- sechsundzwanzig -

9.8K 341 284
                                    

Die Frage überrumpelt mich. "Ich.. ähm", stottere ich. Zärtlich streichelt er über meinen Handrücken. "Bitte Ariana, ich will jetzt nicht alleine sein", sagt er mit flehendem Unterton und schaut mich aus seinen großen, braunen Augen an.

Ich hadere kurz mit mir, doch lege dann wortlos den Rückwärtsgang ein und parke mein Auto hinter dem Mercedes Benz Geländewagen von Phils Dad.

Gemeinsam steigen wir aus und laufen zur Haustür, wo Phil in der Hosentasche seiner Jeans rumkramt, bis er triumphierend seinen Haustürschlüssel herauszieht.

Nach zwei erfolglosen Versuchen, die Haustür auszuschließen, nehme ich ihm den Schlüsselbund aus der Hand und übernehme das, bevor er noch seine Eltern weckt.

Sicherheitshalber lasse ich Phil zuerst die Treppen hochgehen und folge ihm. Oben schließe ich auch die Wohnungstür auf und folge Phil in sein Appartement.

Ich stehe einen Moment lang verloren im Flur, bis er mich fragt: "Bist du schon müde?"

Entschieden schüttele ich den Kopf. Der großgewachsene Mann mit den markanten Gesichtszügen wirkt nüchterner als noch vorhin im Club, auch wenn er von nüchtern immer noch weit entfernt ist.

Phil zieht seine Schuhe aus, schmeißt seine Jacke achtlos in den Flur und läuft dann weiter ins Wohnzimmer. Ich hole aus der Küche zwei Gläser Wasser und reiche ihm eines, welches er dankend annimmt und einen großen Schluck trinkt.

Ich lasse mich neben ihm auf der weichen Couch nieder. Einerseits bin ich erschöpft von dem langen Tag, andererseits bin ich hellwach und mein ganzer Körper ist angespannt. Die Situation ist ungewohnt und es fällt mir schwer, Phils Verhalten zu deuten.

"Wieso wolltest du, dass ich mitkomme?", frage ich Phil mit heiserer Stimme, obwohl ich Angst vor seiner Antwort habe und schaue ihn aus großen Augen an.

Phil antwortet aber nicht, sondern legt stattdessen seine Arme um mich und zieht mich etwas ungeschickt an seine Brust. Ich lasse ihn gewähren und schmiege mich an ihn. Sein schwarzes Hemd riecht wie gewohnt nach Weichspüler und seinem prägnanten Parfum, doch er riecht nach der langen Partynacht auch nach Schnaps und Weed.

Sanftmütig küsst er zuerst meine Stirn und dann meine Wange. Es sind keine freundschaftlichen Küsse, dafür streifen mich Phils volle Lippen viel zu zärtlich. Ein angenehmes Kribbeln durchfährt meinen Körper.

Phil küsst erneut meine Wange, platziert den Kuss dieses Mal jedoch knapp neben meinen Mundwinkel.

"Ich wollte dich bei mir haben, Ari. Verstehst du das denn nicht?", flüstert er. Mir wird heiß und kalt zugleich, die Luft zwischen uns ist zum Zerreißen gespannt. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, so heftig, dass ich Angst habe, Phil könnte es hören.

Er küsst erneut meinen Mundwinkel. Das Verlangen, was ich seit Tagen spüre, wird unerträglich. Ich will nichts anderes mehr, als dass er mich endlich küsst.

Und nun bin ich bereit, endlich nachzugeben.

Zögerlich lasse ich meine Hände in seinen Nacken gleiten und verschließe meine Finger miteinander. Behutsam ziehe ich ihn ein kleines Stück herunter und drücke meine Lippen sanft auf seine.

Dieser Kuss ist weich als Watte und so voller Gefühle wie kein Kuss je zuvor. Die Emotionen, die auf mich einprasseln, kommen völlig unerwartet.

Phil küsst mich, wieder und wieder. Er öffnet seine Lippen und dringt zärtlich mit seiner Zunge in meinen Mund ein.

Schnell werden seine Küsse immer fordernder. Seine Hände fahren erst durch meine Haare und dann meine Taille entlang. Wo immer seine Finger mich berühren, überzieht meinen Körper eine Gänsehaut.

Ich habe alles um uns herum ausgeblendet und meinen Kopf ausgeschaltet. Ich denke nicht, ich sehe nicht, ich fühle nur - und zwar Phil.

Ich kriege nicht genug von ihm und seinen vollen, weichen Lippen. Ihm scheint es genauso zu gehen. Wir küssen uns, als würde unser Leben davon abhängen.

Behutsam fährt Phil mit seinen Fingern unter mein T-Shirt und hebt es hoch, um es mir über den Kopf zu ziehen.

In dem Moment ist es, als ob ein Blitz einschlägt und mir wird klar, was ich hier gerade mache und vor allem mit wem ich es mache.

Phil ist total betrunken, was sein Verhalten rechtfertigt, aber ich bin nüchtern. Wie konnte ich es so weit kommen lassen? Phil wird das morgen bereuen und ich bin schuld, es nicht verhindert zu haben.

Ich kann nur hoffen, dass er sich morgen an nichts mehr erinnern kann.

Abrupt und fast schmerzhaft löse ich meine Lippen von seinen und stehe wie in Zeitlupe auf. Mein Herz rast und ich brauche einen Moment um mich zu orientieren und einen klaren Gedanken zu fassen.

Phil mustert mich irritiert.

"Das ist ein großer Fehler, Phil. Ich hoffe, dass du dich morgen an nichts mehr erinnern wirst. Ich muss hier weg, bevor wir beide einen noch größeren Fehler machen, den man nicht mehr rückgängig machen kann", stammele ich.

Ich ziehe mein T-Shirt wieder über meinen flachen Bauch und streiche es glatt. Mit einem Mal will nur noch hier weg.

Ich fühle mich, als hätte ich Phils Zustand ausgenutzt. Wäre er nicht so benebelt, wäre es nie so weit gekommen.

Und nur weil meine Gedanken und Gefühle aktuell Karussel fahren und ich mir einrede, mehr von Phil zu wollen als Freundschaft, kann ich mir nicht einfach nehmen was ich will - oder meine zu wollen - wenn er gerade nahezu handlungsunfähig ist.

Kurz kommt mir das Gespräch zwischen John und Phil heute Nachmittag in den Kopf, welches ich auf der Toilette belauscht habe und ich habe die wahnwitzige Idee, dass Phil das alles vielleicht sehr wohl will, sich aber nüchtern einfach nicht traut.

Ich verwerfe den Gedanken schnell wieder, als Phil mich sanft an der Hand nimmt.

"Geh nicht", bittet er mich leise. "Doch, ich muss gehen, Phil", erwidere ich unsicher. Er nimmt nun auch meine andere Hand in seine. "Ich kann dich nicht gehen lassen, Ari", sagt er. Es herrscht plötzlich eine merkwürdig melancholische Stimmung zwischen uns.

Ich senke meinen Blick, da ich den Ausdruck ins Phil Augen nicht ertragen kann. Ich weiß genau, dass ich sonst schwach werde. Ich will eigentlich nicht mal gehen, ich will nur nicht, dass Phil diese Nacht morgen in nüchternem Zustand bereuen wird.

Phil löst seine rechte Hand aus meiner und legt sie sanft an mein Kinn. Er schiebt behutsam meinen Kopf nach oben, sodass ich wieder gezwungen bin, ihm in seine braunen Knopfaugen zu schauen.

"Wärst du nüchtern, ständen wir doch jetzt gar nicht hier", äußere ich meine Zweifel.

"Nein, stimmt, weil ich mich das nüchtern nicht getraut hätte", gibt er zu und legt seine Lippen wieder auf meine.

Phil küsst mich sanft aber bestimmt. Er schlingt seine Arme um meine Taille und zieht mich an sich. Zwischen zwei Küssen murmele ich halbherzig: "Lass mich los, Phil." Er ignoriert meine Worte und küsst mich weiter. Zum Glück.

Er hebt mich sanft hoch, trägt mich ins Schlafzimmer und legt mich vorsichtig auf sein Bett. Dann legt er sich neben mich und schaut mir tief in die Augen.

"Wir müssen nicht miteinander schlafen, Ari. Eigentlich will ich gar nicht mit dir schlafen. Ich will einfach nur, dass du heute Nacht bei mir bleibst. Bitte."

Zur Antwort küsse ich ihn wieder.

Phils Küsse sind wie Heroin: einmal probiert machen sie sofort süchtig und man kann nicht mehr ohne.

Ich streife meine Higgheels von den Füßen und lasse sie neben dem Bett zu Boden fallen. Indessen steht Phil auf, schmeißt erst seine Jeans und dann sein Hemd auf den Boden und reicht mir aus seinem Schrank zum Schlafen ein weißes T-Shirt mit dem New York Giants Logo.

Lächelnd bedanke ich mich und streife mein rotes Kleid ab, um das Shirt über meine Unterwäsche zu ziehen.

Als wir uns wieder ins Bett legen, zieht er mich an sich und umklammert meine Beine mit seinen.

Ich lasse meine Hände über seinen nackten Oberkörper streichen, bis sie auf seinem Bauch verharren. Phil küsst mich wieder. Er schließt seine Arm um mich und ich kuschele mich zufrieden an seine Brust, bevor ich selig einschlafe.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt