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Die nächsten Tage vergingen nicht anders als die Sommertage zuvor. Ich arbeitete, half im Restaurant oder in der Eisdiele aus und verbrachte Zeit mit meiner Mutter. Tagsüber war ich so beschäftigt, dass ich die ganzen Anrufe meiner zwei einzigen Freunde verpasste. Abends lag ich wach und starrte die Decke an. Manchmal hörte ich wie Ethan mit Freunden aus seiner Einfahrt fuhr und Stunden später hörte ich ihn wieder nachhause kommen.

Die Situation zwischen Ethan und mir veränderte sich irgendwie sehr und irgendwie auch gar nicht. Wenn wir uns über den Weg liefen, dann lächelte er mich an oder begrüßte mich. Doch wir unternahmen nichts miteinander - ich schiebe es auf die mangelnde Zeit, die ich hatte.

Der Tag, bevor der Sommer endete, ging meine Mutter trotz dem Verbot ihrer Ärzte in das Restaurant. Um einfach zu sehen wie der Sommer so lief - mein Vater nahm sich den Nachmittag frei und begleitete meine Mutter. Zurück blieben, wie so oft, Clancy und ich. Und aus komischen Gründen gefiel mir diese Situation. Denn für diesen Nachmittag schien es so, als wäre es ein stinknormaler Sommertag. Es war sehr gefährlich in mir diese Traumwelt vorzustellen und doch tat ich es. An manchen Tagen tat ich so, als wäre Mom nicht krank.

Nachdem ich das Haus auf Vordermann brachte, rief ich Clancy und drehte meine gewöhnlichen Runden rund um die Häuser und auf dem Strand. In der Ferne sah ich Jugendliche in meinem Alter tanzend und trinkend am Strand - sie genossen wohl den letzten Sommertag auf ihre Art und Weise.

Zurück im Haus fing ich an das Abendessen für meine Eltern und mich zu kochen. Irgendwann dazwischen rief mich Ruth, einer meiner zwei einzigen Freundinnen hier, an. Wie immer beschwerte sie sich zuerst, dass ich kaum Zeit für sie hatte und ich eine Menge verpasste. Ruth wusste nicht, dass meine Mutter krank war, weswegen sie es noch weniger verstand.

An jenem Abend, als ich telefonierend in der Küche stand, klingelte es an der Tür. Mit meinem Telefon in der Hand ging ich auf die Eingangstür zu und fragte mich wer es wohl sein könnte. "Hey Katelyn", sagte Ethan Lewis als ich die Tür öffnete.

"Ruth? Ich rufe dich gleich an." Bevor ich jedoch auflegte, stellte sie mir in Höchstgeschwindigkeit Fragen. Sie hörte die tiefe Stimme. "Du hast mich ungelogen gerettet", meinte ich und lachte leise.

"Wow, das ist das erste Mal seit neun Jahren, dass ich dich lachen gesehen habe", scherzte er und kam einfach in mein Haus. Das taten wir in dem Sommer vor neun Jahren genauso. Wir gingen einfach durch die Eingangstür des Anderen - sein Haus war für zwei Monate mein zweites Zuhause und mein Heim, war seines.

"Das stimmt gar nicht", sah ich stirnrunzelnd zu ihm. Und dann fiel es mir selber auf. Ich konnte mich nicht an das letzte Mal erinnern. Mein Lachen verschwand.

"Wie auch immer", meinte er grinsend und sah sich in unserem Haus um. "Es hat sich kaum Etwas verändert", stellte er fest. Clancy kam in der nächsten Sekunde zu uns und sprang glücklich auf und ab als er Ethan sah. "Na mein Großer", kniete er sich hin und strich Clancy über den Kopf.

"Wann hat sich jemals etwas auf Nantucket verändert?", murmelte ich leise vor mich hin. Ethan stoppte und sah zu mir. Erst dann bemerkte ich, was ich eigentlich sagte und schüttelte meinen Kopf. "Wieso bist du hier?", fragte ich als nächstes.

"Ich wollte mich von dir verabschieden Kat", stand er nun auf und lächelte mich an. "Meine Mutter und ich brechen morgen Früh auf."

"Oh", war das Einzige, dass aus meinem Munde kam. Wir starrten uns einige Sekunden lang an. Worauf ich dann nickte und peinlich wegsah. "Na dann, gute Heimreise?", kam als nächstes aus meinem Mund. Aus irgendeinem Grund hörte sich der Satz wie eine Frage an.

Peinlich standen wir nun in meinem Flur. Wollte er mich umarmen? Denn aus irgendeinem Grund fühlte es sich so an. Ethan dachte über etwas nach doch schüttelte seinen Kopf kurze Zeit später und meinte dann: "Was ich dir noch geben wollte." Er nahm ein Stück Papier aus seiner Hosentasche und überreichte sie mir.

Seine Nummer.

"Wenn du irgendwen zum Reden brauchst ... Egal was es ist. Bitte ruf mich an", sah er zwischen meinen Augen hin und her. "Egal was es ist Katelyn, okay?", sagte er ein zweites Mal um sicher zu gehen, dass ich es verstand.

Ich starrte seine Nummer and und fühlte etwas Warmes in mir. Tief atmete ich aus und sah ihn leicht lächelnd an. "Werde ich Ethan. Vielen Dank", bedankte ich mich schließlich. Eine Umarmung war vollkommen überfällig. Um ehrlich zu sein, war ich bereit ihm in seine Arme zu fallen. Doch ich hielt mich zurück.

Ethan machte sich auf die Eingangstür zu. Bevor er jedoch aus dem Haus verschwand drehte er sich um und sah mich mit diesen wundervollen, eisblauen Augen an. "Wir sehen uns nächsten Sommer Kat."

Ich lächelte und nickte. Anders als letztes Jahr war ich mir so sicher, dass ich ihn wiedersehen werde. Und ich wollte ihn wiedersehen. Meinen Sommer mit ihm verbringen, ganz anders als den Sommer, als ich 15 war.

Doch Ethan war Ethan. Er kam nicht.

Der Sommer gehört unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt