"Vielleicht hätte ich dich wenigstens einmal anrufen sollen in den letzten Tage - vielleicht hätte ich dir auch einfach einen Besuch abstatten sollen. Doch du weißt auch wo mein Zuhause ist, du hast auch meine Nummer. Wenn du mich sehen wolltest, wieso hast du es dann nicht getan?"
Sprachlos sah ich ihn an. Ethan Lewis hatte ein gutes Argument. "Ich weiß es nicht", antwortete ich schließlich.
"Und jetzt stehst du hier vor mir und wirst mir Sachen an den Kopf. Du behauptest Dinge, von denen du nicht einmal eine Ahnung hast", spannte er seinen Kiefer an und sah mir tief in die Augen. "Ich habe nicht gewusst, dass du den Kuss zwischen Jen und mir gesehen hast. Wieso fühle ich mich so schlecht? Wieso fühle ich mich so, als wäre ich dir eine Entschuldigung schuldig? Du bist hier in einer Beziehung, nicht ich."
Ich realisierte in diesem Moment, dass er aus meinem gegebnem Kontext vor wenigen Minuten, nicht herausfiltern konnte, dass ich nicht mehr in einer Beziehung war. "Ich bin nicht mehr mit John zusammen", sagte ich ohne Emotionen und stand wie ein kleines Mädchen vor ihm. Ein Mädchen, welches keine Ahnung von Liebe hatte und doch vor einem Jungen stand, welchen sie mehr als jeden anderen mochte.
Für wenige Sekunden starrte er mich an und versuchte diese Information auf sich wirken zu lassen. "Hast du dich deswegen die Tage zurückgezogen?", fragte Ethan vorsichtig.
Ich sah weg. Wie sollte ich ihm die Gefühle erklären, die ich verspürte, als ich mit John Schluss machte? Zwar liebte ich John nie und doch brach es mir das Herz ihn gehen zu lassen. Wie hätte ich ihm erklären sollen, dass ich ein gebrochenes Herz hatte obwohl ich nicht wusste was Liebe ist. Wie?
"Weißt du Katelyn, genau das ist dein Problem", gewann er meine Aufmerksamkeit. "Wie sollen die Menschen rund um dich herum wissen wie es dir geht, wenn du nicht darüber redest? Wie soll ich dir helfen, wenn du deine Gefühle in den Hintergrund stellst? Wie zur Hölle hätte ich wissen sollen, dass du in deinem Zimmer verkrochen bist, weil du mit deinem Freund Schluss gemacht hast? Wie kannst du mir in diesem Moment die Schuld geben? Alles was ich", zeigte er mit seiner Hand auf sich und sah mich mit einer gerunzelten Stirn an, "diese ganzen Jahre versucht habe zu machen, war dir mit deinen Gefühlen zu helfen. Ich wollte für dich da sein. An manchen Tagen bin ich auf dich zugegangen und habe eine kalte Schulter als Antwort bekommen und dennoch ließ ich mich nicht davon beirren. Katelyn aus irgendeinem Grund war mir dein Wohlbefinden immer wichtig. Auch als du mich gehasst hast. Auch, als du mich an jenem Abend weinend zurückgelassen hast. Du warst und bist mir immer wichtig gewesen. Und zu hören, dass du denkst du seist irgendein Mädchen für mich ...", atmete er tief durch und schloss seine Augen. Nach wenigen Sekunden fuhr er fort und öffnete seine Augen: "Verletzt mich ... es zerfrisst mich von innen. Da ich dachte ich hätte dir die ganzen Jahre das Gegenteil gezeigt. Du hättest einfach auf mich zukommen sollen und ich hätte Alles stehen und liegen für dich gelassen. Wieso bist du einfach nicht zu mir gekommen?"
"Aber, wenn du so empfindest Katelyn, dann kann ich auch Nichts mehr daran ändern und es zeigt mir, dass du mich als Person und meine Zeit nie wertgeschätzt hast. Weil du so oder so immer dachtest, das Alles wäre eine Lüge gewesen."
In diesem Moment spürte ich die Tränen über meine Wangen fließen. Ich wusste, dass er mit all diesen Worten recht hatte. Nichts auf dieser Welt bereute ich mehr als die Worte, die vor wenigen Minuten meine Lippen verließen. Denn ich wusste, dass ich ihn damit verletzte und genau das wollte ich erzielen. Doch in diesem Moment wünschte ich mir Nichts mehr als für Alles zu entschuldigen - es war jedoch zu spät. "Was soll das jetzt heißen?", fragte ich mit einer heiseren Stimme.
"Vielleicht ist es gut so - ich habe Etwas realisiert und vielleicht musste ich es auf die harte Art und Weise erst sehen", ging er langsam rückwärts zurück. In seinen Augen sah ich einen Schmerz, den ich so noch nie sah. Sah er genau dasselbe in meinen?
Ich hatte große Angst ihn zu fragen und dennoch tat ich es. "Was hast du realisiert?", flüsterte ich während meine Tränen über meine Wangen flossen. Heute zurückgesehen, tat diese eine Antwort noch immer höllisch weh.
"Dass nicht jede Liebesgeschichte ein glückliches Ende hat." Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ mich zurück am Sandstrand. Weinend sah ich ihm hinterher und realisierte, dass wir schon einmal in dieser Situation waren. Jedoch vor zwei Jahren ließ ich ihn alleine stehen.
Die Tage danach vergingen und bevor ich es realisierte stand der September vor der Tür. Meine Freunde verließen die Insel um ihr neues Schuljahr zu starten. Ethan Lewis verließ ebenfalls Nantucket. Anders als die Anderen, verabschiedete er sich nicht und verschwand.
Die Blätter verfärbten sich und fielen. Der Winter zog an uns vorbei und irgendwann blühten die wunderschönsten Blumen auf Nantucket wieder. Der nächste Sommer stand vor der Tür und der Weg von vielen Menschen, unter anderem auch der meiner Freunde, fand wieder zurück zu unserer Insel.
Doch nicht Ethan Lewises Weg. Im jenem Sommer, als ich neunzehn war, fehlte jegliche Spur von ihm. Er kam nie.
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Der Sommer gehört uns
Cerita PendekNach acht Jahren kam Ethan wieder zurück in Katelyns Leben. Jeden einzelnen Sommer danach rannten sie sich über den Weg. Eine Geschichte, zwei Freunde und der Sommer, der jedes Jahr ihnen gehörte. - dansxwritings Juni 2018