Ich kneife die Augen zusammen. In der Dunkelheit fällt es mir schwer, etwas zu erkennen. Mein Herz rast. Wie in Zeitlupe setze ich einen Fuß vor den anderen. Ich schaue noch mal hin. Und noch mal. CM. CM. CM.
Mein Hals ist wie zugeschnürt und ich spüre einen stechenden Schmerz in der Brust. Ich ringe nach Luft und versuche mich zusammenzureißen, aber es gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl, keine Kontrolle mehr über meinen Körper zu haben. Die Bilder, wie er mich zusammengeschlagen hat, schießen mir wieder durch den Kopf.
Ich taumele nach hinten und kann mich gerade noch an einer Hauswand abstützen. Keuchend lehne ich mich dagegen. Kalter Schweiß läuft mir über die Stirn und den Rücken hinunter. Meine Ohren beginnen zu rauschen.
In dem Moment fasst mir jemand von der Seite an den Arm. Ich zucke zusammen und stoße einen spitzen Schrei aus. Jetzt hat er mich! Schon wieder! Und ich kann nichts dagegen tun. Ich komme nicht weg. Er wird mich wieder verprügeln, ich weiß es genau. Vielleicht bringt er mich sogar um, wenn diesmal niemand dazwischen geht.
"Ariana!", schreit die Stimme neben mir. Ich traue mich nicht aufzusehen. Ich traue mich nicht in sein ekelhaftes, hasserfülltes Gesicht zu sehen. Plötzlich spüre ich eine Hand an meinem Kinn, die mich zwingt hoch zu schauen. Ich versuche, mich dagegen zu wehren, aber er drückt mein Kinn kräftig hoch.
Ich blinzele die Tränen weg und hebe ganz langsam meine Augen..
Und blicke in Johns Gesicht.
Meine Augen weiten sich, als ich realisiere, dass John vor mir steht, und nicht Colin.
Unter lautem Schluchzen breche ich hysterisch in Tränen aus. Ich lasse mich einfach fallen, da meine Beine versagen, aber John fängt mich rechzeitig auf. Er zieht mich hoch und drückt mich eng an sich. Ich heule mir die Seele aus dem Leib. John redet beruhigend auf mich ein und streichelt sanft über meinen Rücken.
Als ich nach quälend langen Minuten beginne mich zu beruhigen, hebt er mich hoch und trägt mich in meine Wohung. Er legt mich auf der Couch ab, zieht mir die Schuhe und die Jacke aus und bringt sie in den Flur. Dann kommt er wieder und setzt sich neben mich.
Mein Atem hat sich langsam wieder reguliert und mein hysterisches Weinen ist mittlerweile nur noch ein leises Wimmern. "Was ist passiert, Ari? Wieso ging es dir plötzlich so schlecht?"
Ich schlucke. Ich wollte nicht, dass jemand von diesen Panikattacken mitbekommt. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machen oder das ganze überdramatisieren.
"Da stand ein Auto vor der Tür. Mit Kennzeichen CM, wie Colins Kennzeichen. Ich dachte Colin steht da und wartet auf mich", stottere ich.
"Wieso hast du das nicht gleich gesagt? War das wirklich Colin?", fragt John aufgebracht. Ich zucke mit den Schultern. Gesehen habe ich ihn nicht.
John springt auf. "Ich bin sofort wieder da", informiert er mich und schnappt sich meinen Schlüssel vom Schlüsselbrett. Unruhig warte ich, bis ich kurze Zeit später den Schlüssel im Schloss höre und John wieder das Wohnzimmer betritt.
Er wirkt erleichtert und schmeißt sich neben mich aufs Sofa. "Entwarnung. Da steht ein Auto mit dem Kennzeichen CM, aber es ist weder ein schwarzer Porsche, noch sitzt Colin drin. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Es hätte mich auch gewundert, wenn er nach Phils eindrucksvollem Auftritt noch die Eier hätte, hier aufzutauchen."
Glück gehabt. Dieses Mal zumindest.
John streicht sanft über meinen Arm. "Ari, du kannst immer mit mir reden. Egal was passiert, du musst da nicht alleine durch, hörst du?"
Das ist das erste Mal seit unserer Trennung, dass ich wieder den John sehe, in den ich mich damals in der Schule verliebt habe. Einfühlsam, liebevoll, loyal.
"Danke", sage ich leise und meine es auch so. Ich bin dankbar, dass ich gerade nicht alleine sein muss. Ich bin dankbar, dass John da war und mich aus der Situation gerettet hat.
Ich kenne John seit vielen Jahren und er mich. Wir sind zusammen erwachsen geworden und auch, wenn wir uns auf diesem Weg verloren haben, spüre ich gerade, dass er mir immer noch sehr vertraut ist.
John lehnt sich an die Rückenlehne der Couch. "Nicht dafür", erwidert er betont lässig und lässt seinen Blick durch die Luft schweifen. Er wirkt nachdenklich. Ich schweige eine Weile, bis meine Neugier gewinnt.
"Worüber denkst du nach?", frage ich ihn schließlich. Er holt tief Luft. Seine blauen Augen fixieren mich und er scheint genau abzuwägen, was er mir zumuten kann und in welche Worte er das am besten verpackt.
"Ich denke darüber nach, wie unsere Beziehung verlaufen wäre, wenn ich Idiot diesen dummen Fehler nicht gemacht hätte. Du warst meine erste große Liebe und ich war mir sicher, dass du einfach perfekt bist. Was, wenn ich nicht mit Vivian geschlafen hätte? Wären wir heute noch zusammen? Hätten wir vielleicht sogar geheiratet und Kinder gekriegt? Zumindest irgendwann?"
Ich lasse seine Worte kurz auf mich wirken. "Keine Ahnung, John. Das kann man nicht wissen. 'Was wäre, wenn..' ist immer eine beschissene Frage. Letztendlich kommt alles so, wie es kommen soll. Wenn wir nicht füreinander bestimmt sind, hätten wir uns sowieso irgendwann getrennt. Und wenn wir füreinander bestimmt sind, werden wir irgendwann wieder zueinander finden."
Leise sagt John: "Wahrscheinlich hast du Recht." Zögerlich hebe ich meinen Blick und schaue ihm in seine traurigen Augen, was ich bisher in weiser Voraussicht vermieden habe. "Bereust du es?", frage ich ihn. So offen haben wir noch nie über den Vorfall geredet. Damals hat er tausendmal versucht mir alles zu erklären, aber ich habe ihm nie zugehört. Er hat mich betrogen! Was gab es da schon zu erklären? Ich war zu verletzt. Mein Herz war gebrochen, mein Stolz gekränkt, deshalb wollte ich so wenig davon wissen, wie möglich.
Aber mit den Jahren, je mehr meine Wunden verheilt sind, desto mehr Fragen haben sich in mir aufgestaut und ab und an nagten sogar Zweifel an mir, ob es richtig war, ihm nie eine zweite Chance gegeben zu haben.
Und jetzt nach Jahren, wo ich endlich über John hinweg bin und langsam beginne, mir etwas Neues mit Phil aufzubauen, sitze ich hier und habe plötzlich das Bedürfnis meine zerbrochene Beziehung mit John aufzuarbeiten? Reißt das nicht nur alte Wunden auf und holt längst verschollene Gefühle wieder hoch?
"Natürlich habe ich das bereut, Ariana!", reißt mich Johns Stimme aus den Gedanken. "Ich habe es an jedem Tag bereut in den letzten zwei Jahren. Ich habe es schon bereut, während ich es gemacht habe. Ob du es mir glaubst oder nicht, ich wollte die ganze Zeit abbrechen. Ich weiß nicht, wieso ich Vollidiot es nicht getan hab."
Ich schlucke. Die Bilder von Vivian, dieser Schlampe, und John beim Sex füllen meinen Kopf. Wie sie nackt, verschwitzt und keuchend ineinander verschlungen auf dem Bett liegen. Ein stechenden Schmerz fährt durch meinen Körper. Den Moment, in dem ich realisiert habe, was hier gerade passiert, werde ich niemals vergessen.
"Ariana, ich weiß, dass ich dich verletzt habe. Ich habe dich betrogen, ich habe dein Vertrauen zerstört. Ich war ein illoyaler Bastard. Ich weiß das alles. Aber glaub mir: nichts in meinem ganzen Leben bereue ich mehr. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich das rückgängig machen. Selbst wenn wir auch ohne meinen Seitensprung heute vielleicht nicht mehr zussmmen wären, ich hätte dich niemals so verletzen dürfen. Zu sehen, was ich aus dir gemacht habe, hat mein Herz nicht nur einmal gebrochen."
Ich schaue John tief in die Augen, als könnte ich die Wahrheit in ihnen lesen. Sie sind gefüllt mit Tränen, sein Blick ist voller Reue. Wütend streicht er sich über das Gesicht und wischt die Träne weg, die ihm gerade über die Wange gelaufen ist.
Auch meine Augen füllen sich mit Tränen. John legt sanft seine Hand an meine Wange und streichelt mit seinem Daumen über meine kalte Haut. Er fixiert mich mit seinem Blick. Leise flüstert er: "Es tut mir so unendlich leid, Ari.."
Sein Gesicht nähert sich meinem, bis uns nur noch wenige Zentimeter voneinander trennen. Ich spüre seinen warmen Atem auf meinen kalten, tränennassen Wangen. Seine Augen wandern zu meinen vollen Lippen. Sanft zieht er mich noch ein Stückchen näher an sich und..
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Ariana
Romanzi rosa / ChickLitAriana ist jung, bildschön - und eine Schlampe. Kein Mann kann ihrem Charme wiederstehen. Aber was passiert, wenn ein richtig heißer Typ kommt und das Spiel umdreht? "Mach hier nicht auf extravagant, Wenn jeder von uns locker mit dir Sex haben kann...