- sieben -

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Als seine eisblauen Augen mich treffen und von oben bis unten mustern, ist es eigentlich schon um mich geschehen.

Sein makelloses Gesicht mit den markanten Gesichtszügen wird gerahmt von einem vollen schwarzen Bart. Er trägt einen dunklen Anzug mit einem weißen Hemd drunter, der ihm eine gewisse Autorität verleiht. Klassisch, erwachsen und so sexy.

Ich kann meine Augen weder von ihm lassen, noch kann ich mich auf das Gespräch mit Emily konzentrieren. Ihre Stimme wird zu einem sonoren Hintergrundrauschen, meine Aufmerksamkeit ist nur noch bei dem Unbekannten.

Er bewegt sich kontrolliert und geschmeidig. Er redet mit Khalid, er lacht, er raucht Shisha - und sieht so elegant bei allem aus. Er zieht mich an wie ein Magnet. Ich will ihn. Sofort.

"Oh mein Gott, Em. Guck dir mal den Typen auf 12 Uhr an. Der ist der Hammer! Den muss ich mir klarmachen", zische ich meiner Freundin leise zu, ohne sie anzusehen. Mein Blick klebt immer noch bei ihm.

Abrupt dreht sie den Kopf zu dem Objekt meiner Begierde und fängt ebenfalls fast an zu sabbern. "Oh ja, der ist echt der Hammer. Los, schnapp ihn dir!", ermutigt mich meine Freundin aufgeregt. Ihre blauen Augen funkeln verschmitzt.

Ein Kellner kommt an unseren Tisch und nimmt unsere Bestellung auf. Wir entscheiden uns für zwei Cola und eine Traube-Minze-Shisha. Als er den Tisch wieder verlässt, trifft mein Blick erneut auf die anziehenden eisblauen Augen.

Sein Blick fesselt mich, und ich schenke ihm ein Lächeln. Doch statt zurückzulächeln, zieht er nur eine Augenbraue hoch und mustert mich mit unverhohlener Verachtung. Ohne ein weiteres Wort dreht er sich weg, zieht an seiner Shisha und lässt den grauen Rauch gelangweilt in die Luft aufsteigen.

"Hast du das gesehen?", frage ich meine Freundin entrüstet. Sie nickt wortlos. Ein junger Mann kommt, reicht jedem von uns ein Glas Cola und stellt eine goldene Shisha in die Mitte des runden Tisches. Ich greife nach einem der zwei Schlauch und ziehe den kalten Rauch tief in meine Lunge.

Der dunkelhaarige Mann unterhält sich erneut mit Khalid, weshalb er in unsere Richtung gedreht ist. Ich blase den Rauch möglichst sexy in die Luft und fixiere ihn dabei mit meinen Augen. Er scheint es wahrzunehmen, denn er erwidert meinen Blick fest und schüttelt plötzlich den Kopf.

Khalid wirft dem Mann einen verwirrten Blick zu, kann dessen Geste nicht einordnen, und dreht sich dann um. Sein Blick fällt auf mich, woraufhin er sich erneut zu dem jungen Mann umwendet. Er spricht kurz mit ihm, doch die Worte bleiben mir aufgrund der Distanz verborgen, bevor er zurück zur kleinen Bar mit der bunten Beleuchtung geht.

Der schöne Unbekannte sitzt nun wieder alleine am Tisch. "Ich bin gleich wieder da, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen", raune ich Emily zu und laufe selbstbewusst mit schwingenden Hüften zu seinem Tisch. Ich muss die Gelegenheit einfach nutzen. Ich will ihn kennenlernen. Koste es, was es wolle.

Lasziv setze ich mich auf die Lehne der schwarzen Ledercouch, auf der er sitzt. Ich lächele ihn verführerisch an und schenke ihm einen langsamen Wimpernaufschlag. "Hey, bist du ganz alleine hier?"

"Nein", antwortet er nüchtern.

Hä? Er sitzt alleine am Tisch und das schon, seit wir die Bar vor einer guten Viertelstunde betreten haben.

Ich versuche, mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen und fahre mit meiner Flirt-Offensive weiter fort. "Bist du öfter hier?" So leicht gebe ich nicht auf.

"Colin?", ruft Khalid durch das kleine Ladenlokal. Als Colin sich umdreht, winkt Khalid ihm zu sich herüber.

Immerhin weiß ich jetzt seinen Namen.

Colin erhebt sich von der Couch, beugt sich zu mir runter und sieht mir tief in die Augen. So tief, dass es mich schaudert.

Mit gelassener Stimme und einer unglaublichen Überheblichkeit erklärt er: "Du bist wirklich sehr hübsch, Ariana, aber die ganze Nummer hier", dann zeigt er auf mich und fährt mit seinem Zeigefinger schnell hoch und runter, "ist einfach nicht mein Ding. Schönen Tag noch."

Dann steht er auf und geht.

Ich sitze völlig deplatziert allein auf der Lehne und starre ihm nach.

Was war das denn?

Sowas ist mir noch nie passiert.

Schnell löse ich mich aus meiner Starre und gehe zurück zu Emily. Ich lasse mich neben sie fallen und schüttele ungläubig mit dem Kopf.

"Was ist passiert?"

"Das frage ich mich auch. Ich habe keine Ahnung."

In der folgenden halben Stunde beobachte ich Colin immer wieder, wie er an der Theke lehnt und mit Khalid spricht. Als er zur Toilette geht, warte ich einen Moment und folge ihm dann unauffällig.

Als er herauskommt, stelle ich mich ihm in den Weg. Wenn er nicht mit mir reden will, zwinge ich ihn halt zu seinem Glück.

"Was meinst du mit ‚die ganze Nummer hier‘?", frage ich und fixiere ihn mit zusammengekniffenen Augen.

Er fährt sich frustriert durch seine kurzen, schwarzen Haare. "Zwing mich doch nicht, es auszusprechen. Du weißt doch genau, was ich meine", antwortet er genervt und rollt mit den Augen.

"Was ist dein Problem? Du kennst mich doch gar nicht", zische ich scharf.

Mit einer hochgezogenen Augenbraue fragt er leise: "Wenn du unbekannt bist, wieso kenne ich deinen Namen?“

Seine Stimme lässt eine Gänsehaut über meinen Rücken laufen, obwohl mich die Frage mehr verärgert, als dass sie mich anzieht.

Ich weiß auf seine Frage keine Antwort, auch das passiert mir sonst nie. Er zwinkert mir zu und beantwortet seine Frage selbst: "Dein Ruf eilt dir voraus, und ich stehe nicht auf Schlampen."

Bäm.

Das hat gesessen.

"Ich bin keine Schlampe", antworte ich, meine Stimme klingt unsicherer als sie sollte.

Colin legt seine Hand federleicht auf meinen Oberarm und schon diese kleine Berührung brennt wie Feuer auf meiner Haut. Mit leichtem Druck schiebt er mich zur Seite und läuft einfach an mir vorbei.

Wie in Trance folge ich ihm, meine Knie wackelig und mein Herz bebend, und nehme wieder an unserem Tisch Platz.

Colin verabschiedet sich indes von Khalid, dann verlässt er die Bar.

An der Tür dreht er sich ein letztes Mal zu mir um. Er zwinkert mir mit ausdruckslosem Gesicht zu, dann öffnet er die schwere Glastür und verschwindet.

"Da geht was", vermutet Emily grinsend. Ich schüttele ernüchtert den Kopf und erzähle ihr, was Colin mir vor wenigen Augenblicken an den Kopf geschmissen hat.

Der schönen Rothaarigen klappt die Kinnlade runter und sie sitzt mit offenem Mund vor mir.

"ch kann nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert ist", beende ich meinen Monolog. "Ich habe keine Ahnung, woher er mich kennt und schon gar nicht, woher er diese Dreistigkeit nimmt, mich, eine völlig Fremde, einfach als Schlampe zu betiteln."

"Das geht echt gar nicht, auch wenn es die Wahrheit ist", grinst Emily und bringt mich damit zum Lachen. "Ich hasse dich", zische ich dir zu.

"Und ich liebe dich. Aber den Tag, an dem wir den einen Mann gefunden haben, der deinem Charme nicht auf Anhieb verfallen ist, werde ich mir rot im Kalender markieren", spottet sie weiter.

"Abwarten. Ich kriege ihn schon noch dazu, mir zu verfallen, wirst du sehen", antworte ich mit einem diabolischen Grinsen.

Ich werde Colin verführen und seine angeblichen Prinzipien brechen.

Der Mann, der mir widerstehen kann, muss erst noch geboren werden.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt