Zu wissen, dass er wieder hier war, brachte mein Herz zum Rasen. Ich dachte nicht oft über die Sommernacht, als er mich weinend zurückließ, nach - einfach, weil es heute noch schmerzte, wenn ich an den Stich in meinem Herzen zurückdachte. Monate lang ignorierte ich diese Gefühle und fokussierte mich auf das, was in dem Moment zählte. Doch wie so oft holten mich meine Gefühle ein.
Auch, wenn ich Ethan Lewis bloß nur für eine Sekunde ansah, konnte ich nicht ignorieren wie wunderschön er aussah. Über das Jahr trainierte er umso mehr, weswegen sein Pullover enger an ihm anlag, während seine braunen Haare länger als je zuvor waren - und trotzdem war jede leicht lockige Strähne perfekt auf seinem Kopf platziert.
Als ich ihm zusah wie er mit dem anderen Jungen in seinem Auto einstieg, spürte ich den Schmerz in mir. Wir waren noch nie in so einer Situation. Auch damals, als ich ihn weinend auf dem Strand zurückließ, tat er im nächsten Sommer so, als wäre Nichts passiert. In diesem Sommer tauchte er nicht auf. Und jetzt war er hier mit seinem Vater.
Am liebsten würde ich zu ihm rennen, ihn in meine Arme nehmen und mich für all meine Worte entschuldigen. Ich würde ihm erklären wieso ich diese ganzen Worte sagte und, dass ich sie nie meinte. In dem Moment wollte ich Nichts mehr als ihm zu sagen wie ich über ihn fühlte. Doch ich konnte nicht.
Solange kam ich mit dem Schmerz in mir aus und mittlerweile gewohnte ich mich daran. Ich war mir zu dem Zeitpunkt nicht mal mehr sicher, ob ich noch dieselben Gefühle für ihn hatte oder nicht. Immerhin waren mehr als vierzehn Monate vergangen.
Alles was ich in diesem Moment wollte, war meinen besten Freund. Ich brauchte ihn nicht als Partner, ich wollte einfach meinen besten Freund wieder zurück. Denn nur mit ihm konnte ich unbeschwert über Alles reden - nur er hat mich verstanden.
Am nächsten Tag machte ich mich schon viel früher auf den Weg zum Restaurant, weil an diesem Tag eines der vielen Thanksgiving-Feiern war. Mit meinen Kolleginnen dekorierte ich das ganze Restaurant und ging mit unserem Chefkoch die ganzen Speisen durch. Irgendwann sammelten sich schon die ersten Gäste.
Ethan Lewis Familie waren ebenfalls Gäste.
Ich nahm mir vor so professionell wie möglich zu sein, doch als sie sich auf ihre Tische hinsetzten, verschwand ich hinter der Theke. Nicht nur Ethan Lewis, sein Vater und der Junge in meinem Alter saßen am Tisch, sondern auch eine ältere Frau, ein kleineres Mädchen und noch ein Junge. Neben Ethan Lewis saß ein viel älteres Paar, vielleicht seine Großeltern, und noch eine weitere Familie mit zwei Kindern. Ethan Lewis sah sich die ganze Zeit im Restaurant um.
Damals wusste ich es nicht, doch heute weiß ich, dass er sich damals nach mir umsah. Ethan Lewis wollte damals sehen ob ich noch immer im Restaurant war. Wieso, wusste er auch nicht - er wollte mich einfach nur sehen.
Ich bediente jedoch alle anderen Tische und machte stets einen großen Bogen um seinen. Er war in der ganzen Zeit so oder so vertief in seiner Speisekarte und danach in seinem Handy. Ethan Lewis führte mit keinen der Personen eine Konversation. Der Junge, der in meinem Alter war, versuchte ab und zu ein Thema mit ihm anzufangen, doch Ethan Lewis ließ sich nicht darauf ein. Ich sah ihm an, dass er so schnell wie möglich von dieser Situation flüchten wollte.
Während ich hinter der Theke Getränke für die neuen Gäste vorbereitete, kam plötzlich jemand auf mich zu. "Dich kenne ich", sagte plötzlich eine männliche Stimme gegenüber von mir. Ich sah hoch und erkannte den Jungen von Ethan Lewises Tisch. "Ich mein von dem Zeitungsartikel", deutete er lachend auf den ausgeschnittenen Artikel hinter mir. Mein Dad rahmte den Artikel damals ein und hing ihn im Restaurant auf.
Ich lächelte ihn schwach an und nickte - ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
"Mein Vater hat uns den Artikel gezeigt bevor wir hierher gekommen sind", lachte er und schüttelte seinen Kopf, dabei sah er über seine Schulter und deutete auf den Tisch, wo Ethan Lewis saß. Er war noch immer in seinem Handy vertieft. "Ethan, mein Stiefbruder, meinte, dass euch das Haus gleich neben uns gehört."
Ich schluckte stark. Ethan sprach von uns? "Ja gehört es", meinte ich schließlich und vergaß die Getränkebestellung plötzlich. Verwirrt sah ich mich nach meinen Notizen um.
"Sehr bewundernswert, was du Alles in deinem Alter machst. Ich weiß nicht einmal was ich derzeit auf dem College tue", lachte er vor sich hin und atmete dann tief aus. "Oh tut mir leid, ich habe mich nicht vorgestellt", schüttelte er mit gerunzelter Stirn seinen Kopf und streckte mir danach lächelnd eine Hand aus. "Ich bin Connor, vielleicht sieht man sich ja noch die nächsten Tage. Immerhin wohnst du gleich nebenan", zwinkerte er mir zu.
Ich wollte nicht unfreundlich sein und streckte ihm ebenfalls meine Hand aus. "Katelyn, manche nennen mich auch Kat." In diesem Moment sah ich über Connors Schulter und sah wie Ethan Lewis bemerkte, dass sein Stiefbruder nicht mehr neben ihm saß. Er sah sich verwirrt um. Nach wenigen Sekunden fand er ihn. An der Theke.
Ethan Lewises Augen trafen meine.
Er sah meine Hand in Connors.
Ethan unterbrach den Augenkontakt nicht.
Während Connor weiterhin mit mir sprach, starrte ich ebenfalls Ethan Lewis an.
Und in diesem Moment realisierte ich es. Egal wie viel Zeit verging, egal in welcher Situation wir waren. Seine Augen fanden in meinem gefüllten Raum immer meine. Egal ob acht Jahre oder auch bloß nur 14 Monate. Seine eisblauen Augen lösten jedes Mal dasselbe in mir aus.

DU LIEST GERADE
Der Sommer gehört uns
Short StoryNach acht Jahren kam Ethan wieder zurück in Katelyns Leben. Jeden einzelnen Sommer danach rannten sie sich über den Weg. Eine Geschichte, zwei Freunde und der Sommer, der jedes Jahr ihnen gehörte. - dansxwritings Juni 2018