8.

638 92 9
                                    




                Ethan kam nicht. Und genau diesen Sommer brauchte ich ihn so sehr. Wieso ließ ich es wieder zu? Mein 15-jähriges Ich klemmte sich wieder an die Freundschaft, die wir einst hatten. In diesem Sommer verfluchte ich das Mädchen aus dem letzten Jahr.

                 Anfangs dachte ich, dass er vielleicht nicht, wie sonst auch, Ende Juni kam. Ich wartete und wartete und ich erwischte mich wie ich jeden Morgen hoffte sein schwarzes Auto in seiner Einfahrt vorzufinden. Doch Ende August wusste ich, dass er nicht mehr kam. In dem Jahr rief ich ihn kein einziges Mal an. Denn immer wieder redete ich mir ein, dass ich bloß nur jemand für den Sommer war. Dass er jemanden wie mich nicht in seinem Alltag haben wollte. Doch in diesem Sommer brauchte ich ihn.

                Einige Male wählte ich sogar schon seine Nummer und war nur wenige Sekunden entfernt seine Stimme zu hören. Doch ich tat es nie. Ich rief Ethan nie an. Und eben, weil ich ihn nie anrief, dachte ich er hätte sein Angebot vergessen. Diesen Sommer brauchte ich ihn. Ich musste mit jemanden darüber reden. Denn es war an der Zeit. Zeit sich von meiner Mutter zu verabschieden.

                Die Frage, die sich mein 16-jähriges Ich ständig stellte war: Wie verabschiedete ich mich von meiner Mutter? Was, wenn ich nicht bereit war, sie loszulassen? Wieso meine Mutter? Wieso durfte ich nicht, wie jeder andere, Zeit mit meiner Mutter verbringen? Wieso?

                Den ganzen Sommer verbrachte ich damit an ihrem Krankenbett zu sitzen und ihr aus ihrem Lieblingsbuch vorzulesen. Ich blieb jeden Tag an ihrer Seite. Wenn sie nicht schlief, bat sie mich darum doch endlich meinen Sommer zu genießen. Doch jedes Mal schüttelte ich den Kopf. Und während unserem letzten Gespräch sagte ich ihr: "Mum verstehst du es nicht? Ich genieße jede Minute, die ich mit dir habe - meine Freunde können warten." Hätte ich nur damals gewusst, dass das das letzte Gespräch sein wird. Dann hätte ich so Vieles mehr gesagt.

               Meine Mutter schlief am 24. September in diesem Jahr ein und wachte nie wieder auf. Mit 16 Jahren erreichte ich meinen Tiefpunkt. Erst als meine Mutter verstarb, erfuhren meine Freunde davon. Nach dem Verlust sprach ich nicht mehr viel. Auch als meine Freunde da waren für mich, wünschte ich mir keinen mehr als Ethan. Denn aus irgendeinem Grund verstand er mich ohne Worte.

Der Sommer gehört unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt