- fünfzig -

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Mit schnellen Schritten laufe ich durch die dunklen Straßen nachhause. Zum Glück ist der Weg kurz. Sturzbäche von Tränen laufen über meine Wange und tropfen in mein Dekolleté. Mein Herz fühlt sich an, als sei es an diesem Abend in Abermillionen winzig kleiner Teile zersprungen.

Meine Jacke hängt noch immer in der Disco und so laufe ich spärlich bekleidet, mit nackten Armen und nackten Beinen durch die Kälte. Ich ziehe mein Handy aus meiner Handtasche und sehe eine Nachricht von Elijah. "Wo bist du?"

Ich tippe auf seinen Kontakt und rufe ihn an. "Wo bist du, Ari?", brüllt er in den Hörer, im Hintergrund schallt laute Musik.

Mit weinerlicher Stimme wimmere ich: "Ich bin auf dem Weg nachhause. Kannst du zu mir kommen?" "Ich mache mich sofort auf den Weg."

Zuhause angekommen tausche ich die knappe Hotpants gegen eine gemütliche schwarze Leggings. Meinen drückenden BH öffne ich und schmeiße ihn in den Wäschekorb. Ein Akt der Befreiung. Unter dem feinen Seidentop zeichnen sich deutlich meine Nippel ab, aber das ist mir egal. Ich werfe mir noch eine dicke Strickjacke über die Schultern, um mich zu wärmen. Ich bin durchgefroren und zittere noch immer.

Im Bad ziehe ich mir achtlos die Fake Lashes von den Lidern und wasche mir mit kaltem Wasser und Reinigungsöl die verschmierten Schminkreste aus dem Gesicht.

Als ich gerade mein Gesicht abtrockne, klingelt es an der Tür. Ich öffne und Elijah kommt die Treppen hoch. "Hast du dich umgezogen?", fragt er irritiert und sein Blick ruht einen Moment zu lange auf meinen Brüsten.

"Ja, mir war kalt", antworte ich und wickele die Strickjacke schützend etwas enger um meinen Körper.

Elijah grinst ertappt und tritt ein. Wir machen es uns mal wieder auf der grauen Couch in meinem kleinen Wohnzimmer gemütlich.

Obwohl ich heute über den Tag einen Joint alleine und einen mit Elijah zusammen geraucht, und gut fünf oder sechs Gläser mit Vodka-Mischen getrunken habe, fühle ich mich relativ nüchtern. Jedenfalls so nüchtern, dass meine Gedanken kreisen und mein Herz schmerzt. Und das will ich nicht. Ich will nichts spüren, fühlen, denken. Ich will betäubt sein. Stumpf, emotionslos, gedankenlos.

"Hast du noch Gras?", frage ich Elijah deshalb unverblümt. Oh Gott, ich klinge echt wie ein Junkie. "Ja, aber du kriegst nichts", antwortet er. Ich schaue ihn überrascht an. Mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet.

"John und Phil haben mich eben am Chelsea aufgehalten, als ich gehen wollte. Sie waren ziemlich aufgebracht und wollten wissen, was mit dir los ist und was ich mit dir zutun habe."

"Du hast denen aber nicht gesagt, dass wir immer zusammen kiffen?", frage ich ängstlich.

"Bist du doof? Ich habe dir doch versprochen, dich nicht zu verraten", antwortet er empört. "Ich habe gar nicht mit denen geredet, ich habe die einfach stehen lassen."

Ich atme erleichtert aus. "Ich habe die beiden auch getroffen, erst John und dann Phil. Beide haben auf mich eingeredet, wie fertig ich aussehe, wieso ich mich nicht mehr melde. Und John hat sofort gecheckt, dass ich gekifft hab. Gott, ich halte diesen ganzen Stress nicht mehr aus. Ich halte es nicht mehr aus zu lügen. Und vor allem halte ich es nicht mehr aus ohne Phil zu sein. Er fehlt mir so. Ich fühle mich so einsam ohne ihn", jammere ich und spüre erneut Tränen aufsteigen. Schnell blinzele ich sie weg.

Elijah legt seinen Arm um mich und zieht mich an seine Brust. Sofort spüre ich die Wärme, die von seinem Körper ausgeht. Ich schmiege mich leicht an ihn. "Scht", sagt er und legt seinen Zeigefinger auf meine Lippen. Dann streichelt er sanft über mein Gesicht. "Ich bin doch bei dir. Du bist nicht alleine", sagt er mit sanfter Stimme und streichelt langsam mit seinem Daumen über meinen Mund.

Ich verharre und lasse seine Berührungen einfach geschehen. Auch wenn er nicht Phil ist, gibt er mir wenigstens das Gefühl, nicht alleine zu sein. Mit Elijah ist alles so einfach. Er fragt nicht, er quält mich nicht, er schreibt mir nichts vor. Er ist gerade genau das, was ich brauche. Ein wirklich guter Freund.

Lamgsam nähert sich sein Gesicht dem meinem. Sein Blick wandert von meinen Augen zu meinem Mund. Will er mich jetzt etwa küssen? Scheiße. Schnell räuspere ich mich und stehe auf. "Wollen wir noch was trinken?", frage ich um der Situation zu entfliehen.

Elijah nickt. Sein Blick wirkt plötzlich seltsam, als ob ich ihm vor den Kopf gestoßen habe. Dabei weiß er doch, dass wir nur Freunde sind und ich Gefühle für Phil habe.

Ohne weiter darüber nachzudenken hole ich eine Flasche Vodka und eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und gieße beides in Gläser. Ein Glas reiche ich Elijah, aus dem anderen trinke ich selbst.

"Ich werde dir wirklich kein Gras mehr geben, Ari. Nicht wegen Phil und John, aber du bist viel zu down, gehst nicht mehr raus. Das ist scheiße. Du bist traurig und depressiv und das Gras wird das nur verschlimmern. Vor allem, da du heute schon zwei Joints geraucht hast."

Ich verdrehe die Augen und nehme innerlich alles zurück, was ich noch vor fünf Minuten über Elijah gedacht habe. Jetzt fängt er doch an, mir Vorschriften zu machen und über mich zu bestimmen.

"Du musst mal was anderes nehmen als immer nur Gras. Du brauchst was zum Aufputschen. Etwas, damit du besser drauf bist, damit du wieder glücklich bist", spricht er überraschend weiter.

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sehe ihn fragend an.

Er antwortet nicht, sondern zieht einen dieser kleinen, durchsichtigen Druckverschlussbeutel aus seiner Jackentasche. In diesem Tütchen ist allerdings nicht wie sonst Gras, sondern ein weißes, klumpiges Pulver, welches mich vom Aussehen her an Puderzucker erinnert.

"Und was ist das?", frage ich unschuldig.

Er fängt an zu lachen und legt seinen Arm um meine Schultern. "Das", sagt er und wedelt mit dem kleinen Beutel vor meinem Gesicht herum. "Das, liebe Ariana ist Kokain."

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt