Colin zieht mich hinter sich her und kommt erst auf dem Parkplatz zum Stehen. Es ist kalt hier draußen, und ohne Jacke fröstel ich sofort.
Er baut sich vor mir auf, verschränkt die Arme vor der Brust, seine blauen Augen funkeln vor Wut. "Was machst du mir da drinnen für eine Szene? Ich habe auf dich keinen Bock, genau wegen sowas, was daran verstehst du nicht?"
Die Härte seiner Stimme ist beängstigend. Ich hasse es, wie er mich schon wieder kleinmacht. Ich fühle mich wie ein dummes Schulmädchen.
"Ariana, wirklich, ich will dich nicht. Halte dich einfach von mir fern", fordert er mit Nachdruck.
"Aber wieso denn nicht? Hast du eine Freundin?", frage ich verständnislos.
Colins Gesicht verzieht sich qualvoll zu einem Lachen. "Ist das für dich wirklich so unglaubwürdig, dass es jemanden gibt, der deinem Charisma widerstehen kann?"
"Ja!"
"Du bist eine Schlampe und ich bin nicht auf bedeutungslosen Sex aus", knallt er mir vor den Kopf.
Schlampe. Schon wieder dieses Wort.
Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und ich spüre, wie mir Tränen in die Augen schießen. "Okay Colin, ich habe es verstanden. Ich werde dich von nun an nicht mehr belästigen, tut mir leid. Leb wohl", sage ich verletzt und drehe mich von ihm weg.
Wie ferngesteuert laufe ich mit gesenktem Kopf in Richtung meines Autos, bis ich plötzlich Schritte hinter mir auf dem Kies knirschen hören und eine Hand sanft nach meinem Handgelenk greift.
"Ariana, es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen", ertönt Colins Stimme sanfter, als jemals zuvor.
"Scheiß drauf, Colin. Du hast nur gesagt, was du denkst", antworte ich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen und ziehe meine Hand zurück. Ich laufe weiter, setze einen Fuß hinter den anderen und halte auf meinen weißen BMW zu.
Doch Colin lässt nicht locker. Plötzlich ist er es, der mich nicht gehen lassen will. Ich höre wieder, dass er mir mit wenig Abstand folgt. "Bleib stehen, Ariana und lass uns reden. Wo willst du denn jetzt hin?"
"Nachhause? Mir ist die Lust vergangen, dank dir", gebe ich trotzig zurück.
Colin macht drei große Schritte und schließt dadurch mühelos zu mir auf. Er packt mich an den Schultern und dreht mich zu sich herum. "Jetzt bleib endlich stehen, verdammt", knurrt er. Seine blauen Augen schimmern mysteriös in der Dunkelheit.
Ich versuche mich von ihm loszumachen, doch seine großen Hände halten mich im Griff wie zwei Schraubzwingen. "Denkst du wirklich, ich lasse dich in dem Zustand nachhause fahren?"
"Wieso auch nicht, bis vor wenigen Minuten war ich dir doch noch scheißegal."
"Da hast du dich aber geschnitten. Komm, wir gehen was essen, ich lade dich ein." Ich will gerade antworten, da schiebt Colin mich einfach vor sich her zu seinem Auto. Er öffnet den schwarzen Sportwagen per Knopfdruck und hält mir die Autotür auf, vermutlich auch, um sicherzugehen, dass ich nicht wieder die Flucht ergreife, sobald er meinen schlanken Körper freigibt.
Ich lasse mich auf den Ledersitz gleiten und schnalle mich an, während Colin den Wagen umrundet und ebenfalls Platz nimmt. "Ist jetzt nicht besonders stilvoll, aber das einzige, was um die Uhrzeit noch offen hat, ist McDonalds."
Die Vorstellung von ihm im feinen Hemd mit einem fettigen Cheeseburger in der Hand inmitten eines Fastfood-Restaurants bringt mich unwillkürlich zum Schmunzeln. "Das ist genau das, was ich jetzt brauche."
Entgegen meiner Erwartungen ist das McDonalds, welches wir kurz darauf betreten, menschenleer. Vermutlich ist es für ein gewöhnliches Abendessen schon zu spät und für einen Late Night Burger im Suff noch deutlich zu früh. "Ich nehme ein BigMac Menü mit Pommes und Cola, bitte", bestelle ich höflich bei der blonden Angestellten hinter der Kasse.
"Kein Gartensalat mit Balsamicodressing?", fragt Colin ehrlich überrascht.
"Niemals", protestiere ich entrüstet. "Aber das zeigt nur einmal mehr, dass du mich völlig falsch einschätzt." Ich hole mein Portemonnaie aus der Tasche und will bezahlen, doch Colin schiebt wortlos meine Hand weg. Er gibt auch seine Bestellung auf und bezahlt dann alles zusammen.
Wir setzen uns an einen der dunklen Holztische im hinteren Teil des Restaurants, sichtgeschützt vor den Mitarbeitern. "Danke, das wäre nicht nötig gewesen. Ich kann sehr wohl für mich selbst zahlen."
"Das wollte ich damit auch nicht in Frage stellen. Ich habe gesagt, ich lade dich ein. Sieh es als Wiedergutmachung für meine harten Worte vorhin. Ich war ein bisschen drüber, auch wenn es meine Meinung ist."
Es ist ja nicht mal so, dass Colin gelogen hat. Per Definition bin ich eine Schlampe: ich habe gerne und viel bedeutungslosen Sex mit wechselnden Männern, aber so abwertend wie Colin mir das immer und immer wieder unter die Nase reibt, verletzt es mich einfach.
Solche ambivalenten Gefühle, wie er sie in mir auslöst, hatte ich noch bei keinem Mann. Colin wirkt auf mich extrem anziehend, aber gleichzeitig fühle ich mich in seiner Nähe wahnsinnig unwohl.
Eine andere Mitarbeiterin bringt das Tablett mit unserer Bestellung und ich nehme einen großen Schluck aus dem Pappbecher mit der eiskalten Cola.
"Wie alt bist du eigentlich, Ariana?", fragt Colin irgendwann, als ich mir gerade zwei Pommes mit Mayonnaise in den Mund stecke. "22 Jahre, und du?" "Ich bin 28 Jahre alt. Wohnst du alleine?" Ich nicke nur und beiße beherzt in meinen Burger.
"Und hattest du in deinen 22 Jahren Leben schon eine ernsthafte Beziehung oder hast du ausschließlich One Night Stands und unverbindliche Affären?" Der vorwurfsvolle Unterton in seiner Frage entgeht mir nicht. Er betrachtet mich interessiert, während ich mich davor winde, ihm zu antworten. Dieses Thema vermeide ich so gut es geht. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen und zu groß ist die Scham - noch immer.
Ich trinke noch einen Schluck der koffeinhaltigen Limonade um Zeit zu gewinnen und mir die passenden Worte in meinem Kopf zurecht zu legen. Dann antworte ich leise: "Ich hatte eine ernsthafte Beziehung."
"Wie lange ging die und wieso habt ihr euch getrennt?"
"Er hat mich betrogen, weil ich ihn nicht ran gelassen habe", denke ich, aber ich spreche es nicht aus.
"1 Jahr und 3 Monate", antworte ich stattdessen.
"Und wieso ihr euch getrennt habt, verrätst du mir nicht?", hakt er erneut nach. "Lass mich raten: Du hast ihn bestimmt betrogen?"
"So ähnlich", nuschele ich, ohne ihn dabei anzusehen. Er ist sowieso davon überzeugt, dass ich eine Schlampe bin. Lieber soll er das weiter denken, als dass ich einen Seelenstriptease hinlege und er am Ende wohlmöglich noch Mitleid mit mir hat. Nichts finde ich schlimmer, als Mitleid. Dann doch lieber Verachtung. Lieber Täterin, als Opfer.
"Und wer war dein Exfreund?" Dieses Thema scheint Colin wirklich umzutreiben, so unnachgiebig wie er mich ausfragt.
"Den kennst du eh nicht", versuche ich ihn abzuwimmeln.
"Wie heißt er denn?"
"John."
DU LIEST GERADE
Ariana
ChickLitAriana ist jung, bildschön - und eine Schlampe. Kein Mann kann ihrem Charme wiederstehen. Aber was passiert, wenn ein richtig heißer Typ kommt und das Spiel umdreht? "Mach hier nicht auf extravagant, Wenn jeder von uns locker mit dir Sex haben kann...