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Am nächsten Tag holte mich Ethan von meiner Arbeit ab. Da es sein letzter Tag hier auf der Insel war, wollte er ihn mit mir verbringen. Wir gingen zusammen Abendessen und verbrachten dann noch zwei Stunden in einem Café, wo wir unbeschwert über unser Leben sprachen. Wie immer erzählte er mir von seiner Universität und wie unglaublich er es mochte.

Ich liebte es, wenn er darüber sprach. Denn Ethan erzählte mir jede Erinnerung ins kleinste Detail. Als er darüber sprach, erwischte ich mich selber, wie ich mir mich auf der Universität vorstellte mit meinen Freunden. Ich lächelte vor mich hin als ich mich auf einem Campus vorstellte. Ethan Lewis konnte wie immer meine Gedanken lesen und fragte mich erneut, ob ich nie daran dachte irgendwann studieren zu gehen. "Ich denke, dass deine Mutter nicht sauer auf dich wäre, wenn du das machst, was du möchtest Kat."

Und er hatte Recht. Zwar wollte meine Mutter, dass ich das Restaurant übernehme und dennoch wusste ich, dass sie nicht sauer wäre, wenn ich es nicht tat. Dennoch könnte ich nicht mit dem Gewissen leben - ich dachte immer, dass das Restaurant und die Eisdiele meine Zukunft war.

Wir gingen noch ein wenig spazieren und danach fuhr er mich nachhause. Je näher wir meinem Haus ankamen, desto weniger wollte ich jemals ankommen. Denn ich wusste, dass ich mich von ihm erneut verabschieden musste und dieses Mal war der Abschied ein anderer. Einen, den wir so nie hatten. Ich erkannte auch Ethan an, dass er etwas trauriger wurde, je näher wir kamen.

"Weißt du noch, als du und ich versucht haben über diese Hecke zu springen", lachte Ethan und deutete auf die Hecke zwischen seiner Auffahrt und unserer. Damals als wir sechs und acht waren, war die Hecke bis zu meinen Schultern groß. Ethan war um einiges größer als ich und konnte ohne Probleme auf die andere Seite springen, während ich erfolglos in die Hecke sprang und mir einige Verletzungen zuzog.

"Wie könnte ich diese jemals vergessen", zeigte ich ihm nun meine große Narbe auf meinem Unterarm, worauf wir beide anfingen zu lachen. Während ich weinend in der Hecke lag, entschuldigte sich Ethan mehrere Male bei mir, weil diese seine Idee war. Irgendwie bekam er mich aus dem Grünzeug heraus und brachte mich zu seiner Mutter.

Je näher wir meiner Tür kamen, desto leiser wurde unser Lachen. Mein Herz schmerzte, wie noch nie zuvor. Ich hatte Angst vor dem was passieren wird, wenn Ethan die Insel verließ. "Ich werde dich gleich zuhause anrufen Katelyn", sprach er und runzelte seine Stirn als wir vor meiner Eingangstür standen.

Ich nickte und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. "Okay."

"Und du musst ich auch anrufen, okay? Es gibt keine Ausreden mehr, du musst abheben, wenn ich dich anrufe und auch mich anrufen, okay?", sah er mich ernst an. Ethan meinte es ernst.

"Okay", nickte ich erneut bloß nur. Ich wusste nicht wie ich sonst reagieren sollte.

"Egal welche Uhrzeit, wenn du Lust hast zu reden, ruf mich an. Wenn es dir schlecht geht, ruf mich an. Wenn du einen tollen Arbeitstag hattest, ruf mich an", sprach Ethan wie ein Wasserfall. Ich sah ihm an, dass er sich nicht verabschieden wollte.

"Okay", sagte ich nun zum dritten Mal.

"Wieso fühlt es sich so an als würden wir uns nie wieder sehen? Das stimmt doch nicht, oder? Das hier wird kein Abschied für immer sein, oder? Wir werden uns wiedersehen Katelyn, richtig?", suchte er nach der Antwort in meinen Augen.

"Werden wir Ethan", lächelte ich ihn an. Damals versuchte ich Stärke zu zeigen und ihm jegliche Sorgen zu nehmen. Doch zu dem Zeitpunkt wusste ich es nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich Ethan Lewis jemals wiedersehen werde. Wird sein Weg ihn wieder nach Nantucket führen? Werde ich ihn besuchen? Ich wusste es nicht.

Ohne zu überlegen, nahm er mich in die Arme. Er drückte mich fest gegen seinen Körper und drückte mir einen Kuss auf meinen Haaransatz. "Katelyn, noch nie war der Abschied so schwer."

"Ich werde dich vermissen Ethan Lewis", flüsterte ich leise gegen seine Brust. Zuerst dachte ich, dass er die Worte nicht hörte. Doch sein schneller Herzschlag sprach für sich.

Er atmete tief aus und löste sich aus der Umarmung. Seine Hand wanderte zu meiner Wange worauf er mir tief in die Augen sah. "Danke", flüsterte er leise.

Während mein Herz wie verrückt schlug, versuchte ich meine Tränen zurückzuhalten. Wieso musste sein Vater so eine Entscheidung treffen? Und wieso brach es mir erneut das Herz? "Wir sehen uns Ethan Lewis", lächelte ich ihn mit einem falschen Lächeln an. "Wir sehen uns bald."

Ich wollte die Verabschiedung für beide so leicht wie möglich machen, und ging langsam rückwärts auf meine Haustür zu. Die Sekunden kamen mir wie Stunden vor - wir starrten uns an. Als ob beide sich noch einmal einprägen wollten, wie der andere aussah. Bevor ich jedoch in das Haus ging sagte er laut und deutlich meinen Namen: "Katelyn."

Ich stoppte und drehte mich sofort um. Die wenigen Meter zwischen uns schloss er, nahm mein Gesicht in seinen Händen und drückte seine Lippen auf meine.

An jenem Abend küssten Ethan Lewis und ich uns zum ersten Mal.

Der Sommer gehört unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt