- dreizehn -

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In den nächsten Tagen treffe ich mich immer wieder mit Colin und mit jedem Treffen werde ich süchtiger nach ihm. Süchtig nach den kleinen Momenten, in denen er mir die Nähe und Zuneigung schenkt, nach denen ich mich so sehne. Und mit jedem Mal verletzt es mich mehr, wenn er mich wieder abweist und sich von mir zurückzieht.

Und trotzdem lasse ich mich immer wieder darauf ein. Bis Sonntag, als er mich fragt, ob wir uns heute treffen können. Ich würde ihn zwar gerne sehen, aber ich habe andere Pläne. Ich bin mit Emily verabredet, wir wollen den Abend im Chelsea verbringen und das teile ich ihm auch genauso mit, als ich absage. Seit ich Colin date, ist meine Freundschaft zu Emily oft zu kurz gekommen, daher würde ich es nicht übers Herz bringen, ihr heute abzusagen.

Es ist das erste Mal, dass ich nicht springe, wenn Colin ruft. Er ist es mittlerweile gewohnt, dass ich für ihn alles andere stehen und liegen lasse.

"Aha, schon gelangweilt von mir und auf der Suche nach dem Nächsten?", schreibt er zurück. Seine Worte erwischen mich wie ein Dolch, der mir zwischen die Rippen gerammt wird. Ein lautes Zischen entweicht mir.

"Ganz sicher nicht. Dass ich dich will, habe ich dir wohl oft genug bewiesen, wohingegen du es doch bist, der nur Spielchen mit mir spielt. Du stößt mich permanent von dir weg, während ich dir wie ein Hund hinterherlaufe. Werd dir mal klar darüber, was du willst. Dein ständiges hin und her macht mich krank."

Ich knalle mein Handy auf die Tischplatte.

Was bildet dieser Idiot sich eigentlich ein? Ich bin doch nicht sein Spielzeug, dass er zu seinem Amusement aus dem Regal ziehen und danach wieder achtlos wegwerfen kann, wenn ihm der Spielspaß vergangen ist.

Ich habe auch Bedürfnisse und Gefühle. Wenn er nicht in der Lage ist, diese zu berücksichtigen und zu erfüllen, muss er sich wohl ein anderes Püppchen suchen.

Gut, dass heute Abend für Ablenkung gesorgt ist. Ich werde mir von Colin ganz sicher nicht den Spaß verderben. Ich lasse mein Handy einfach zuhause - und damit auch Colin.

Als Emily mir eine gute Stunde später die Tür ihrer Wohnung öffnet, umarmt sie mich fest. Sie betrachtet mich genauer, legt den Kopf schief und zieht eine Schnute. "Du siehst scheiße aus. Matt, übermüdet, irgendwie ausgelaugt. Deine Augenringe sind sogar dunkler als deine Seele."

Ihre Worte entlocken mir ein halbherziges Grinsen. "Colin macht mich müde", gebe ich zu.

Sie verdreht die blaudn Augen mit den schönen geschwungenen Wimpern. Dass sie kein Fan von ihm ist, ist kein Geheimnis. "Scheiß doch auf den Spacko. Er tut dir nicht gut, das merkst du doch selber. Warum willst du ihn so krampfhaft von dir überzeugen? Und wem versuchst du eigentlich noch was zu beweisen? Ihm oder dir?"

Gute Frage. Ich kann sie selbst nicht eindeutig beantworten.

"Du wolltest es John nach eurem Breakup heimzahlen und jeden Typen vögeln, der dir über den Weg läuft. Das ist dir beides gelungen. Für uns beide war das immer ein Spiel, wir hatten Spaß daran, uns Männer aufzureißen, uns Bestätigung zu holen und hemmungslosen Sex zu haben. Aber wenn du das nicht mehr fühlst, solltest du damit aufhören. Und zwar nicht wegen Colin und weil der dich eine Schlampe nennt! Du bist niemandem was schuldig, schon gar nicht diesem arroganten Arschloch."

Ich raufe mir seufzend durch die brünetten Haare. "Momentan weiß ich selbst nicht, was ich will, Em. Ich muss das noch für mich klar kriegen. Auf eine Art will ich Colin, auf die andere saugt er die Energie aus mir raus wie ein blutdurstiger Vampir. Ich will meinen Spaß haben und mich ausleben, aber ich fände es auch schön anzukommen. Keine Ahnung, echt."

Sie drückt mich liebevoll an sich und streichelt mir mütterlich über die Wange. "Heute kriegst du erstmal den Kopf frei. Du wirst schon herausfinden, was du willst. Gib dir selbst Zeit und lass dich nicht beeinflussen." Ich nicke beipflichtend.

In Emilys Schlafzimmer stylen wir uns für die Nacht. Ich lege heute mehr Make-up auf als sonst, zum einen, um meine Müdigkeit zu verstecken, doch vielmehr ist die Schminke heute eine Maske, um meine Trauer zu verbergen.

Eine zerissene Jeans-Hotpants, ein schwarzer Body, mit tiefem Dekolleté und Cutouts und gleichfarbige Overknee-Stiefel sollen zusätzlich von meinem Gesicht ablenken.

Emily und ich laufen zu Fuß zum Chelsea und stürmen, nachdem wir unsere Mäntel an der Garderobe abgegeben haben, gleich die Tanzfläche. Das ist es, was ich heute brauche!

Wir tanzen zu der lauten Musik, die vibrierenden Bässe erfüllen meinen Körper und ich merke mit jedem Song, wie ich mich immer befreiter fühle. Dopamin wird in Massen ausgeschüttet und versetzt meinen Körper in einen solchen Rausch, wie es nicht mal Alkohol könnte.

Irgendwann spüre ich, wie jemand seine Hände von hinten auf meine Hüften legt und mich sanft herum dreht. Vor mir steht Phil und lächelt mich breit. Ich falle ihm gutgelaunt um den Hals und er hebt mich kurz hoch.

Auch, wenn ich ihn jeden Tag in der Uni sehe, hat er mir wahnsinnig gefehlt. Wir haben uns in der letzten Woche kein einziges Mal getroffen, da ich in meiner Freizeit mit Colin unterwegs war.

"Ich habe dich vermisst", schreie ich über die laute Musik hinweg. "Ich dich auch, Kleines", erwidert er und küsst mich sanft auf die Stirn.

Ich umarme ihn wieder und atme seinen Geruch ein, den ich besser kenne, als jeden anderen. Weichspüler und 1 Million von Paco Rabanne - eine Kombination des Himmels.

"Mit wem bist du hier?" Phil deutet mit einer Kopfbewegung rechts neben uns, wo Emily eng an Alex geschmiegt tanzt.

"Sind die jetzt zusammen oder ist das nur Freundschaft plus?"

Phil beugt sich nach vorne und spricht an mein Ohr, um sich nicht weiter die Seele aus dem Leib brüllen zu müssen. Sein Atem kitzelt angenehm an meinem Hals. "Keine Ahnung. Alex meint es auf jeden Fall ernst mit Emily, aber irgendwie kriegt er nicht so richtig die Kurve, den nächsten Schritt zu gehen. Ich schätze er hat Angst, ihre fragilie Verbindung zu ruinieren, sollte Emily nicht dasselbe fühlen und bevor er sie ganz verliert, nimmt er lieber das, was er schon hat", analysiert Phil unsere besten Freunde kurzerhand zwischen all den schwitzenden, tanzenden Menschen.

Sag mir, dass du Psychologie-Student bist, ohne mir zu sagen, dass du Psychologie-Student bist.

"Als ob Emily ihn nicht will! Das sieht doch ein Blinder", protestiere ich entsetzt. Wenn Alex das nicht checkt, ist er dümmer, als ich dachte.

Alex und Emily verlassen die Tanzfläche und steuern den Tisch der Jungs an. "Willst du auch rübergehen und was trinken?", fragt Phil. "Ich gehe schnell zur Toilette und komme dann nach."

Als ich mich durch die Menge zu den anderen schlängele, tritt plötzlich ein attraktiver blonder Mann vor mich. Mit einem schelmischen Funkeln in seinen grünen Augen fragt er: "Hi, bist du alleine hier?"

Mir ist klar, worauf das hier hinausläuft. Er ist ganz sicher nicht der Bundesbeauftragte für betreutes Feiern.

"Sorry, kein Interesse", antworte ich kurz angebunden, aber mit einem freundlichen Lächeln. Ich will weiter laufen, doch er hält mich sanft am Arm fest. "Ich heiße Calvin und du?"

Das Lächeln in meinem Gesicht ist erstorben. Was genau hat er an 'Kein Interesse' nicht verstanden? Genervt  antworte ich: "Ich heiße Ariana und ich würde jetzt gerne-"

Weiter komme ich nicht. Plötzlich packt mich eine Hand grob am Oberarm und reißt mich mit einem Ruck nach hinten. Vor Schreck bleibt mir die Luft weg und meine Augen weiten sich. 

Ich fahre herum und blicke geradewegs in ein eiskaltes Gesicht und ein Paar wütend funkelnder blauer Augen.

Colin.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt