Zuhause

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Kapitel 48:

Ethan zog ein Taschenmesser hervor und ließ die zierliche Klinge durch das aufgeklebte Siegel an Selenes Haustür gleiten, bevor er den Schlüssel in das Schloss steckte und die Tür öffnete. Selene zog sich die Jacke enger um die Schultern und beobachtete ihn dann dabei, wie er das Gebäude betrat, das so viele Erinnerungen in sich barg, dass Selene zögerte es zu betreten.

Das hier war ihr Zuhause und trotz der schlimmen Ereignisse runterrum würde sie sich wahrscheinlich immer behaglich hier drinnen fühlen, als wäre dieses Haus noch immer mit dem Geist der Frau angefüllt, die sie großgezogen hatte.

Sie ist tot. Hanna James war gestorben. Ermordet. Diese Erkenntnis traf sie jedes Mal erneut mitten ins Herz und es schwammen bereits Tränen in ihren Augen, als sie Ethan in den schmalen Flur folgte.

„Alles in Ordnung?", fragte dieser und schloss hinter ihnen Tür. Der Raum wirkte mit einem Mann wie Ethan am Eingang noch viel enger, aber sie war dankbar für die Nähe, die deswegen erzwungen wurde. Bevor die qualvollen Erinnerungen sie wieder wie ein Wolf am Nacken packen und durchschütteln konnten, nickte sie schnell. Aber Ethan hatte es bemerkt, zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, während er ihr beruhigend über den Rücken strich.

„Ich kriege das alleine hin, wenn es dir zu viel ist", murmelte er ihr ins Haar, aber Selene schüttelte den Kopf.

„Nein, schon gut, das ist normal. Manchmal fällt mir eben auf, wie sehr sich hier alles immer noch nach meiner Großmutter anfühlt. Das ist okay."

Sie hob den Kopf und sah ihn an. Ethan lächelte und betrachtete sie eingehend. Als er sicher zu sein schien, dass es tatsächlich in Ordnung war, beugte er sich zu ihr herunter und strich mit seinen Lippen über ihre.

Der Kuss hätte tröstlich sein können, sanft und zärtlich aber in den Moment wo Ethan sie küsste, wurde sein Griff um ihren Körper fester und die nächste Berührung seiner Lippen unnachgiebiger, solange bis seine Zunge in ihren Mund glitt und eindeutige Besitzansprüche klar machte.

Ein Donnern unterbracht den immer weiter ausufernden Genuss und Ethan schob sich instinktiv in die Richtung des Geräusches und hatte die Hand bereits am Griff seiner Waffe. Selene musste sich eingestehen, dass sie diese Agentinstinkte mega sexy fand und war noch so berauscht vom Kuss, dass sie leise hinter ihm kicherte während Ethan die Bücher mitten im Flur betrachtete, die gerade als kleine Gruppe aus dem Regal gefallen war.

„Großmutter hat Unanständigkeiten nie in ihrem Haus geduldet", gab sie zu Protokoll und schlüpfte an Ethan vorbei, der sie mit großen Augen ansah.

Er hatte ihr Geständnis immer noch nicht ganz verdaut. Den Gedanken daran sogar zur Seite geschoben. Übernatürliches war nichts was er einfach akzeptierte. Gerade die Mitarbeiter des FBI waren extrem rationale Menschen. Nun stand er einfach verdattert da. Selene seufzte ergeben und löste das vermeidliche Spuckerlebnis auf.

„Das Regal ist alt und sackt an der Stelle, wo die Bücher standen, leicht nach vorne ab. Es genügt eine etwas größere Erschütterung, wie die Schritte eines großen Agent im Flur, und die Bücher mit Plastikeinband rutschen herunter", erklärte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Ethans Blick wurde schmal und sie lachte dennoch, während er sie böse anblickte. Sie hatte ihn nur ärgern wollen.

„Dafür leg ich bei Gelegenheit übers Knie, Weib!" knurrte er und Selene spürte, wie ein heißer Schauer über ihren gesamten Körper huschte und sich ihre Brustspitzen zusammenzogen. Jetzt war sie diejenige, die einfach nur dastehen und ihn anstarren konnte, was Ethan seinerseits einen Grund gab breit zu grinsen.

„Oh, der Gedanke gefällt dir also", ärgerte er sie. Anscheinend waren ihre heißen Wangen und der glasige Ausdruck in ihren Augen sehr deutlich. „Ach halt die Klappe!", gab sie zurück, hob die Bücher auf und stellte sie zurück in das Regal. Ethan lachte ein tiefes männliches Lachen, dass nur ein Mann von sich geben konnte, der wusste, dass er gewonnen hatte und dann wurde er wieder ernst.

Das Alice Projekt - An Oracale-Mystery-Thriller Bd1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt