Ariana

- sechsundsechzig -

Ich schlucke hart. Irgendwie habe ich Angst davor, wie Aiden darauf reagiert, dass ich mit Phil zusammen bin. Es geht mir nicht mal um Aiden persönlich. Wir beide sind cool miteinander und der Sex zwischen uns war eine einmalige Sache ohne Gefühle. Viel mehr habe ich Bedenken, wie die Teamkollegen der beiden Phil gegenüber reagieren werden, wenn Aiden die Neuigkeit weiter verbreitet. Ich will nicht, dass Phil dumme Sprüche kassiert, weil er mit der Stadtschlampe zusammen ist.

"Ariana?", holt Aiden mich aus meinen Gedanken. "Was wolltest du mir erzählen?"

Ich atme tief durch und nehme all meinen Mut zusammen.

"Also, Phil und ich. Wir sind.. wir sind keine besten Freunde mehr. Also doch, schon noch, natürlich noch. Wir werden immer irgendwie Freunde sein. Ach verdammt! Wenn ich nervös bin, rede ich mich immer um Kopf und Kragen. Phil und ich sind zusammen", stotterte ich vor mich hin.

Aiden fängt an zu lachen. Als er merkt, dass ich nicht mit lache, versteinert sich sein Gesicht. "Ernsthaft?", fragt er überrascht. Zögerlich nicke ich.

"Ich glaub's ja nicht!", sagt er, nun wieder lachend. Irritiert sehe ich ihn an und nehme schnell noch einen großen Schluck Champagner.

"Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass ihr das irgendwann mal hinbekommt."

"Hä?" Ich verstehe nur noch Bahnhof.

"Ach komm schon, Ari. Dass das zwischen euch etwas besonderes ist, hat doch nun wirklich jeder gesehen. Phil war immer ein bisschen zu besorgt um dich. Ihr wart euch immer ein bisschen zu nah, aber gleichzeitig hast du nie mit ihm geschlafen. Ich habe schon immer vermutet, dass da mehr zwischen euch ist. Ich meine, Phil hat man es angesehen, vor allem in letzter Zeit und wir Kerle reden auch miteinander. Er ist kein Aufreißer, nur du hast es ihm irgendwie angetan", klärt er mich auf. Seine Worte lassen mich schmunzeln.

"Also findest du das nicht scheiße? Denkst du nicht, dass das vielleicht Stress gibt?", spreche ich meine Bedenken aus.

"Ach Quatsch", schüttelt Aiden energisch den Kopf. "Vielleicht kriegt Phil mal 'nen dummen Spruch gedrückt, aber den kriegt jeder. Da steht der schon drüber", versichert er und zwinkert mir zu. "Ich glaube, ihr beide gehört zusammen. Ich würde es euch jedenfalls wünschen", beteuert er und lächelt mich aufmunternd an.

Schon komisch, mit einem Mann, mit dem ich vor wenigen Wochen noch wilden Sex hatte, über meine Gefühle und meine Beziehung zu reden. Gleichzeitig zeigt Aidens erwachsene Reaktion aber auch, dass er ein guterzogener Kerl ist, der das Herz am rechten Fleck hat.

Ich lege meine Hand auf seine und drücke sie kurz. "Danke Aiden. Das ist echt lieb von dir." Er zwinkert mir wieder zu, als plötzlich Emilys Stimme erklingt. "Hallöchen", flötet sie gutgelaunt.

Ich schnelle herum und mustere meine beste Freundin. Sie trägt eine zerissene Jeans, einen grauen Hoodie mit New York Giants Logo und darüber eine schwarze Bomberjacke.

Sie kommt an unseren Tisch, umarmt mich überschwänglich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Dann begrüßt sie auch Aiden mit Küsschen links und rechts und lässt sich seufzend neben ihn auf das Sofa fallen.

"Was ist los, Em?", frage ich. "Ach, ich war doch bei meinen Eltern. Die sind so stressig. Ich hab mich verplappert, dass ich zu einem Footballspiel gehe und sie sind dann ziemlich schnell darauf gekommen, dass ich einen Freund habe und wollen Alex jetzt kennenlernen", stöhnt sie.

"Na und?", frage ich und ziehe die Schultern hoch. "Was na und?", fragt sie entgeistert. "Das kann ich Alex auf keinen Fall antun!"

Ich fange an zu lachen. "Das kannst du Alex nicht antun, oder kannst du dir das nicht antun?", frage ich stichelnd.

"Das kann ich uns beiden nicht antun", antwortet sie energisch.

Emilys Eltern sind schwierig. Sie sind beide wohlhabende Ärzte mit einem herrischen Charakter. Sie wollen mit Sicherheit nur das Beste für ihre Tochter, können sich aber nicht damit anfreunden, dass Emilys Leben jenseits der Medizin verläuft. Sie wollten immer, dass ihre einzige Tochter in ihre renommierten Fußstapfen tritt und haben ihr sämtliche finanzielle, aber auch emotionale, Unterstützung gestrichen, als sie sich dagegen entschieden hat. Mittlerweile haben die drei sich wieder angenähert, aber die Fronten sind weiterhin verhärtet und Emily ist sehr darauf bedacht, sie so gut es geht aus ihrem Leben rauszuhalten.

"Was sagt Alex denn dazu?", frage ich sie. "Der weiß noch nichts von seinem Glück. Das wollte ich ihm nicht kurz vor einem wichtigen Spiel erzählen", erklärt sie. Ich nicke verständnisvoll.

In dem Moment betreten Phils Eltern die Lounge durch die gläserne Tür. "Bin sofort wieder da", informiere ich Aiden und Emily und laufe zu den beiden, um sie zu begrüßen.

Richard trägt ein graues Sakko, ein weißes Hemd und eine dunkle Jeans, um seinen Hals hat er einen Giants Schal geschlungen. Emily trägt eine beigefarbene Stoffhose, eine hellblaue Bluse und eine cremefarbene Strickjacke.

Die beiden umarmen mich herzlich, und ich führe sie zu dem Tisch, an dem ich mit Aiden und Emily saß.

Trotz seines Gipses steht Aiden sofort auf und begrüßt Richard und Olivia. Es scheint, als kennen sie sich bereits, denn sie fragen direkt nach seiner Verletzung.

Dann stelle ich Emily vor, die höflich aufgestanden ist, aber etwas unsicher am Rand verweilt. Richard und Olivia schütteln auch ihr freundlich die Hand, ehe wir uns alle gemeinsam hinsetzen.

Wenig später ist endlich Kickoff und das Spiel beginnt. Wir sind gerade vertieft in das Spielgeschehen, als plötzlich eine nervtötende Stimme unsere Konzentration stört.

"Olivia! Richard!", kreischt jemand überfreundlich neben uns, als hätte sie lang vermisste Verwandte entdeckt.

Mein Kopf schnellt herum und ich kann meinen Augen kaum trauen.

Das kann doch jetzt nicht wahr sein? Was zur Hölle macht sie hier? Woher kennt sie Phils Eltern?

Und wieso verdammt noch mal ist sie mit ihnen per du?

Ich lasse meinen Blick zu Emily gleiten die mich entsetzt anstarrt.

Es ist also keine Fata Morgana.

Sie ist es wirklich.