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Ich stürmte aus dem Restaurant um frische Luft zu schnappen. Mit meinen Händen griff ich mir durch mein kurzes, braunes Haar und schloss meine Augen. In den nächsten Sekunde kämpfte ich mit meiner schweren Atmung und den Emotionen, die in diesem Moment hervorkamen. Was tat ich bloß nur hier?

Ich hielt mich an einem Tisch fest und bückte mich leicht nach vorne. "Was tust du hier? Was tust du hier?", flüsterte ich immer weiter und weiter die Frage. Stark schluckte ich und schnappte tief nach Luft. Ich stellte mich wieder aufrecht hin und atmete tief aus - meine Haare strich ich hinter meine Ohren und öffnete meine Augen.

"Katelyn?", hörte ich eine bekannte Frauenstimme meinen Namen sagen. Sofort drehte ich mich um und sah Ethan's Mutter vor mir stehen. "Ich wusste doch, dass ich dich gesehen habe-", plötzlich bemerkte sie meine schwere Atmung und runzelte ihre Stirn. "Alles okay, Liebes?", fragte sie vorsichtig und kam mir einen Schritt näher. Eine Antwort war nicht nötig, denn sie wusste es.

Dennoch entschied ich mich für eine Ausrede: "Oh ja, ich hatte gestern so viel um die Ohren und dann der lange Flug ...", wendete ich mit meiner Hand in der Luft und zwang mir ein Lächeln auf. "Ich brauchte nur kurz frische Luft."

Seine Mutter kam mir näher und zog mich plötzlich in eine Umarmung. "Ich weiß, es ist hart für dich", flüsterte sie plötzlich in mein Ohr. "Es bedeutet ihm eine Menge, dass du hier bist. Ich danke dir Katelyn", ließ sie mich los und schenkte mir ein leichtes Lächeln. "Nach all den Jahren bedeutest du ihm noch immer sehr viel und das sollst du wissen."

Eigentlich sollten die Worte mich besser fühlen lassen, doch sie taten genau das Gegenteil. Ich wünschte, ich könnte einfach verschwinden. Weder Ethan noch Tienna sehen - einfach wieder zurück in meine kleine Blase. Mich zurück in meine Arbeit stürzen und mir keine Gedanken über irgendjemanden machen. Doch ich befürchtete, dass dies nicht mehr möglich war. Denn mit dem heutigem Ereignis platzte die Blase endgültig.

Schlussendlich entschied ich mich dafür zurück in das Restaurant zu gehen und meine Sachen zu schnappen und zu verschwinden. Ohne meinen Kopf zu heben, drängte ich mich durch die Menge, ich schnappte nach meiner leichten Jacke und meiner Tasche. "Katelyn, oder?", hörte ich zum dritten Mal heute dieselbe Frage. Mit meinen Sachen in der Hand drehte ich mich um und sah Tienna vor mir stehen. Ich schluckte stark. "Oh mein Gott, ja du bist es!", lachte sie und zog mich in eine Umarmung. Sofort ließ sie mich los und schüttelte ihren Kopf: "Es tut mir so leid - es fühlt sich bloß nur so an, als würde ich dich kennen! Ethan hat nie aufgehört von dir zu erzählen." Ich versuchte den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken und Etwas zu sagen, doch es gelang mir nicht. Tienna schien überaus freundlich und liebevoll zu sein. Doch war ich bereit mit ihr zu reden? "So sehr, dass ich die ersten zwei Jahre unserer Freundschaft dachte ihr wärt zusammen!", lachte sie und strich sich leicht durch ihr blondes Haar. Erst jetzt bemerkte sie die Sachen in meiner Hand. "Oh nein, du gehst schon?"

"Uhm", sagte ich völlig perplex und sah mich um. Von Ethan fehlte erneut jede Spur. "Ja, mir geht es leider nicht so gut. Ich wollte mich gerade eben von Euch verabschieden", log ich und lächelte sie mit einem falschem Lächeln an. Eigentlich wollte ich einfach nur verschwinden.

"Ich würde mich einfach so gerne noch mehr mit dir unterhalten", atmete sie tief aus. "Wir haben Morgen ein Brunch bei uns zuhause. Die engsten Freunde und unsere Familien sind eingeladen - wir würden uns Beide so sehr freuen, wenn du kommen würdest!"

Einige Sekunden starrte ich sie an. Ich hielt es nicht auf der Hochzeit aus, wie solle ich es in ihrem Eigenheim schaffen? Weil ich noch nie "nein" sagen konnte, nickte ich und lächelte sie erneut falsch an: "Das klingt gut!"

"Perfekt", lächelte sie überglücklich und drückte mich in eine weitere Umarmung. "Morgen um zwei bei uns! Ich sage Ethan Bescheid, dass er dir Morgen früh unsere Adresse zukommen lassen soll!"

Noch immer überfordert von der Situation, strich ich ihr leicht über den Rücken und entfernte mich dann aus der Umarmung. "Herzlichen Glückwunsch und es war toll dich endlich kennengelernt zu haben - wir sehen uns morgen!" Ohne auf ihre Antwort zu warten, machte ich mich direkt auf den Weg aus dem Restaurant. Ich versuchte so schnell und soweit wie möglich von diesem Ort zu bewegen. Ich versuchte keine Sympathie gegenüber Tienna aufzubauen, doch ich konnte nicht anders, als sie zu mögen. Sie machte Ethan glücklich und gab ihm Dinge, die ich ihm nie geben konnte. Vielleicht war es das Schicksal, vielleicht musste unsere Geschichte so enden. Und vielleicht hatte Ethan recht - vielleicht hat nicht jede Liebesgeschichte ein gutes Ende.

In meinem Hotelzimmer wälzte ich mich die nächsten fünf Stunden in meinem Bett hin und her. Um drei Uhr morgens, entschied ich mich eine heiße Dusche zu nehmen - einfach um meinen Kopf für den Moment frei zu kriegen. Je länger jedoch das Wasser über meinen Körper prallte, desto lauter und mehr wurden meine Gedanken. Aus diesem Grund stieg ich bereits nach acht Minuten aus der Dusche. Ich zog mir Nates T-Shirt über den Kopf, kämmte meine Haare und legte mich mit nassem Kopf in mein Bett. Sofort schnappte ich nach meinem Handy und schrieb meinem Freund eine Nachricht - in der Hoffnung, dass er bereit wach war. An manchen Sonntagen wachte Nate besonders früh auf um eine Runde laufen zu gehen - doch nicht an diesem Sonntag.

Ich erhielt dennoch eine Nachricht. Eine Nachricht von Ethan. Er sendete mir die Adresse von Tienna und ihm. Einige Sekunden starrte ich den Bildschirm an und überlegte, ob ich auftauchen sollte oder nicht. Plötzlich sah ich die Sprechblase mit den drei Punkten - er schrieb noch Etwas?

"Ich hoffe Dir geht es besser. Tienna hat mir erzählt, dass es dir nicht so gut ging", runzelte ich meine Stirn und flüsterte Ethans Nachricht leise vor mich hin. Die Sprechblase mit den drei Punkten tauchte erneut auf. Wenige Sekunden später kam auch eine weitere Nachricht an: "Tut mir leid, dass wir uns nicht besonders viel unterhalten konnten. Aber wir sehen uns heute, oder?" Erneut starrte ich bloß nur meinen Bildschirm an. Ich biss mir auf die Unterlippe und war kurz davor ihm zu antworten. Doch dann tauchte die Sprechblase erneut auf. Ethan tippte Etwas für einige Sekunden und löschte es wieder - die Sprechblase verschwand.

Aber wir sehen uns heute, oder?

Ich warf mein Telefon auf den Boden und drehte mich auf meinen Bauch um. Mein Kopf drückte ich in mein Kissen und drückte meine Fingernägel in das Bettlaken. "Ich will dich nie wieder sehen, ich will dich nie wieder sehen", sprach ich immer und immer wieder. Doch war das wahr? Wollte ich denn Ethan wirklich nie wieder sehen?

Am nächsten Morgen entschied ich mich dennoch hinzufahren. Denn irgendetwas in mir wollte ihn unbedingt ein letztes Mal sehen.

Der Sommer gehört unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt