie weinte. Sie hasste es zu weinen und war eigentlich der Meinung, sie hätte genug vor ihm rumgeflennt aber er störte sich nicht dran. Er sagte nichts, blieb lediglich bei ihr und wartete ab, bis sich ihr schniefen wieder beruhigt hatte bevor er die Kanülen inspizierte, die sie immer noch im Arm hatte.
„Ist das Schwein tot?", fragte sie, nachdem er mit seiner Überprüfung fertig war. Sein Nicken gab ihr eine gewisse Genugtuung, dann aber dachte sie daran, dass Ethan auf Gus geschossen hatte und dass er als FBI Agent sicherlich nicht gleich töten durfte.
„Bekommst du Ärger deswegen?", fragte sie. Der Gedanke, dass Ethan dafür bestraft werden könnte, machte sie krank. Aber er schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich habe ihm in den Hals getroffen, weil ich dich aufgefangen habe. Derek hat ihn vorschriftsmäßig getroffen, mein Treffer kann ich damit begründen, dass ich nach dir gegriffen habe und in der Bewegung war. Einen Kopfschuss hätte ich sicherlich nicht erklären können." Sie nickte versuchte sich weiterzudrehen, aber diese Infusionsschläuche machten es ihr unmöglich, sich so weit zu bewegen.
„Was den Rest angeht. Ja: Der Name stimmt nicht, wir haben Gus Mobiltelefon und er nannte ihn da auch James. Wir finden keinen James. Nirgends in Gus Leben. Er hat kein Besuch erhalten und keiner der Pfleger oder Mitpatienten stand ihm besonders nahe. Wir wissen nicht mal wie Gus an ihn geraten ist. Aber wir wissen, warum Benjamin Rose damals die Schuld auf sich genommen hat. Sie waren zwei Jahre lang zusammen in einer Erziehungseinrichtung. Sie haben sich ein Zimmer geteilt, bis Benjamin entlassen wurde weil er keine Suizidgedanken mehr hatte und dein Bruder in die Psychiatrie kam, weil er einen Erzieher angegriffen hat. Dein Bruder ist ziemlich manipulativ. Wahrscheinlich hat er den Jungen wieder bedrängt, als er in NewHollow war." Das war unfassbar. Der arme Junge.
„Ich verstehe nicht, wie er je entlassen werden konnte oder in eine normale Erziehungseinrichtung gekommen ist mit Kontakt zu anderen." Das war schließlich geradezu verantwortungslos. Aber die Wut auf die Ärzte, die das bestimmten, lenkte sie von den Bildern in ihrem Kopf ab.
„Tja, er ist sehr jung angegeben worden und benimmt sich manchmal Jahre hinweg wie ein kleiner, verstörter Junge. Das lässt ihn nicht unbedingt wie einen Irren aussehen. Er neigte zu Ausbrüchen, die er aber durch Therapiesitzungen irgendwie in den Griff bekam und als er volljährig wurde und er nicht als gefährlich eingestuft wurde, musste er entlassen werden. Das ist das Gesetz."
„Und dann hat er ein Kind ermordet und duzende Leichen an ein Baum gehängt."
„Wir wissen nicht was er in den fünf Jahren gemacht hat und was ihm passiert ist. Ich werde die Gerichtsmedizin darauf ansetzen, wegen seiner Kopfverletzung, sofern sie das noch nicht untersucht haben."
Das stimmt, aber Selene wollte einfach keine Rechtfertigungen für sein Verhalten hören und wollte gerade das Tema wechseln, als ein Klopfen sie von Ethans herrlichen Geruch ablenkte. Sie hätte wohl mit allem gerechnet, allerdings nicht damit, dass plötzlich ihre Mutter in der Tür stand.


beta: geany



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Für alle die jetzt mitgerechnet haben und sagen: MOMENT! Er ist ca ein Jahr älter als Selene, also 23 und wenn er erst mit der Volljährigkeit entlassen wurde, dann kann er in Amerika ja erst vor 2 Jahren frei herumlaufen...und keine 5.

Denen sei gesagt: Du bist auch in Amerika mit 18 Volljährig, darfst heiraten, firmen eröffnen und dich selbst aus Kliniken entlassen, wenn es keinen Grund gibt dich drinnen zu behalten. Du bist eben Vollmündig. Aber eine ganze Menge Dinge wie z.B. Alkohol Konsum und Glücksspiel darf man erst mit 21.

Googelt es gerne, aber benutzt dafür bitte anständige Quellen. Woher ich das weiß? Ich war 10 Wochen da. Damals war ich 20. Und in jeden Bundesstaat musste ich mich extra informieren, was ich darf und was nicht und zwar bei den Staatlichen-Info-Points für Touristen. Ich weiß es also quasi aus erster Hand. 

Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt