Aussprache

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Kapitel 23:

Selene wollte über diese Vermutungen bezüglich von entführten Kindern, dessen Leiden auf Tonband aufgenommen wurde nicht nachdenken aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr Verstand begann Theorien zusammenzusetzen. Sie entführen und vergewaltigen, töten aber nicht mit Absicht. Dennoch besorgen sie sich immer neue. Jedes Geschlecht, jede Ethnie. Für jeden Geschmack quasi. Das bedeutet, dass sie nicht nur psychotische Entführer, Mörder und Vergewaltiger sind, sondern auch Händler. Sie verkaufen die Kinder wahrscheinlich. Und zwar an jeden, der sie haben will.
Menschenhändler, Bordellbesitzer, privat Personen. Das einzige was sicher ist, ist das es unmöglich sein wird, jedes der Kinder wiederzufinden, selbst wenn das FBI die Entführer erwischen. Sie können nur verhindern dass es nicht mehr passiert aber die, die verschwunden sind und weiter verkauft wurden, sind für immer verloren.
Noch etwas über das sie nicht nachdenken wollte.
Also wurde es langsam Zeit für einen Themenwechsel.
„Wenn Ethan dich also nicht wirklich interessiert und eure Affäre nur eine emotionale Schwäche war, warum bist du dann so eine Zicke gewesen?", fragte Selene provokant. Zu ihrer Überraschung grinste Lindsey nur über ihre Ablenkung. Kurz viel Selenes Blick auf ihre langen schlanken Hände, die auf dem Lenkrad lagen. Kein Ehering. Sie hatte zwar ein Kind war aber offensichtlich nicht verheiratet.
„Prüfst du ob ich jemanden mit Ethan betrogen habe?" Sollte Selene es leugnen?
„Du bist nicht verheiratet."
„Nein. Aber ich habe ein sieben Jahre alten Sohn und bevor du fragst: Nein, ich habe auch keinen Freund. Ich habe also niemanden betrogen und es war auch keine Affäre, es war nur ein Onenight-Stand. Und zu deiner Frage: Ich hasse hübsche, junge Dinger die sich an ältere Männer heranmachen um einen Vorteil daraus zu schlagen, so ein Verhalten zieht unser gesamtes Geschlecht in den Dreck. Als könnten Frauen keine Probleme selbst lösen und müssten unsere Titten einsetzen, um klar zu kommen."
Okay.
Agent Lindsey Hall war eine Feministin. Definitiv. Das erklärte ihr Verhalten als sie sich zum ersten Mal trafen aber nicht darüber hinaus.
„Also bist du der Meinung ich sollte mein Serienkiller-Problem alleine lösen?", fragte Selene sarkastisch. Lindsey grinste wieder.
„Oh Gott, nein. Du hast echte Probleme und dein Gang zum FBI war mehr als Richtig. Ich gifte dich nicht weiterhin an, weil du Ethan mit deinen großen, grünen Augen anhimmelst, ich gifte dich an weil du Alice bist", erklärte sie so zuckersüß, dass Selene sich tatsächlich das Lachen verkneifen musste.
Lindsey misstraute ihr nicht, wegen Ethan. Es mag eine unterschwellige, leichte Eifersucht mitschwingen aber damit kam Agent Hall offensichtlich klar, denn sie konnte es ausblenden und sich ehrliche Sorgen um Selene machen. Die knallharte, Feministen Mutter war anscheinend über so alberne Verlebtheiten erhaben - was Lindsey störte waren Selenes Geheimnisse.
„Und ich dachte, wir könnten uns vertragen", meinte Selene im Spaß. Lindsey prustete zweifeln.
„Püppchen, wenn du willst, dass ich dich mag dann erklär mich haargenau wie du an diese Informationen kommst, dann kann ich dich vielleicht sogar noch retten."
„Mich retten?" Selene zog zweifelnd eine Augenbraue nach oben.
„Natürlich. Du glaubst doch nicht etwa, nur weil Ethan an dein Höschen will, würde er nicht alles tun um dir dein Geheimnis zu entlocken, oder?"
Selene grinste zurück.
„Blöd, dass sich meine Geheimnisse nicht in meinem Höschen befinden."
Lindsey lachte und Selene gefiel dieser kleine Schlagabtausch fast so gut wie den, den die immer mit Ethan hatte. Schade eigentlich, dass Lindsey so eine Zicke war, wenn sie nicht alles herausbekam was sie wissen wollte. Sonst könnte Selene die Frau tatsächlich symphytisch finden.
„Der arme Mann. Er hat keine Ahnung was auf ihn zukommt. Fast tut er mir leid. Aber nur fast", murmelte Lindsey und lenkte den Wagen durch die Gemeinde, die Selene besser kannte als ihre Westentasche. Und selbst als sie hielten, grinste Lindsey breit. Wären die Umstände anders könnten sie tatsächlich Freundinnen sein, doch leider war das Leben beschissen und sie dazu gezwungen ihre Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen.
„nichtsdestotrotz: Wir werden es herauskriegen. Ich werde herauskriegen, woher du all diese Sachen weißt. Diese Wahrung ist die einzige, die du bekommen wirst, Püppchen."
Diese Herausforderung ließ Selene Lächeln, verunsicherte sie aber nicht für eine Sekunde. Lindsey Hall wird unbestreitbar nach einer logischen Erklärung für ihre Fähigkeiten suchen, die es allerdings nicht gab. Es war eine Sache des Glaubens, nicht des Verstandes.
„Gut. Mal sehen was hinter diesen großen Worten steckt Agent Hall, ich bin gespannt."
Lindsey konzentrierte sich auf den Verkehr und blieb vor dem Sheriffbüro stehen, das Selene von Innen besser kannte als ihr lieb war. Noch immer zog sich ihr Magen zusammen, wenn sie auch nur in der Nähe dieses Gebäudes kam und das obwohl Shawn Pee längst nicht mehr Sheriff in dieser Kleinstadt war.
Das Trauma ihrer Jugend überschattete dieses rationale Wissen und zerrte sie zurück in die Zeit, als sie es sich kaum gewagt hatte Luft zu holen aus Angst, sie könnte etwas falsch machen. Pee hatte sie von Anfang an auf den Kieker gehabt und die Leute in ihrer Umgebung, egal ob andere Kinder oder dessen Eltern, haben diesen Umstand ausgenutzt, um ihr absolut alles in die Schuhe zu schieben.
„Alles okay?"
Ethan legte eine Hand auf die untere Hälfte ihres Rückens. Selene zuckte zusammen, drehte sich panisch um und entspannte sich sofort, als sie sich seiner Nähe bewusst wurde. Sie hatte weder mitbekommen, dass er ebenfalls angekommen war, noch das sie auffällig lange einfach vor dem Gebäude gestanden hatte und mit ihren Erinnerungen gekämpft hatte.
„Selene?"
Ethan ließ seine Hand zu ihrem Gesicht gleiten und umfasste ihren Kiefer. Der Mann war es nicht gewohnt keine Antworten zu bekommen und fast war Selene ihm dankbar für diese herrische Art. So hatte sie etwas, auf das sie vertrauen konnte. Sie ignorierte, dass er sie einmal mehr mit den Vornamen ansprach als würden sie sich ewig kennen und die immer misstrauischer werdenden Blick von seinen Kollegen. Mittlerweile hatte sicher jeder in seinem Team mitbekommen, dass Ethans Interesse an ihr, bei weitem nicht nur professionell war, genauso wie sie selbst nicht verbergen konnte wie sehr sie, das zu schätzen wusste.
Der letzte Mann, der sich für sie als Frau interessiert hatte ,war Michael gewesen und das hatte nicht gut geendet. Doch Ethan war kein heranwachsender Teenager, der wegen dem Gerede seiner Clique einen Rückzieher machte. Er war ein erwachsener Mann, der wusste, was er wollte. Und sie war kein einsames Mädchen mehr die nach jeder Art von Zuwendung letzte – oder vielleicht war sie es doch. Denn als sich ihr Herz unter dem Schatten ihrer eigenen Geschichte wieder schmerzvoll zusammenzog, schmiegte sie ihr Gesicht an Ethans Handfläche und protestierte auch nicht als er die zweite in ihren Nacken schob uns sie zu sich heranzog.
„Alles wird gut", flüsterte er gegen ihre Schläfen und die schniefte tatsächlich auf seien Lippen ihre Haut streiften. Sie hatte sich vorgenommen stark zu sein und nicht zusammen zu brechen. Die letzten Stunden hatte sie es mit tiefem Sarkasmus, Ablenkung und den wilden Zorn in ihren Inneren geschafft die Wahrheit von sich fernzuhalten.
Ein verfluchter Mörder war hinter ihr her. Der krönende Abschluss für ein Leben, welches bereits seit ihrer Geburt beschlossen zu haben schien, ihr übel mitzuspielen. Ihre eigentlich glückliche Kindheit war unter dem Wissen zusammen gebrochen, das Erwachsene grausam sein konnten und man nichts tun konnte, um nicht für etwas beschuldigt zu werden. Ihre Jugend ohne Freunde oder Vertraute hatte dazu geführt, dass man sie ausgenutzt und dann weggeworfen hatte, wie etwas was es nicht Wert war behalten zu werden. Als wäre sie nichts wert. Nach der üblen Erfahrung mit Michael und der Ermordung ihrer Großmutter hatte Selene geglaubt, dass damit der Zenit erreicht worden wäre. Es konnte schließlich nicht schlimmer werden. Dann war Karl verschwunden. Und wieder steht sie hier und kämpfe darum nicht für schuldig gehalten zu werden.
Ethans Wärme hüllte ihren Körper ein, sie lehnte ihre Stirn an seine Brust, atmete seinen Duft ein und nah alles entgegen was dieser, sonst immer schlecht gelaunte, Mann ihr zu bieten hatte. Er hatte die Arme um sie geschlungen, strich ihr beruhigend über den Rücken und flüsterte auf sie ein.
„Es wird alles gut. Ich verspreche es dir, wir kriegen diesen Dreckskerl und dann wird alles wieder wie es war." Diese Worte sollten sie beruhigen, sie tröten, doch sie hatten genau den gegenteiligen Effekt.
Alles wie es war? Sie hatte kein Interesse daran wieder ihr Einsiedlerleben weiter zu führen und darauf zu warten, dass eine weitere Hexenjagd auf sie veranstaltet wurde. Sie wollte das es aufhörte. Komplett.
Ihr Zittern verstärkte sich und sie fühlte bereits die heiße Nässe ihrer Wangen herablaufen. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ethan fluchte.
„Schaff sie in ein Hotel, Ethan. Das ist zu viel für sie", erklang Agent Dereks LiTensens ruhige und mitfühlende Stimme hinter ihr. Der alte Agent, hatte wohl die meiste Erfahrung mit zusammenbrechenden Frauen, mehr als Ethan, den erst als sein älterer Kollege es ausgesprochen hatte, schien auch Ethan aus seiner Starre zu erwachen. Als wäre er ebenso hilflos angesichts ihres Zusammenbruches, wie Selene selbst.
„Ja. Lindsey, kümmer dich um die Spurensicherung und gib Carsten und Dean auch die Akte von Sheriff Henry Lundwill. Ich will wissen, was hier los ist. Bobby! Finde den Typen, der damals für den Mord an Hanna James verurteilt wurde und Derek? Ich will diesen beschissenen Sheriff sprechen, der für diesen Scheiß verantwortlich ist."
„Shawn Pee ist in Pension, Ethan", gab Derek zu bedenken, der sich offensichtlich mit dem Mordfall Hanna James vertraut gemacht hatte, sonst wüsste Pees Namen nicht.
„Mir egal. Holt ihn her und wenn ihr ihn an den Haaren herbeizerren müsst!", beschied Ethan und wandte seine volle Aufmerksamkeit wieder ihr zu. Seien Hände umfassten ihr Gesicht und Selene war dazu gezwungen zu ihm hinauf zu blicken.
„Halt noch etwas durch, Süße. Du willst doch nicht, dass Lindsey dich weinen sieht, oder?" An ihren Stolz zu appellieren, funktionierte. Als er mit den Daumen ihre Tränen wegwischte, hatte sie wieder die Kraft die neuen zurückzuhalten und mit bebenden Lippen zu nicken. Dann zog er sie mit sich.  

Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt