In den nächsten Sekunden herrschte eine Stille zwischen uns. Eine Stille, die sich wie ein Ewigkeit anfühlte. Nun stand ich vor ihm und ließ meine Mauern fallen - in diesem Moment war ich verletzbarer denn je und ich bereute es nicht.
Ich sah zwischen seinen eisblauen Augen hin und her und prägte mir jedes kleine Detail seines Gesichtes ein. Denn aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dass diese nächsten Minuten meine letzten mit Ethan Lewis sein werden.
Mein Herz schmerzte, wie noch nie. Diese Art von Schmerz war mir nicht bekannt. Ich dachte ohne ihn zu leben tat weh, doch ihn vor mir stehen zu haben und nicht umarmen zu können, schmerzte umso mehr. In diesem Moment war ich ihm so nah und doch fühlte sich seine Präsenz so fern an.
Während wir uns anstarrten und Tränen über meine Wangen liefen, versuchte ich mich an alle schönen Momente mit ihm zu erinnern. Denn genau so wollte ich ihn in Erinnerungen behalten. Niemals werde ich Ethan Lewis mit dem Schmerz in mir verbinden. Auch, wenn der Schmerz größer denn je war.
Nach einer Ewigkeit löste er den Augenkontakt und schloss seine Augen.
War dies nun das Ende unserer Geschichte?
Ethan schüttelte seinen Kopf und strich sich durch seine braunen Haare.
Ich erkannte die leichten hellen Strähnen. Jeden Sommer wurden seine Haare durch die Sonne heller. In diesem Moment konnte ich nicht anders und dachte daran, dass er wohlmöglich die wunderschönste Person ist, die ich je traf.
Wie konnte ich jemanden wie ihn gehen lassen?
Seine Augen öffneten er, worauf mein Herz anfing schneller zu schlagen. Egal in welcher Situation, sie hatten immer denselben Effekt. Denn diese eisblauen Augen erinnerten mich an gute, wundervolle Zeiten. Sie erweckten nicht nur die Schmetterlinge in meinem Bauch und erinnerten mich an die Liebe, die ich ihm gegenüber verspürte. Sondern sie holten auch wundervolle Erinnerungen hervor. Momente, die ich mit ihm unbeschwert am Strand verbrachte, unser erstes Date und unser ersten Kuss.
"Katelyn", sagte er nach einer Ewigkeit meinen Namen. Ethan atmete tief aus und schüttelte seinen Kopf. "Du hättest nicht hierherkommen sollen", sprach er mit einer verletzenden Stimme aus. Ich sah ihm an, dass ihn dieser Satz erneut das Herz brach.
Ich schluckte stark und verkniff meine Tränen. Liebte er mich denn nicht mehr? "Wieso?", fragte ich mit einer heiseren Stimme.
Ethan kam mir einen Schritt näher. Er schluckte stark und spannte danach seinen Kiefer an, dabei sah er überall hin bloß nur nicht in meine Augen. "Du machst diese Situation bloß nur noch schwerer", blickte er mir endlich in meine Augen.
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und kam ihm nun einen Schritt näher. "Es muss aber nicht schwer sein, Ethan. Du liebst mich, ich liebe dich - wo liegt das Problem?" Versuchte ich die Situation leichter darzustellen.
Bei den Worten breitete sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen aus. Er legte seinen Kopf schief und griff nach meiner Hand. Ethan zog mich zu sich und schüttelte den Kopf. "Ich liebe dich Katelyn, aber-"
"-aber du willst nicht mit mir zusammen sein", brach mein Herz ein weiteres Mal in Millionen Teile. Aus irgendeinem Grund wurde mir schlecht.
Sofort schüttelt er den Kopf und runzelte seine Stirn. "Nein, das stimmt nicht", meinte Ethan und schnappte tief nach Luft. Leicht drückte er meine Hand und antwortete: "Diesen Sommer wollte ich dich endlich nach Jahren fragen, ob du mit mir zusammen sein möchtest. Das Alles lief nicht so wie ich plante", lachte er traurig und sah auf unsere Hände. "Vor dem Sommer habe ich ein Jobangebot in Kalifornien bekommen. Ich war mir so sicher, dass ich dieses nicht annehmen werde, weil ich dann nur noch weiter entfernt von dir sein werde."
Meine Miene veränderte sich. Ethan wollte das Jobangebot nicht wegen mir annehmen? "Ethan, du musst das Angebot annehmen-"
"-ich habe es angenommen", unterbrach er mich sofort und sah mir dann in die Augen. Erneut schluckte er stark und runzelte seine Stirn. "Nachdem ich nach dieser einen Nacht zurück nach Connecticut fuhr, rief ich am nächsten Tag das Büro an und nahm es an." Seine Augen schloss er und holte tief Luft: "Damals dachte ich du würdest mich nicht lieben, aber jetzt weiß ich, dass du dieselben Gefühle für mich hast. Irgendetwas in mir schreit danach diese Chance doch nicht anzunehmen und hier zu bleiben. Vielleicht mich nach Etwas in Massachusetts umzusehen."
In diesem Moment erinnerte ich mich zurück an die Nächte, als wir acht waren. Ethan erzählte mir davon, dass er einmal auf die Westküste ziehen möchte. Sein Traum seit kleinauf war irgendwann seine Sachen zu packen und ein Leben auf der anderen Seite des Landes zu starten. Damals schienen diese Träume so fern - fünfzehn Jahre später hatte er nun die Chance. Ich konnte doch nicht zwischen seinem Traum und ihm stehen. "Du nimmst das Angebot an, Ethan", nahm ich sein Gesicht in meinen Händen und sorgte dafür, dass er mir in die Augen sah. "Wir schaffen das."
Ethan sah zwischen meinen Augen hin und her. "Das Unternehmen bietet mir eine Stelle für vier Jahre an."
Etwas in mir brach erneut. Ethan Lewis wird für vier Jahre auf der anderen Seite des Kontinents leben. Wir schafften es nicht einmal eine Beziehung anzufangen, obwohl wir "nur" sechs Stunden voneinander lebten. Wie sollen wir eine Fernbeziehung mit einem Zeitunterschied schaffen? Ich ließ mir diese Gedanken nicht anmerken und lächelte ihn an: "Wir lieben uns, oder nicht?"
Ein Funkeln tauchte in seinen eisblauen Augen auf. "Tuen wir", nickte er und strich mir sanft über die Wange.
"Diese vier Jahre können uns Nichts - sieh her trotz Meinungsverschiedenheiten und Missverständnissen stehen wir hier", lächelte ich ihn an. Während ich in seine Augen sah, dachte ich erneut an den eigentlichen Grund, der mich hierher führte. "Es tut mir so leid, Ethan."
"Wie lange bleibst du hier?", strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht und strich mir danach leicht mit seinem Daumen über meine Wange.
"Ich habe zwei Wochen frei - oder besser gesagt zwei Wochen Zeit bis mich das Restaurant und die Eisdiele wieder braucht", lachte ich und legte meinen Kopf schief. "Wieso?"
"Genug Zeit um dich endlich meinen Freunden vorzustellen und dir mein Leben zu zeigen", drückte er mir einen Kuss auf die Stirn und zog mich dann schlussendlich zu sich. Seine Arme legte er um meinen Körper und drückte mich fester denn je. Während ich seinen Herzschlag unter meinen Ohr spürte, lächelte ich vor mich hin und schloss meine Augen.
"Ich habe dich so vermisst Ethan", flüsterte ich leise und drückte ihn fester.
In diesem Moment genoss ich seine Gegenwart und wollte diesen Moment für immer stoppen. Die nächsten zwei Wochen verbrachte ich mit Ethan Lewis in Old Greenwich. Nie im Leben dachte ich, ich würde mich noch mehr in ihn verlieben - doch es war tatsächlich möglich. Gegen Ende meines Urlaubes entwickelte ich diese tiefgründige Liebe zu ihm - eine Liebe die ich so nie wieder verspüren werde.
Während der Zeit in Old Greenwich liebten wir uns wie noch nie zuvor. Wir verbrachten jede Sekunde miteinander und sagten uns jeden Tag wie sehr wir uns liebten. Die Zeit, die ich in diesem Sommer mit Ethan verbrachte, waren wohl die schönsten Tage, die ich je erlebte.
Doch während der Zeit realisierten wir Eines. Am Ende des Tages waren vier Jahre eine sehr lange Zeit. Trotz der Liebe, die wir füreinander verspürten, entschieden wir uns keine Beziehung einzugehen. Da wir Beide Angst hatten zu versagen. Vielleicht hätten wir dieses Risiko eingehen sollen und vielleicht hätte es sogar funktioniert.
Nach zwei wundervollen Wochen mit Ethan Lewis holte mich wieder mein Alltag auf Nantucket ein. Bevor Ethan Lewis nach Kalifornien flog, um seinem neuem Job nachzugehen, versprach er mir für ein letztes Wochenende nach Nantucket zu kommen.
Doch Ethan war Ethan.
Er tauchte nicht auf und vielleicht war es auch am Besten so.
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Der Sommer gehört uns
Short StoryNach acht Jahren kam Ethan wieder zurück in Katelyns Leben. Jeden einzelnen Sommer danach rannten sie sich über den Weg. Eine Geschichte, zwei Freunde und der Sommer, der jedes Jahr ihnen gehörte. - dansxwritings Juni 2018