- zwölf -

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Neugierig entsperre ich mein Handy und öffne die Nachricht. "Ich habe versucht, dir nicht zu schreiben, aber mein Verlangen nach dir war zu stark.. Colin"

Ich traue meinen Augen kaum. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass er sich bei mir melden wird, ich habe es eher für ein weiteres seiner Spielchen gehalten.

Ich entscheide mich dazu, Colin noch ein bisschen zappeln zu lassen und fahre nachhause.

Erst als ich mich zuhause erschöpft auf die Couch fallen lassen, tippe ich meine wohlüberlegte Antwort in mein Handy: "Colin, schön, dass du dich meldest. Ich war in der Uni und habe danach meine Hausarbeit fertig gestellt. War ein langer Tag. Was treibst du heute so?"

"Ich war den ganzen Tag arbeiten und habe gerade geduscht. Jetzt frage ich mich, wie ich den Abend verbringen soll. Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten? Vielleicht können wir ja heute richtig essen gehen..", kommt wenig später zurück.

Triumphal grinsend sitze ich vor dem leuchtenden Display. Na geht doch! Es hat sich also gelohnt, dranzubleiben.

"Du kannst gerne vorbeikommen, wenn du magst. Ich koche gerade. Wo ich wohne, weißt du ja."

Ich liege zwar wie eine faule Qualle auf der Couch und bin soweit davon entfernt, zu kochen, wie die Erde von der Sonne, aber hinter meinem Plan steckt eine ausgeklügelte Taktik. Anstatt mich mit ihm in ein nobles Restaurant zu setzen, hoffe ich nämlich darauf, ihn heute noch nackt zu sehen.

"Okay, bin in einer halben Stunde da."

Perfekt.

Seine Zusage bedeutet aber auch, dass ich jetzt Gas geben muss. Ich springe von der Couch, frische mein Make-up auf und räume das Wohnzimmer auf. Dann laufe ich in die Küche und beim Blick in den Kühlschrank bereue ich augenblicklich, dass ich Colin so leichtfertig zum Essen eingeladen habe.

Ich suche verzweifelt alles zusammen, was mein leerer Kühlschrank hergibt: Paprika, ein paar Tomaten, Petersilie, Koriander, Tomatenmark und zwei Lachsfilets. Im Vorratsschrank entdecke ich noch eine Tüte Couscous. Damit kann ich arbeiten.

Ich entscheide mich spontan für Couscous-Salat mit Lachs - simpel, aber macht trotzdem was her.

Ich setze zuerst heißes Wasser für den Couscous auf. Als ich gerade beginne, das Gemüse zu schneiden, klingelt mein Handy.

Colin.

"Ja?"

"Ich bin da."

"Und wieso klingelt du nicht?", frage ich irritiert.

"Weil ich nicht, weiß wie du mit Nachnamen heißt, du dumme Nuss", erklärt Colin. Ich höre, wie er schmunzelt.

Ergibt Sinn.

"Nolan heiße ich", antworte ich schnell. "Nolan", wiederholt er und scheint den Namen auf den Klingelschildern zu suchen. Es herrscht einen Moment Stille, dann klingelt es. "Gefunden", antwortet er überflüssierweise. "Habe ich gehört", gebe ich grinsend zurück und drücke ihm die Haustür auf, bevor ich die Wohnungstür öffne und warte, bis er die Treppen hoch kommt.

Colin trägt eine dunkelblaue Jeans und einen grauen Strickpullover, an seinem Hals blitzt der Kragen eines weißen Hemdes hervor. Klassisch und elegant, nichts anderes habe ich erwartet. Er schenkt mir ein umwerfendes Lächeln, welches meine Knie weich werden lässt. Zur Begrüßung haucht er mir einen Kuss auf die Wange. Mein Bauch kribbelt verräterisch.

"Komm, wir gehen in die Küche, ich bin noch nicht fertig", beschönige ich, dass ich gerade erst angefangen habe.

"Okay, ich helfe dir", antwortet er entschlossen und schneidet fleißig das Gemüse, während ich ich den Couscous mit kochendem Wasser aufgieße und den Lachs brate.

Als der Couscous gar ist, mische ich ihn mit der Paprika, den Tomaten, den Kräutern und dem Tomatenmark, bevor ich alles würze und Colin probieren lasse.

"Oh, das schmeckt richtig gut. Ich hätte nicht gedacht, dass du kochen kannst", staunt Colin offen.

Ich zucke mit den Schultern und lege den Kopf schief. Aus meinen großen Augen sehe ich ihn herausfordernd an. "Scheint, als hättest du mich in so einigen Aspekten falsch eingeschätzt", antworte ich spitz.

Ich richte die Lachsfilets und den Couscous auf zwei quadratischen Tellern an, die Colin ins Wohnzimmer trägt. Wir essen gemeinsam und unterhalten uns oberflächlich über Gott und die Welt. Das Essen schmeckt so gut, dass ich von mir selbst beeindruckt bin.

Danach schauen wir uns einen Film auf Netflix. Ich sitze dicht neben Colin auf meiner dunkelgrauen Couch und bemühe mich, mich auf den flackernden Bildschirm zu konzentrieren und nicht nur zu dem gutaussehenden Mann neben mir meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.

Irgendwann legt er beiläufig einen Arm um mich und zieht mich an sich. Ich schmiege mich an seine Brust und kuschele mich mit meiner Wolldecke richtig ein. Colin streichelt zurückhaltend über meinen Arm und ich fühle mich so wohl und geborgen bei ihm wie zuletzt bei John. Er vermittelt mir ein Gefühl von Sicherheit, welches ich in ganzen Zügen genieße.

Colin vergräbt seine Nase in meinen feuchtig duftenden Haaren, presst meinen schlanken Körper noch näher an sich und küsst federleicht auf meinen Scheitel.

Was auch immer ihn dazu bewegt hat, mir doch eine Chance zu geben - ich will es gar nicht mehr hinterfragen, ich will einfach nur dass das hier niemals aufhört.

Ich blicke schüchtern auf und schaue direkt in seine stahlblauen Augen. Er erwidert meinen Blick intensiv und lässt mein Herz schneller schlagen. Wir sind uns nun so nah, dass ich seinen warmen, minzigen Atem auf meiner Wange spüre.

"Du machst mich verrückt, weißt du das eigentlich?", raunt er heiser. Es ist nur eine rhetorische Frage, deshalb beantworte ich sie nicht. Stattdessen überwinde ich die letzten Zentimeter zwischen uns und presse meinen Mund mutig auf den seinen.

Seine Lippen sind weich und schmiegen sich perfekt an meine. Wir küssen uns, doch als ich langsam meinen Mund öffne, um meine Zunge ins Spiel zu bringen, zieht er plötzlich seinen Kopf zurück.

Überrascht sehe ich ihn an, die Fragezeichen stehen mir deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Das war schon mehr als genug, Ariana. Ich wollte mich von dir fernhalten, aber ich schaffe es nicht. Je mehr ich mir dich verbiete, desto mehr ziehst du mich an. Du raubst mir beinahe den Verstand und das ist für keinen von uns gut. Ich gehe jetzt lieber."

Ich verstehe noch gar nicht, was hier gerade passiert, da ist er schon aufgestanden und gegangen.

Ohne ein weiteres Wort aus seinem Mund, der gerade noch sehnsüchtig auf meinem gepresst war. Ohne einen weiteren Blick in seine strahlend blauen Augen, die mich gerade noch mit eindeutigen Blicken gefesselt haben. Und vor allem nimmt er mir die Nähe, die ich so genossen habe. Ich habe das Gefühl zu frieren, wo mir die Wärme seines Körpers  entzogen wurde.

Ich bin viel zu überrascht von seinem Verhalten, als dass ich mich wehren würde. Weder rufe ich ihm etwas hinterher, noch probiere ich ihn aufzuhalten.

Enttäuscht lasse ich mich tiefer in die Polster der Couch sinken. Colins widersprüchliches Verhalten ist so kräftezehrend für mich. Ich verzehre mich nach ihm, doch mein Verlangen wird nicht erwidert.

Höchstens ein süßes Lächeln, vereinzelt nette Worte oder etwas Nähe und im nächsten Moment haut er ab, lässt mich stehen oder sagt wieder was fieses. Es ist, als wäre ich am ertrinken und Colin schmeißt mir einen Rettungsring zu. Ich schwimme mit letzter Kraft auf ihn zu, doch jedes Mal, wenn ich gerade nach dem Ring greifen will, zieht er ihn mir weg. Es ist anstrengend, ermüdend und verletzend.

Und das schon jetzt, bevor es eigentlich überhaupt richtig begonnen hat.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt