Normalerweise lenkte mich meine Arbeit von meinen sonstigen Gedanken ab. Doch, egal was ich heute tat, ich konnte nicht aufhören an seine Worte zu denken. Den Schmerz, den ich verspürte, konnte ich nicht mehr verstecken.
Aus diesem Grund entschied ich mich früher nachhause zu gehen und mich ein Wenig auszuruhen. Die letzte Nacht schlief ich nur sehr wenig. Denn in mir war der Schmerz größer denn je. Wäre der Schmerz nicht genug, verspürte ich einen Selbsthass in mir. Ich hasste mich dafür, dass ich in dem Moment ihm nicht meine Gefühle offenbaren konnte. In den letzten Stunden verabscheute ich mich dafür, dass ich bloß nur vor ihm stand und Nichts sagte. Ich verfluchte die Angst in mir. Wieso konnte ich ihm nicht sagen, wie sehr ich ihn liebe?
Denn verdammt ich liebe ihn. Ich liebe Ethan Lewis - die Liebe zu ihm war so groß und so verdammt stark, dass sie mir Angst einjagte. Ethan hatte Recht. Diese Liebe machte mir bewusst wie sehr ich dieses Leben hier auf dieser Insel nicht mochte.
Ich schloss mich in meinem Zimmer ein und sprang erstmal unter die Dusche. Danach zog ich mir irgendein T-Shirt über den Kopf und versteckte mich unter meiner Decke. Ich schloss meine Augen und hoffte, dass ich jeden Moment aus diesem Alptraum aufwachte. Nichts mehr wünschte ich mir mehr in diesen Minuten.
Einige Stunden später wachte ich schlussendlich aus einem unruhigen Schlaf auf. Die ersten Sekunde war ich ein Wenig desorientiert und dachte ich wäre viel zu spät dran. Ich sprang auf und schnappte nach meinem Telefon um die Uhrzeit zu checken - 21.47 Uhr. Erst danach realisierte ich, dass ich früher aus der Arbeit heim ging und einschlief. Ich schlief neun Stunden.
Mein trockener Hals sorgte dafür, dass ich mir im nächsten Moment kurze Hosen anzog und hinunter in das Erdgeschoss ging. Während ich im Flur stand, bemerkte ich, dass überall im Haus Lichter an waren - mein Vater. Mit großen Schritten machte ich mich auf den Weg in das Wohnzimmer und sah meinen Vater auf dem Ledersofa sitzen. Während er mit seiner Brille auf dem Kopf auf seinem iPad beschäftigt war, lief ein Baseball-Spiel auf dem großen Fernseher.
Im nächsten Moment drehte er sich um und lächelte breit. "Hallo Liebes, du hast den Schlaf wohl sehr gebraucht", stand er sofort auf und legte sein iPad auf die Seite.
Noch nie war ich so glücklich ihn zu sehen. Die letzten Tage alleine, waren einer der schlimmsten in meinem Leben und aus diesem Grund freute ich mich ihn zu sehen. Die Lücke zwischen uns schloss ich sofort und fiel ihm in die Arme. "Dad", flüsterte ich leise und schloss meine Augen.
Wir setzen uns danach zusammen auf die Couch und sahen das Spiel an. Ich kuschelte mich nah an ihn heran und versuchte mich auf das Geschehen im Fernseher zu konzentrieren. Doch meine Gedanken schweiften immer und immer wieder zu dem Jungen nebenan.
Mein Vater erzählte mir von seinem Urlaub und von seiner Familie. Er sprach von all meinen Cousinen und von den tollen Dingen, die sie miteinander taten. Den Part, dass sie mich alle vermissten, ließ er nicht aus und wiederholte einige Male. "Was hast du so getrieben?", fragte mein Vater schließlich und strich mir sanft über mein Haar.
In diesem Moment vermisste ich meine Mutter, wie noch nie zuvor. Denn in diesem Moment wollte ich über meinen Liebeskummer sprechen, ich wollte jemanden von dem Schmerz in mir erzählen. Doch aus irgendeinem Grund konnte ich meinem Vater nicht davon erzählen. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht so schwach vor ihm wirken. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals und antwortete: "Nicht wirklich viel. Ich habe mich mit Ruth und den anderen getroffen und natürlich gearbeitet."
Für wenige Sekunden herrschte Stille im Haus, denn mein Vater schaltete Minuten davor den Fernseher aus. Dad strich mir durch die Haare und drückte mir dann schlussendlich einen Kuss auf meinen Haaransatz. "Mom wäre so stolz auf dich, Katelyn", flüsterte er mir zu.
In all diesen Jahren, verloren Dad und ich nie ein Wort über Mom. Denn dieses Thema war bis heute eines, dass uns beiden das Herz zerriss. "Ich vermisse sie Dad", meinte ich mit einer heiseren Stimme, während sich Tränen in meinen Augen bildeten.
"Ich auch Katelyn, jeden Tag", bildete sich nun ein Kloß in seinem Hals. Dad brauchte einige Momente um seine Kraft wieder zu sammeln. "Bist du glücklich, Katelyn?" fragte plötzlich mein Vater.
Sofort setzte ich mich auf und sah ihm mit wässrigen Augen an. "Wieso denkst du, ich wäre nicht glücklich?"
Er legte seinen Kopf schief und lächelte leicht. "Du schläfst nie mitten am Tag ein. Du hast es bis jetzt nur zwei Mal getan. Der Tag nachdem deine Mutter von uns ging und das andere Mal war, nachdem du Clancy zum Tierarzt fuhrst." Sanft strich er mir über meine Schulter und fragte mich erneut: "Bist du glücklich?"
Ich dachte an meine Mutter. An meinen alten besten Freund, Clancy. An mein monotones Leben und dann .. an meine Liebe, Ethan. In diesem Moment brach ich vor meinem Vater zusammen. Das erste Mal in 21 Jahren sah mich mein Vater weinen. "Ich weiß es nicht", versteckte ich mein Gesicht in meinen Händen.
Sofort griff mein Vater nach mir und drückte mich in eine Umarmung. "Die letzten Jahre warst du meine größte Motivation, Katelyn. Wie du dein Leben auf die Reihe bekommen hast und wie toll du das Restaurant und die Eisdiele führst. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne die wäre. Als deine Mutter von uns ging, gab es Tage, an denen ich gar nicht aufstehen wollte. Doch ich erinnerte mich daran, wie du jeden Tag in deine Hand nahmst und das Beste daraus machtest." Mein Vater hielt mich fest in seine Arme und legte seinen Kinn auf meinen Kopf. "Ich möchte, dass du glücklich bist, Katelyn. Ich möchte, dass du weißt, dass du deiner Mutter und mir Nichts schuldest und du dein Leben wie du möchtest aufbauen kannst. Die ganzen Jahre habe ich das ignoriert und gedacht du wärst glücklich im Restaurant. Doch ich sehe, dass dich Etwas bedrückt und dich unglücklich macht." Dad löste sich aus der Umarmung und nahm dann mein Gesicht in seinen Händen. "Ich möchte einfach, dass du glücklich bist." Mit seinen Daumen strich er meine Tränen weg und lächelte mich leicht an: "Mom würde das auch wollen, Liebes."
Meinem Vater fiel ich ein weiteres Mal in die Arme und weinte, während eine kleine Last von meinen Schultern flog. Niemals dachte ich, ich würde diese Worte brauchen. Noch dazu dachte ich, ich würde diese nie von meinem Vater hören.
Während ich in den Armen meines Vaters war, dachte ich an die Person, die mich glücklich machte. Und zwar Ethan Lewis.
In diesem Moment realisierte ich, dass ich ihm ebenfalls sagen musste, wie ich über ihn fühle. Ich wollte es in diesen Sekunden in die Welt hinausschreien. Denn ich konnte nicht auch ihn verlieren. In den letzten Jahren verlor ich viel zu viel.

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Der Sommer gehört uns
Cerita PendekNach acht Jahren kam Ethan wieder zurück in Katelyns Leben. Jeden einzelnen Sommer danach rannten sie sich über den Weg. Eine Geschichte, zwei Freunde und der Sommer, der jedes Jahr ihnen gehörte. - dansxwritings Juni 2018