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Song: in the dark - Camila cabello

Bluebell's Sicht

Ich strich mir durch meine nun hellblonden Haare. Es fühlte sich immer noch ungewohnt an und ich wusste noch nicht wirklich ob mir die Farbe so gefällt oder nicht. Aber sie muss ja nicht schön aussehen sondern einfach nur ihren Zweck erfüllen: unerkannt zu bleiben.

Ich war in einen der äußersten Teile von New York und suchte verzweifelt nach meinem neuen Auto, was mit Cap auf dem Kopf und Sonnenbrille an einem gar nicht mal so sonnigem Tag nicht sonderlich einfach war. Irgendwo hier hatte Ricardo das Auto abgestellt mit dem ich in die besagte kleine Stadt in Michigan fahren soll. Ja fahren die ganzen langen Stunden von New York und nicht fliegen, weil mich ja irgendwelche Leute sehen könnten.
Ricardo nahm die Sache mit dem Inkognito sein offensichtlich ernster als ich dachte.

Nach weiteren fünf Minuten überraschte mich der laute Piepton von dem Auto, natürlich war ich nicht schon früher darauf gekommen einfach auf den Autoschlüssel zu drücken. Als ich das Auto dann entdeckte blieb mir der Mund offen stehen. Es war ein waschechter Alter Truck. Ich kreischte kurz auf. Mit so einem Auto wollte ich immer schon fahren. Vergesst die Range Rover, Massarati's und Porsche ich fand Trucks viel toller.

Ich stieg schnell ein, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und holte einmal tief Luft. Es roch sogar gut. Ich fuhr mit meinen Fingern über den Sitz neben mir und erlaubte mir noch ein mal einen kurzen Freudenschrei. Ich war frei. Zwar nur für drei Monate aber ich war frei. Ich startete den Wagen und sogar das Geräusch des Wagens war klasse. Vielleicht war die lange Fahrt ja doch nicht so schlimm.

Ich fuhr nun schon eine Stunde über die Autobahnen, die für einen Freitag Nachmittag gar nicht mal so voll waren und hörte dabei ein bisschen Musik.

Als dann ‚ In The dark' von Camila Cabello lief lies ich einfach alles von mir ab und konzentrierte mich nur auf die Musik und die Straße. Bis zum Ende des Liedes schrie ich fast vor Euphorie. Ich war frei. Für drei Monate keine Ricardo, der mir einen Termin nach dem anderen aufdrückte und keine Mum mit Thesen, wie: „ Sitz gerade Bluebell!" „ Mach das Bluebell." „ Du hättest ja wohl schon genug Nachtisch Bluebell." Endlich frei, endlich ich. Hoffentlich.

Nach weiteren fünf Stunden Fahrt musste ich so langsam tanken, weshalb ich an einer dieser großen Tankstellen abbog und den Tank einmal volltankte. Der Truck konnte erstaunlich viel fassen. Ich liebte dieses Auto. Es war wie für mich gemacht.

Drinnen kaufte ich mir noch schnell ein paar Chips und ein Wasser. Und als ich den ersten in den Mund nahm stöhnte ich auf. Seit Jahren hatte ich so etwas schon nicht mehr gegessen und es ist das beste Gefühl von allen. Ich hatte kurz neben einem Feld geparkt und mich auf die Ladefläche gesetzt. So würde ich jetzt jede Mahlzeit einnehmen.

An mir führen einige Autos vorbei und in einem saß eine Gruppe Jugendliche, die bei meinem Anblick die Fenster nach unten rollten. Oh Gott ich wusste doch, dass nur meine Haare zu verändern zu wenig war. Sie hatten mich erkannt. F*ck.

„ Na Honey hast du Lust mitzukommen?" Jetzt war ich doch etwas verwirrt. „ Bitte was?" „ Ob du mitkommen willst? Wir fahren wohin du auch willst." „ Ühm ne keinen Bedarf vielleicht ein ander mal." Die vor Jungs fuhren grölend davon und in genau diesem Augenblick fühlte ich mich das erste mal vielleicht in meinem Leben ganz normal.

Nach diesem Vorfall bin ich dann doch um weitere zu vermeiden schnell wieder ins Auto und losgefahren. Dabei hatte ich meine Playlists rauf und runter gehört und mich einfach nur glücklich gefühlt.

Zwischendurch hatte meine Mutter kurz angerufen, um zu fragen, ob alles geklappt hatte und auch Ricardo hatte kurz von sich hören lassen, aber beide hatten angekündigt nicht mehr so oft anzurufen, da ja vielleicht jemand ihre Handys hacken könnte und wüsste wo ich mich aufhalte. Offensichtlich waren sie noch paranoider als ich.

Nach einigen Stunden kam ich endlich an. Es war eigentlich eine ganz normale kleine Stadt. Es war zwar schon sehr dunkel, doch das konnte ich durch das Licht der Laternen und des Mondes doch noch erkennen. Eine Stadt mit großen Häusern, kleinen Bäckern, einer davon hieß Mary Claire, da musste ich auf jeden Fall mal vorbeischauen, doch ich verließ die Stadt relativ schnell wieder. Onkel Benjamin lebte etwas abgelegen und als ich seine Einfahrt hineinfuhr verkündete auch das navi: „ Sie haben ihr Ziel erreicht." 

Ich stieg aus und der Bewegungsmelder ließ eine der Lampen angehen. Sein Haus war ein Traum. Von außen war es mit weißen Holz Latten umrandet, die zwar schon etwas alt und abgesplittert waren, doch das machten, die Pflanzen wieder wett, die sich darum schlungen. Die Fensterläden waren in einem hellen blau gehalten und als ich weiter ging bemerkte ich sogar eine Veranda. Mehr konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen, doch ich möchte es jetzt schon.

Als ich mit meinen Koffern vor der Tür stand wusste ich dann aber doch nicht mehr weiter. Sollte ich klingeln oder hatte er mir vielleicht irgendwo einen Schlüssel liegen lassen? Ich überlegte mindestens eine Minute, doch da wurde die Tür schon mit einem lauten knarzen geöffnet und Onkel Benjamin trat hervor. Er sah noch genau so aus, wie früher. Braune Mit vereinzelt grauen Haaren, ein kleiner Bierbauch, aber trotzdem immer noch das vertrauenswürdige und lebensfrohe Gesicht, der Grund weshalb sie ihn nicht mehr eingeladen hatten.

Er kam auf mich zu und umarmte mich. Ich war zwar kurz irritiert, doch dann erwiderte ich seine Umarmung. Wow die fühlte sich ja sogar echt an. „ Ach mein Mädchen, groß bist du geworden. Und wo sind denn deine blauen Zotteln hin?" Und genau in diesem Moment kamen mir aus irgendeinem Grund die Tränen, weshalb ich nur: „ Gefärbt." herausdrücken konnte und ihn nochmal umarmte.

„ Aber doch nicht sentimental werden Kleine. Das hier soll doch Spaß machen oder gefällt dir das Haus nicht." Ich schüttelte den Kopf. „ Nein es ist absolut perfekt." „ Na dann komm es gibt doch gar keinen Grund zu weinen. Lass dir Koffer stehen. Schuhe musst du nicht ausziehen. Ich sauge morgen eh. Ich zeige dir jetzt erstmal dein Zimmer, dann kannst du schlafen und morgen bist du wieder so frisch, wie eh und je."

Er führt mich eine knarzende Treppe nach oben und blieb vor einer hellbraunen Tür stehen. „ Hier das ist dein Zimmer. Ich habe es extra für dich eingerichtet. Hoffe es passt so. Ich mache es nicht nochmal neu. Also gute Nacht Kleine. Wir sehen uns dann morgen." Er ging in sein Zimmer, bevor ich überhaupt die Tür zu meinem öffnen konnte.

Als ich die Tür aufstieß hielt ich den Atem an. Erst sah ich das große alte Himmelbett mit kleinen Bemalungen, dann das große Bücherregal mit den nach Farben sortierten Büchern. Dann den großen alten Spiegel und schließlich die alte Kleiderstange. Es war wunderschön und als ich mich auf das Bett fallen ließ fiel ich auf eine hart Matratze. Es war perfekt.

NIGHTS TO REMEMBERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt