- neunundfünfzig -

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Vor mir steht Elijah in einem quietschbunten Carlo Colucci Pullover. Als er mich sieht, grinst er schief.

"Was willst du hier?", frage ich scharf. Allein sein Anblick bringt mich auf 180, jetzt wo ich weiß, dass er bereit war, mich einfach elendig verrecken zu lassen.

"Ich will mit dir reden", erklärt er zerknirscht.

"Ich will aber nicht mit dir reden", gebe ich entschlossen zurück.

Wie kann er so dreist sein und hier auftauchen?

"Komm schon, Ari, gib mir bitte die Chance mich zu erklären und mich bei dir zu entschuldigen."

Ich mustere ihn kurz. Sein Blick ist bedrückt aus und er wirkt allgemein ziemlich fertig. "Ariana, bitte", sagt er nun mit flehenden Unterton und nimmt meine Hand. Er schenkt mir einen herzerweichenden Hundeblick.

Ich ziehe meine Hand abrupt zurück. Ich will nicht, dass er mich berührt. Er hat kein Recht dazu. "Elijah, ich kann jetzt nicht. Ich bin gleich zum Essen verabredet."

"Komm schon, Ariana, ich bitte dich", bettelt er erneut. "Ich habe wirklich keine Zeit. Ich bin nur kurz hier, um mich umzuziehen", bleibe ich hart. Das ist nicht mal eine Ausrede, es ist die Wahrheit.

Elijah streicht sich frustriert über sein Gesicht und seufzt laut. "Lass uns uns die Tage treffen, okay? Sag mir, wann du Zeit hast, und dann reden wir", schlägt er vor.

Nervös spiele ich an meinem Schlüsselbund herum. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich bin total zwiegespalten. Einerseits will ich hören, was er zu sagen hat, andererseits will ich ihn nie wieder sehen. Und ich weiß, dass es Phil auch überhaupt nicht gefallen würde, wenn ich mich alleine mit Elijah treffe.

Ich atme tief durch. "Morgen", antworte ich knapp. "Danke", erwidert er erleichtert und sein Körper entspannt sich zusehends.

"Aber nur wir zwei, ja?", hakt er nach. "Ich will nicht, dass sich jemand einmischt."

"Ich muss schauen, wie ich das mache. Ich melde mich morgen bei dir, wann und wo wir uns treffen können, okay?"

Elijah nickt zufrieden. "Es tut mir wirklich leid. Ich wollte das alles nicht."

"Wir reden morgen, ich hab es wirklich eilig, Elijah. Sorry!", sage ich und stecke den Schlüssel in das Schloss meiner Wohnungstür, um meiner vorangegangenen Aussage Nachdruck zu verleihen.

"Okay, okay", entgegnet er und hebt beschwichtigend die Hände.

"Wir sehen uns morgen", sage ich nüchtern, trete in meine Wohnung und ziehe schnell die Tür hinter mir zu, als hätte ich Angst, dass er mir folgt.

Ich bezweifle, dass es eine gute Idee ist mich mit Elijah zu treffen und ich weiß nicht, ob ich Phil davon erzählen soll oder es lieber bleiben lasse.

Da mir die Zeit im Nacken sitzt, beschließe ich,  mir darüber später den Kopf zu zerbrechen.

Ich schaue schnell auf mein Handy und lese die neue Nachricht von Phil während ich ins Badezimmer laufe. "Mehr als okay", hat er geschrieben.

Ich schließe meinen Lockenstab an und kämme mir sorgfältig die Haare, bevor ich mich schminke. Heute ist wirklich viel Farbe nötig, um die Schatten und Spuren der letzten Tage aus meinem Gesicht zu vertreiben.

Nach dem Make-up drehe ich Strähne für Strähne große Locken in meine Haare. Als ich fertig bin, werfe ich einen prüfenden Blick in den Badezimmerspiegel. Gar nicht so übel!

Ich laufe ins Schlafzimmer und schaue verzweifelt in meinen Kleiderschrank.

Verzweifelt raufe ich mir die Haare. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es sei mir egal, was ich heute anziehe. Es fühlt sich nach einem besonderen Anlass an, und ich möchte einen guten Eindruck machen – besonders nachdem Phils Eltern mich heute Vormittag in so einem desolaten Zustand gesehen haben.

Ich schiebe einen Kleiderbügel nach dem anderen zur Seite und mustere genervt meine Garderobe. "Okay, Ari, denk nach!" Ich nehme alle Kleider aus dem Schrank und lege sie aufs Bett: Schwarz, Weiß, bunt, mit Tüll, Pailletten oder Spitze – alles ist dabei.

Nach einer schnellen Inspektion bleiben drei Kleider übrig: ein klassisches kleines Schwarzes, ein royalblaues Kleid, das knapp über dem Knie endet und schön weit fällt, und ein nudefarbenes, mit Spitze besetztes Kleid. Alle drei probiere ich nacheinander an.

Das nudefarbene Kleid sitzt perfekt und wirkt besonders und elegant – genau das Richtige für heute. Dazu h entscheide ich mich für ein Paar Riemchensandaletten, die mit Strasssteinen besetzt sind, und eine hübsche Clutch im passenden Stil.

Trotz aller Bedenken bin ich mit dem Endergebnis zufrieden. Ich hole mein Handy aus dem Bad und mache einige Fotos. Kurz überlege ich, Phil eins zu schicken, werfe den Gedanken jedoch schnell wieder über Board. Ich will ihn lieber überraschen. Innerlich hoffe ich, dass ihm bei meinem Anblick die Augen aus dem Kopf fallen. Nach all den negativen Überraschungen der letzten Tage können wir beide eine positive gut gebrauchen.

Ich nehme mir noch eine cremefarbene Jacke aus weichem Webpelz mit und ziehe die Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Während ich zum Auto laufe, rufe ich Phil an. "Mister West, halten sie sich bereit. Ich hole sie in zehn Minuten ab. Ich habe für diesen besonderen Anlass extra einen schönen Sportwagen ausgeliehen."

Phil lacht laut ins Telefon. "Holde Maid, ich erwarte sie bereits sehnsüchtig und werde mich nun nach unten begeben, um sie rechtzeitig zu empfangen."

Als ich auf den Vorhof der Villa fahre, bin ich erleichtert, den Bugatti heil wieder zurückgebracht zu haben. Von Phil ist noch nichts zu sehen, deshalb schnalle ich mich ab und steige aus. Zum einen will ich vermeiden, dass Phil auf die Idee kommt, mich zum Restaurant fahren zu lassen, zum anderen möchte ich, dass Phil mich in voller Pracht sieht.

Das laute Geräusch der zufallenden Haustür reißt mich aus meinen Gedanken. Phil trägt eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit einer schicken Krawatte und einen kurzen, anthrazitfarbenen Wollmantel. Er sieht unfassbar gut aus und sein Anblick bringt mich schon aus der Ferne zum schmelzen.

Mit zielstrebigen Schritten läuft er auf mich zu und mustert mich ebenfalls verzückt. "Du siehst wirklich wunderschön aus, Ariana", sagt er, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn drückt.

Ich lasse mich kurz in seine Arme ziehen. "Danke, du auch", erwidere ich strahlend. Dann überreiche ich ihm seinen Autoschlüssel und setze mich auf den Beifahrersitz.

Phil fährt los und ich überlege, ihm von Elijahs unangekündigtem Besuch und unserer morgigen Verabredung zu berichten, doch ich will die Stimmung kurz vor dem gemeinsamen Abend mit seinen Eltern nicht zerstören.

Vielleicht erzähle ich es ihm später.

ArianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt